Osna gegen Olaf: Worum Staatsanwaltschaft und Finanzminister wirklich streiten

SPD-Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Olaf Scholz.

SPD-Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Olaf Scholz.

Berlin. Zu Osnabrück hatte Olaf Scholz bislang ein ungetrübtes Verhältnis. „Grüßen Sie mir meinen Geburtsort“, gab der Finanzminister SPD-Bundestags­abgeordneten mit auf den Weg, als diese sich Anfang 2019 zu einer Landesgruppensitzung in der „Stadt des Westfälischen Friedens“ trafen. Scholz hat vor 63 Jahren in Osnabrück das Licht der Welt erblickt.

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Inzwischen allerdings dürfte der SPD-Kanzlerkandidat mit weniger positiven Gefühlen auf die Stadt im südlichen Niedersachsen blicken, hat dort doch eine Staatsanwaltschaft ihren Sitz, die dem Sozialdemokraten im Endspurt des Bundestagswahlkampfs das Leben schwer macht.

Am vergangenen Donnerstag standen zwei Osnabrücker Staatsanwälte mit einem Durchsuchungsbeschluss vor dem Tor des Bundesfinanz­ministeriums in Berlin. Die Strafverfolger ermitteln gegen bislang nicht näher benannte Beamte der Anti-Geldwäsche-Behörde Financial Intelligence Unit (FIU), die zum Zoll und damit zum Geschäftsbereich des Bundesfinanz­ministeriums gehört.

Der Vorwurf der Strafvereitelung im Amt steht im Raum, weil die FIU Meldungen über Verdachtsfälle auf Geldwäsche nicht an die Strafverfolgungs­behörden weitergeleitet hatte.

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FIU – die überforderte Behörde

Die Sache ist kompliziert. Im Kern geht es darum, wie die FIU ihre Arbeit organisiert. Banken sind verpflichtet, verdächtige Transaktionen an die Behörde zu melden, angesichts der Vielzahl der eingehenden Meldungen ist die FIU aber nicht in der Lage, jede einzelne Meldung händisch zu prüfen. Das Gesetz sieht deshalb einen sogenannten „risikobasierten Ansatz“ vor, nach dem FIU vorgehen soll. Darüber, wie die Behörde diesen Ansatz konkret ausgestaltet, gibt es Streit.

Bislang prüft die FIU bei jeder eingehenden Meldung, ob diese einem von zehn Risikoschwerpunkten entspricht, und nimmt nur dann eine vertiefte Analyse vor. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft Osnabrück ist das rechtswidrig.

Die Ermittler wollen nun klären, wer die Vorgehensweise veranlasst oder genehmigt hat. Gab es eine Rückversicherung der Behörde mit dem für die Rechtsaufsicht zuständigen Finanzministerium? In diesem Fall müssten die Verantwortlichen auch dort mit strafrechtlichen Ermittlungen rechnen. Noch allerdings ermitteln die Staatsanwälte ausdrücklich gegen „Unbekannt“.

Aus Sicht des Bundesfinanz­ministeriums war die Durchsuchung deshalb eine Farce. Die Informationen, die die Staatsanwälte gesucht hätten, im Wesentlichen mögliche Schriftwechsel zwischen Ministerialbeamten und FIU, hätten sie auch einfach anfragen können, heißt es.

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Eine schriftliche oder mündliche Anfrage der Staatsanwaltschaft an das Finanzministerium hat es in der Tat nicht gegeben, lediglich das am Donnerstag ebenfalls durchsuchte Bundesjustiz­ministerium war zuvor telefonisch um Auskunft gebeten worden.

Viel Ärger wegen einer Pressemitteilung

Außerdem ist man im Finanzministerium empört über eine Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft. Darin heißt es, die Durchsuchung solle klären, „ob und gegebenenfalls inwieweit die Leitung sowie Verantwortliche der Ministerien sowie vorgesetzte Dienststellen in Entscheidungen der FIU eingebunden waren“. Das sei von dem Durchsuchungs­beschluss des Amtsgerichts Osnabrück nicht gedeckt, lautet die Kritik.

