Noch ist Glasgow nicht verloren: Wie nun Schwung in den Klimagipfel kommen kann
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Bepflanzte Buchstaben sind beim UN-Klimagipfel in Glasgow zu sehen.
© Quelle: imago images/NurPhoto
Berlin. Besser wird es nicht mehr. Selbst wenn es der Weltgemeinschaft gelingt, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, wird es immer mehr Extremwetter, mehr Dürren, mehr Flutkatastrophen, mehr Klimaflüchtlinge geben. Denn umkehrbar ist der Klimawandel nicht, nur beherrschbar. Aber auch dann wird es teuer. Allein für die Flutschäden, die im Juli in nur einer Nacht in Westdeutschland entstanden, zahlen Bund und Länder 30 Milliarden Euro.
Das muss man sich vor Augen führen, wenn man nach einer Woche eine Zwischenbilanz der Klimakonferenz in Glasgow zieht. Nach der wortmächtigen Eröffnung durch westliche Regierungschefs und einem prallen Rahmenprogramm rücken in der kommenden Woche die Minister an, um auf der nächsthöheren Ebene weiter zu verhandeln.
Zum peinlichen Teil dabei gehört, dass es erneut um das alte Versprechen gehen wird, den Entwicklungsländern mit 100 Milliarden Dollar pro Jahr zu helfen: nur etwas mehr als drei NRW-Flutsommer also, damit der gesamte globale Süden seine Wirtschaft klimagerecht umbaut sowie Vorbeugungsmaßnahmen und Wiederaufbau nach bereits entstandenen Schäden finanziert. 2009 versprochen, bis heute verfehlt.
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Kein Wunder, dass die Entwicklungsländer in Glasgow sich kaum dem Einfluss Chinas – weltgrößte CO₂-Schleuder – entziehen und ehrgeizigere Ziele zusagen. Noch beim umjubelten Pariser Klima-Abkommen war das 2015 gelungen, und selbst zum Weltklimagipfel von US-Präsident Joe Biden ließen sich in diesem April noch die Präsidenten von China und auch Russland zuschalten.
In Glasgow fehlen Wladimir Putin und Xi Jinping dagegen, und die Entwicklungsländer stehen mit China auf der Bremse, wenn es um die Erhöhung der eigenen Zusagen geht. Dahinter stecken auch diplomatische Verstimmungen: China ist vom Verdacht düpiert, das Coronavirus sei seinen Laboren entwichen, die Länder des Südens leiden, weil der Norden Impfstoff hamstert. Die Klimapolitik bleibt Teil der Geopolitik – und folgt deshalb dem diplomatischen Klima. Allein deshalb darf man nächste Woche kein klimapolitisches Feuerwerk von der Glasgower Abschlusserklärung erwarten.
Das ist einerseits verheerend. Denn in Glasgow müssen letzte Lücken im Paris-Abkommen geschlossen, zudem die CO₂-Reduktionsziele angepasst werden – was nur alle fünf Jahre vorgesehen ist: eine Ewigkeit angesichts des Handlungsbedarfs.
Glasgow sendet Signale
Andererseits sendet Glasgow auch ermutigende Signale: So ist nun weltweiter Konsens, dass ein Kohleausstieg unvermeidlich ist. Auch China, Russland und nun sogar Indien bekennen sich dazu. Zudem boykottieren auch Peking und Moskau den Gipfel nicht: Ihre Delegationen verhandeln auf Augenhöhe mit, ihre Regierungen halten sich an Regeln und Absprachen, beide traten in dieser Woche der Initiative zum Waldschutz bei. 85 Prozent der weltweiten Waldfläche ist unter Schutz gestellt, wenn sich alle Unterzeichner – trotz Freiwilligkeit – daran halten, die Entwaldung zu stoppen.
Insgesamt wurden in Glasgow schon jetzt mehr bi- und multilaterale Initiativen sowie Partnerschaften mit der Wirtschaft vorgestellt als je zuvor. So wird Südafrika – sechstgrößter Kohleverstromer – per Pionierprojekt beim Umstieg auf Öko-Energie unterstützt; wollen 40 Regierungen klimaneutrale Technologien für energieintensive Branchen forcieren; werden Solarkraftwerke und Windparks in Asien und später in Afrika finanziert.
All das hätte besser vor Jahrzehnten begonnen. Dass es nun auf den Weg gebracht wird, könnte aber Schwung in die UN-Verhandlungen bringen. Dort allerdings sind nicht mehr allein nationalstaatliche CO₂-Zusagen gefragt, sondern vor allem kreative Lösungen: für ein Welthandelssystem, das den Klimaschutz fest verankert und unabhängig macht von politischen Stimmungen.