Olaf Scholz in Chile: Wenn der Schrecken einer Diktatur greifbar wird
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Chiles Präsident Gabriel Boric stehen im Museum für Erinnerung und Menschenrechte vor Fotos der Opfer der chilenischen Militärdiktatur.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Santiago de Chile. Es gibt für Olaf Scholz an diesem Tag zwei Begegnungen mit dem chilenischen Präsidentenpalast La Moneda. Die erste ist ein beklemmender Schwarz-Weiß-Film, die andere ist seine Ankunft im Palacio de La Moneda. Den Film sieht der Kanzler noch in einem Museum, anschließend schreitet er über einen roten Teppich in Richtung Palast, der chilenische Präsident Gabriel Boric immer an seiner Seite. Der hat erst im Dezember knapp die Wahl gegen einen Rechtspopulisten gewonnen, der die frühere Militärdiktatur von Augusto Pinochet verteidigt.
Die „Moneda“ ist ein Symbol für diese Diktatur. Auf dem Balkon zeigte sich der damalige Präsident Salvador Allende am 11. September 1973 zum letzten Mal. An diesem Tag vor 50 Jahren übernahm das Militär die Macht, der Präsidentensitz brannte. Pinochet ließ verhaften und töten. Tausende starben in den 17 Jahren seiner Diktatur.
Die Bilder vom Auftritt Allende, vom Feuer in der „Moneda“ flimmern im Museum über Bildschirme. Beim offiziellen Empfang in der „Moneda“ etwas später weht ein leichter Wind das über den Innenhof gespannte Sonnensegel. Etwas Leichtigkeit kommt von oben. Unten schreiten Scholz und Boric das Ehrenspalier ab, weiß-grün gekleidete Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten. Oben besichtigen sie auch das einstige Büro von Allende.
Scholz kündigt Rohstoffpartnerschaft mit Chile an
Deutschland sei mit seinen hohen Standards ein idealer Partner, so der Kanzler.
© Quelle: Reuters
„Es ist wichtig, die Freiheit zu verteidigen“, sagt Scholz anschließend in der Pressekonferenz. Er habe Putsch und Diktatur als junger Mann mit Beklemmung verfolgt.
Scholz auf Südamerikareise
Chile ist die zweite Station auf Scholz‘ Südamerikareise, nach einem Stopp in Argentinien und vor der Weiterreise nach Brasilien. Als die chilenische Diktatur vor 30 Jahren zu bröckeln begann, war er schon einmal hier. Auch in Argentinien hat er den Gedenkort für die Opfer der dortigen Militärdiktatur besucht. In Brasilien haben nach dem Wahlsieg von Lula da Silva bei der Präsidentschaftswahl Anhänger des rechtsextremen Wahlverlierers Jair Bolsonaro Regierungsgebäude gestürmt – auch dort ist die Stärkung der Demokratie und der Menschenrechte ein Thema der Reise.
In Santiago de Chile kommt Scholz auch auf ein düsteres Kapitel deutsch-chilenischer Geschichte zu sprechen: die von dem Deutschen Paul Schäfer gegründete Colonia Dignidad, die mit Pinochets Folterern zusammenarbeitete und deren Bewohner systematisch unterdrückt wurden. Ein Erinnerungs- und Dokumentationszentrum plant die chilenische Regierung, die genaue Ausgestaltung ist noch offen. Und Scholz mischt sich demonstrativ nicht ein: Es handele sich um ein sensibles, schwieriges Thema, auch weil es so unterschiedliche Opfergruppen gebe, sagt er. Deutschland werde Chile unterstützen, aber die Entscheidungshoheit liege bei der chilenischen Regierung.
Genervter Bundeskanzler
Zwischendurch erteilt Scholz erneut der Lieferung von Kampfjets an die Ukraine eine Absage, zumindest lässt er sich so verstehen. Er habe dazu bereits alles gesagt, verkündet er genervt. „Was wir brauchen, ist eine seriöse Debatte, nicht einen Überbietungswettbewerb“, bei dem innenpolitische Motive leitend sein. Chiles Präsident verspricht der Ukraine keine Waffen, aber Hilfe beim Minenräumen.
Und dann ist da noch der Moment, an dem sich zwei Männer in die Arme fallen: Ein Vertreter der chilenischen Kupfergesellschaft und der Geschäftsführer des deutschen Kupferverarbeiters Aurubis besiegeln so die Unterschrift unter ein Abkommen zur Zusammenarbeit, mit nachhaltiger Förderung. Im Hintergrund steht ein lächelnder Olaf Scholz. Der Import von Kupfer und auch von Lithium aus Chile, so die Hoffnung, muss künftig nicht mehr über den Zwischenhändler China laufen.