Als CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet das Thema am Sonntagabend beim TV-Triell zur Sprache brachte und Scholz für Unregelmäßigkeiten in Mithaftung nahm, platze dessen langjährigem Wegbegleiter und Vertrauten, Finanzstaatssekretär Wolfgang Schmidt (SPD), der Kragen.

„Und noch ein paar Fakten, lieber @ArminLaschet“, schrieb er beim Kurznachrichtendienst Twitter. „Die Staatsanwaltschaft in Osnabrück hat eine Pressemitteilung herausgegeben, die mit dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Osnabrück eher wenig zu tun hat.“ Und dann veröffentlichte er Aufnahmen – sowohl der Pressemitteilung als auch des Durchsuchungsbeschlusses.

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Die Antwort der Staatsanwälte folgte in Form eines weiteren Ermittlungsverfahrens – dieses Mal gegen Schmidt, wegen des Verdachts der „verbotenen Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen“ nach Paragraf 353d des Strafgesetzbuchs.

Aus Sicht der SPD ist das Maß damit voll. Die Sozialdemokraten wittern eine Verschwörung und verweisen darauf, dass sowohl der Chef der Osnabrücker Staatsanwaltschaft, Bernard Südbeck, als auch die niedersächsische Justizministerin, Barbara Havliza, CDU-Mitglieder sind. Das Justizministerium in Hannover weist jegliche Einflussname auf das Verfahren entschieden zurück. Auch die Staatsanwaltschaft Osnabrück verbittet sich den Vorwurf politischen Handelns.

Man habe eine Medienanfrage zu dem Tweet des Staatssekretärs bekommen und gar nicht anders handeln können, als ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, da ein begründeter Anfangsverdacht bestanden habe, sagte ein Sprecher dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Berlin das Verfahren gegen Schmidt übernommen.

Auch sind die Staatsanwälte der Meinung, dass ihre Pressemitteilung keineswegs so sehr von dem Gerichtsbeschluss abweiche, wie das Finanzministerium behauptet. „Die Diskrepanz ist nur auf den ersten Blick vorhanden“, sagte der Sprecher dem RND.

Was in dem Beschluss steht

Der von Staatssekretär und Scholz-Intimus Schmidt in Auszügen getwitterte Durchsuchungs­beschluss liegt dem RND in Gänze vor. Auf Seite vier findet sich eine Passage, die durchaus auch eine Untersuchung der Verantwortlichkeiten jenseits der FIU beinhalten könnte. Explizit ist die Rede davon, dass die Durchsuchung der Feststellung dienen solle, „inwieweit die Einführung des risikobasierten Ansatzes rechtlich erörtert und abgesichert“ wurde.

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Die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft legt nahe, dass die Strafverfolger der Arbeitshypothese folgen, wonach diese rechtliche Erörterung und Absicherung mit dem Bundesfinanz­ministerium stattgefunden haben könnte. Beweise dafür gibt es bislang nicht.

Haben die Staatsanwälte diese bei ihrer Durchsuchung des Ministeriums gesucht? Dieses Vorgehen wäre juristisch heikel, weil sie dann eine „Durchsuchung bei Beschuldigten“ und nicht wie geschehen eine „Durchsuchung bei anderen Personen“ beantragen hätten müssen.

Ganz grundsätzlich bestehen auch Zweifel daran, ob das Strafrecht überhaupt das geeignete Mittel ist, um gegen überforderte Behörden vorzugehen.

Es ist ein Streit um juristische Finessen, die allerdings im aktuellen Wahlkampfgetöse ungehört verhallen. Die Union wittert ihre Chance, Scholz beim Wahlvolk madig zu machen, und verbreitet genüsslich eine Kombination der Begriffe „Geldwäsche“, „Razzia“ und „Finanzministerium“.

Die SPD keilt zurück. „In ihrer panischen Angst vor dem Machtverlust macht die Union mangels Inhalten den unanständigsten Wahlkampf seit Jahrzehnten: Um Olaf Scholz persönlich zu schaden, verdrehen Laschet und seine Leute bewusst die Tatsachen, verbiegen die Wahrheit und verbreiten gezielt Lügen“, sagte Generalsekretär Lars Klingbeil dem RND. „Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass CDU und CSU so stil- und würdelos Wahlkampf machen. Sie sollten sich schämen.“

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