Portugal vor Neuwahlen: aus dem Tritt

Der portugiesische Regierungschef António Costa spricht bei einer Debatte im Parlament in Lissabon.

Der portugiesische Regierungschef António Costa spricht bei einer Debatte im Parlament in Lissabon.

Lissabon. „Sie wollen einen Zaubertrick von uns“, sagte Portugals sozialistischer Minister­präsident António Costa an die Linksparteien gewandt. „Aber es gibt keinen Zaubertrick, mit dem wir über das Verantwortungs­bewusstsein, das Gleichgewicht und die Verteidigung des nationalen Interesses hinausgehen könnten.“ So spricht ein Staatsmann, aber auch ein gewiefter Parteipolitiker, der es geschafft hat, vor sechs Jahren wider Erwarten an die Regierung zu kommen und dort seitdem auch – bis zum Mittwoch unangefochten – zu bleiben.

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Doch nun ist er aus dem Tritt gekommen. Die Kommunisten und der Linksblock, die ihn lange unterstützten, wollen nicht mehr. An diesem Mittwoch ließen sie Costas Haushaltsentwurf für das kommende Jahr im Parlament scheitern. Es wird vorgezogene Parlaments­wahlen geben, gut zwei Jahre nach den bisher letzten.

Wenn politische Parteien sich streiten, mag es dafür sowohl grundsätzliche als auch taktische Gründe geben. In der Haushaltsdebatte am Dienstag und Mittwoch kamen all die Streitpunkte zwischen Sozialisten und den kleineren Linksparteien zur Sprache: die Höhe des Mindestlohns und der Pensionen, die Ausgaben für das Gesundheits­system, die Wohnungspolitik.

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Weil die Regierung wusste, was auf dem Spiel steht, kam das Kabinett am vergangenen Donnerstag zu einer Sitzung zusammen, die schließlich zehn Stunden dauern sollte, um der linken Opposition mit der einen oder anderen Entscheidung entgegen­zukommen, und am Montagabend überraschend noch einmal. Aber den Kommunisten und dem Linksblock war kein Entgegen­kommen genug. Die Rolle der Mehrheits­beschaffer für Costa behagt ihnen nicht mehr. Ihre Stimmen gegen das Haushaltsgesetz waren – mindestens auch – eine Machtprobe.

Das Zerwürfnis auf der Linken könnte den Rechten dienen, wenn die nicht ihre eigenen Probleme hätten. In der bürgerlichen PSD macht gerade der Europa­abgeordnete Paulo Rangel dem derzeitigen Vorsitzenden Rui Rio seinen Posten streitig; ein Parteitag Anfang Dezember soll den Machtkampf entscheiden. Rio ärgerte sich am Mittwoch wortreich über einen Empfang seines innerparteilichen Konkurrenten durch den Republik­präsidenten Marcelo Rebelo de Sousa, von dem er erst durch Journalisten erfahren hatte. Nicht nur für die Sozialisten, auch für die Bürgerlichen war dieser Mittwoch kein schöner Tag.

Regieren ohne aktuellen Haushalt ist in Portugal nicht einfach

In den Händen des Republik­präsidenten liegt die Entscheidung über die vorzeitige Auflösung des Parlaments, die er beschließen kann, aber nicht muss. Er will aber. Anders als im Nachbarland Spanien ist das Regieren ohne aktuellen Haushalt in Portugal nicht einfach. Es gilt eine kuriose Zwölftelregel: Monat für Monat darf nicht mehr als ein Zwölftel des im Vorjahr tatsächlich verbrauchten Staatsgeldes ausgegeben werden. Solche Abstotterei will Rebelo de Sousa dem Land ersparen.

Bevor sich der PSD-Chef Rui Rio am Mittwoch über seinen Gegenspieler Rangel hermachte, hatte er am Dienstag noch Zeit gehabt, den sozialistischen Minister­präsidenten Costa anzugreifen: Der habe mit seinen bisherigen sechs Haushalts­gesetzen dafür gesorgt, dass Portugal zu Europas Schlusslichtern gehöre. Wahr ist, dass das Zehn-Millionen-Einwohner-Land ganz im Westen Europas keinen rechten Anschluss an den Rest des Kontinents findet. Unwahr ist, dass daran die jetzige Regierung schuld wäre.

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Als brauchbarer, wenn auch etwas grober Indikator für den relativen Wohlstand der Länder Europas kann das von Eurostat ermittelte kaufkraftgewichtete Pro-Kopf-Einkommen dienen. Da erreichte in Portugal im vergangenen Jahr nur 77 Prozent des EU-Schnitts, womit das Land ganz knapp vor Polen und Ungarn, aber schon recht deutlich hinter Estland, Litauen, Slowenien und der Tschechischen Republik liegt.

Nach dem Absturz 2011 von zuvor 83 auf 78 Prozent des EU-Durchschnitts hat sich das Land noch nicht wieder auf (relatives) Vorkrisenniveau berappelt, wobei die gerade regierenden Parteifarben in den letzten zehn Jahren keinen Unterschied gemacht haben. Es gibt viel zu tun für die kommende Regierung.

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