Niemand will den Affenmenschen
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Das Skelett eines Makaken im Naturkundemuseum Bamberg (Bayern).
© Quelle: picture alliance / David Ebener
Forscher haben Menschen und Affen gekreuzt! Früher hätten Zeitungsverkäufer diesen Satz über den Boulevard geschrien: Extrablatt!
Tatsächlich ist erstmals ein Embryo, der Zellen von Menschen und Affen enthält, in einer Petrischale 20 Tage lang am Leben erhalten worden. Was bedeutet das? Und worauf läuft das hinaus? Grüßen uns bald Mischwesen, von denen niemand genau weiß, ob sie nun den Schutz der Menschenrechte genießen oder ob man sie in den Urwald entlassen soll? Und wie nennt man diese Wesen dann? Sind es Menschenaffen? Affenmenschen?
Für viele steht fest: Eine Forschung, die unsere Welt derart ins Wanken brächte, muss sofort verboten werden. Doch die Sache ist sehr viel komplexer.
Die Experimente laufen nicht in geheimen Gewölben, sondern, von Ethikern begleitet, in einer seriösen Forschungseinrichtung in Südkalifornien statt, im Salk Institute, benannt nach Jonas Salk, dem Erfinder des Polioimpfstoffs. Federführend ist der aus Spanien stammende Zellforscher Juan Carlos Izpisua Belmonte, der schon seit Jahrzehnten an Stellen bohrt, wo bislang die menschliche Erkenntnis an Grenzen stieß. Bologna, Marburg und Heidelberg gehörten zu seinen Stationen in Europa, bevor er in die USA übersiedelte.
Das Geheimnis des Zebrafischs
Belmonte faszinierte stets die Regenerationskraft bestimmter Arten: Wie kann der Salamander seine Gliedmaßen, der Zebrafisch sogar sein Herz erneuern? Könnten zelluläre Prozesse dieser Art eines Tages auch Menschen helfen, etwa bei der Behandlung – oder gar Verhütung – von Krebs, Alzheimer oder Kreislauferkrankungen?
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Juan Carlos Izpisua Belmonte, Jahrgang 1960, geboren in Spanien, macht derzeit weltweit Schlagzeilen wegen seiner Experimente in Kalifornien.
© Quelle: CENIE International Centre on Aging
Eine Medizin, die solche harten Nüsse knacken will, kommt nicht weiter, ohne eine sich tief ins Biologische hineinbohrende Grundlagenforschung – die auch vor befruchteten menschlichen Eizellen nicht haltmachen darf, jedenfalls nicht innerhalb bestimmter Fristen und zu hochrangigen Forschungszwecken. Die Rechtslage in Deutschland und in der EU muss daraufhin überprüft werden, ob sie den Anforderungen der Forschung noch entspricht. Die USA, Großbritannien und Japan zum Beispiel bieten einen liberaleren Rahmen – ohne auf Kontrolle und Transparenz zu verzichten.
Ein Missverständnis begleitet seit Jahrzehnten die Forschenden. Gemischte Embryonen zu erzeugen ist nicht ihr Ziel, es ist nur ihre Methode. Weder soll ein Mischwesen ausgetragen noch soll es am Ende gar geboren werden. Es geht allein darum, das Zellgeschehen in einem frühen Stadium zu entschlüsseln, dabei hilft den Forschern eine Art gleitender Übergang zum Tierversuch, noch auf embryonaler Ebene.
Ein Herz von Tieren?
Wohin die Experimente am Ende konkret führen werden, kann auch Belmonte selbst noch nicht abschließend sagen. Auf jeden Fall winkt ein weit tieferes Verständnis des Menschen über seine eigene embryonale Entwicklung. Möglich wären aber auch Fortschritte bei der Xenotransplantation, also den Bemühungen, auf den Menschen transplantierbare Herzen, Nieren und andere Organe etwa in Schweinen zu züchten.
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Ein Herz von Tieren? Die Sache ins Lächerliche zu ziehen ist leicht. Wer aber den Mangel an Spenderorganen und das Leid von Betroffenen betrachtet, wird sich einem solchen Weg am Ende nicht verschließen wollen, wenn er sich denn als gangbar erweist.
Die Diskussionen über ethische Aspekte an dieser Stelle sind hier und da schon erstaunlich weit gediehen. Dem Magazin „Scientific American“ berichtete Belmonte schon vor fünf Jahren, dass zum Beispiel sein Heimatland Spanien, ein sehr katholisches Land, offen sei für die Xenotransplantation und die dazu nötige Stammzellforschung. Er habe sogar Papst Franziskus alles erläutert und ihn gefragt, ob er zustimme: „Er hat sehr nett Ja gesagt.“