Paukenschlag in der Impfkampagne: Impfstopp für Astrazeneca
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Fläschchen mit dem Impfstoff Astrazeneca.
© Quelle: imago images/Joerg Boethling
Berlin. Paukenschlag in der Impfkampagne: Die Bundesregierung hat am Montagnachmittag die Impfungen gegen das Coronavirus mit dem Mittel des schwedisch-britischen Herstellers Astrazeneca ausgesetzt. Hintergrund seien Thrombosefälle, erläuterte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in einer eilig einberufenen Pressekonferenz in seinem Ministerium in Berlin. „Das ist eine fachliche Entscheidung, keine politische“, sagte Spahn und verwies auch darauf, dass es sich um eine „reine Vorsichtsmaßnahme“ handele.
Der Impfstoff steht im Verdacht, Hirnvenenthrombosen auslösen zu können. Von 1,6 Millionen bereits in Deutschland erfolgten Impfungen zählten die Behörden nach Angaben von Spahn sieben solcher Fälle. „Es geht um ein geringes, aber um ein überdurchschnittliches Risiko“, sagte Spahn.
Am Montag mussten in den Impfzentren einbestellte Senioren wieder weggeschickt werden. Überall werden nun Termine abgesagt. Offen ist, wie lange die Prüfung dauern wird. Ebenso blieb am Montagnachmittag unklar, worauf sich Menschen einstellen müssen, die zwar die erste Impfung mit Astrazeneca erhalten haben, nun aber nicht ein zweites Mal geimpft werden können.
Der Bundesgesundheitsminister hatte auch noch keine Antwort auf die Frage, welche Verzögerung die Aussetzung der Impfung mit Astrazeneca insgesamt für die Kampagne bringen werde.
Astrazeneca-Impfungen ausgesetzt: Kritik von Lauterbach
Deutschland ist eines von vielen Ländern, die nun erst einmal einen Stopp für den Einsatz von Astrazeneca verhängen. Auch Dänemark, Norwegen, Island, Bulgarien und baltische Staaten zweifeln an der Sicherheit des Vakzins. Bislang hatte das für Impfstoffe zuständige Paul-Ehrlich-Institut trotz der internationalen Vorsichtsmaßnahmen an dem schwedisch-britischen Impfstoff festgehalten.
Kritik an der Maßnahme kam von SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. „Auf der Grundlage der vorliegenden Daten halte ich das für einen Fehler“, schrieb der Epidemiologe beim Kurznachrichtendienst Twitter. Die Prüfung ohne Aussetzung der Impfung wäre wegen der Seltenheit der Komplikation besser gewesen, erklärte Lauterbach weiter. „In der jetzt Fahrt aufnehmenden dritten Welle wären die Erstimpfungen mit dem AstraZeneca Impfstoff Lebensretter.“
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Deutsche Krankenhausgesellschaft fordert europäische Taskforce
Angesichts der wachsenden Zahl an europäischen Ländern, die nun das Impfen mit Astrazeneca aussetzen, fordert die Deutsche Krankenhausgesellschaft ein gemeinsames europäisches Vorgehen und die Gründung einer Taskforce. „Es kann nicht sein, dass jedes europäische Land bei der Entscheidung über den Impfstoff Astrazeneca seinen eigenen Weg geht“, sagte der designierte DKG-Hauptgeschäftsführer Gerald Gaß dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
„In einer solchen Situation erwarte ich, dass die Europäische Arzneimittelbehörde eine Sondersitzung einberuft und gemeinsam mit den nationalen Behörden eine gemeinsame Entscheidung trifft“, forderte Gaß. Es müsse auf europäischer Ebene eine Taskforce geben. Gaß argumentierte: „Es kommen täglich Berichte über Nebenwirkungen. Für den Umgang damit muss es eine Struktur geben.“
Zugleich verwies Gaß auf die Nachteile für die Kliniken durch den vorläufigen Stopp für Astrazeneca. „Für die Kliniken ist die Lage jetzt schwierig. Wir haben es geschafft, dass 70 bis 80 Prozent der Mitarbeiter impfbereit sind. Eine solche Entscheidung zu Astrazeneca kann das zunichtemachen.“
In Großbritannien weiter verimpft
Der Impfstoff Astrazeneca ist in Großbritannien der Schlüssel zum Erfolg für die heute schon hohe Durchimpfungsrate der Bevölkerung. Anders als mehrere andere europäische Länder nutzt Großbritannien den Impfstoff weiter.
„Wir prüfen die Berichte genau, aber angesichts der großen Anzahl verabreichter Dosen und der Häufigkeit, mit der Blutgerinnsel auf natürliche Weise auftreten können, deuten die verfügbaren Beweise nicht darauf hin, dass der Impfstoff die Ursache ist“, erklärte Phil Bryan von der britischen Aufsichtsbehörde für Arzneimittel.
Zuletzt hatte die irische Impfkommission sich für einen vorübergehenden Stopp der Impfungen mit dem Präparat ausgesprochen, das der britisch-schwedische Konzern Astrazeneca gemeinsam mit der Universität Oxford entwickelt hat. Auch die Iren betonten, dass es sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme handele.
Auch ohne die Aussetzung der Astrazeneca-Impfungen war der Einsatz des Mittels in Deutschland schon Ende vergangener Woche ins Stocken geraten. Am Freitag hatte das Unternehmen mitgeteilt, statt 220 Millionen nur 100 Millionen Dosen bis zur Jahresmitte an die EU-Staaten liefern zu können. Der Konzern begründete dies unter anderem mit Exportbeschränkungen.