Prozess-Auftakt gegen „Cumhuriyet“-Journalisten
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/VQ4J7WZVOP6RQUQIDWJOX3QI6Q.jpg)
Ein Plakat mit den Gesichtern der inhaftierten „Cumhuriyet“-Mitarbeiter.
© Quelle: dpa
Istanbul. Der Vorwurf der türkischen Staatsanwaltschaft wiegt schwer: 17 Mitarbeiter der regierungskritischen türkischen Zeitung „Cumhuriyet“ sollen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, die linksextremen DHKP-C und die Gülen-Bewegung unterstützt haben. Die Führung um Präsident Erdogan macht die Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch vom 15. Juli 2016 verantwortlich. Als Terror-Unterstützer und Putschisten stehen die Journalisten ab Montag in Istanbul vor Gericht.
Zwölf „Cumhuriyet“-Mitarbeiter befinden sich in Untersuchungshaft. Angeklagt werden elf der Inhaftierten sowie fünf weitere Mitarbeiter von „Cumhuriyet“ und der ehemalige Chefredakteur der Zeitung, Can Dündar. Dündar lebt im Exil in Deutschland. Vor Gericht sollen sich unter anderem der derzeitige Chefredakteur Murat Sabuncu, „Cumhuriyet“-Herausgeber Akin Atalay und der bekannte Investigativjournalist Ahmet Sik verantworten. Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen drohen den Angeklagten bis zu 43 Jahre Haft.
Mehrere Organisationen wiesen die Terrorvorwürfe als „politisch motiviert“ zurück und kündigten an, den Prozess zu beobachten. Vertreter der Gruppen wollten vor Prozessbeginn am Montag an einer Demonstration vor dem Gericht teilnehmen.
Reporter ohne Grenzen, die Europäische Journalistenvereinigung, Pen International, das International Press Institute und das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit kritisierten, in keinem Land der Welt seien mehr Journalisten hinter Gittern als in der Türkei. Nach Angaben der Europäischen Journalistenvereinigung sind dort inzwischen mehr als 150 Journalisten inhaftiert. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt die Türkei auf Platz 155 von 180.
In der Anklageschrift wird Dündar unter anderem beschuldigt, die Blattlinie geändert zu haben. Die Zeitung habe unter seiner Führung die „Terrororganisationen“ PKK, die Gülen-Bewegung und die DHKP-C verteidigt, heißt es. Als Indizien werden unter anderem Artikel angeführt. Etwa ein Bericht aus dem Jahr 2015, in dem die „Cumhuriyet“ geheime Informationen veröffentlichte, die Waffenlieferungen der Regierung an Rebellen in Syrien belegen sollen.
Dafür wurden Dündar und der Hauptstadtbüroleiter Erdem Gül in einem anderen Verfahren schon zu mehrjährigen Haftstrafen wegen Geheimnisverrats verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Auch Twitter-Nachrichten der Journalisten werden in der Anklage aufgeführt. Im Fall des Investigativ-Journalisten Sik etwa mehrere, die den Konflikt zwischen der Regierung in Ankara und der PKK im Südosten des Landes thematisieren.
Von RND/dpa