„Absichtliche Provokation“?

Von scharfer Zurückweisung bis Beistandsversicherung: die Reaktionen auf die mutmaßlichen Raketentreffer in Polen

Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Sein Ministerium wies die Medienberichte von einem russichen Raketentreffer auf polnischem Boden scharf zurück.

Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Sein Ministerium wies die Medienberichte von einem russichen Raketentreffer auf polnischem Boden scharf zurück.

Washington. Am Dienstagabend kam es in einem polnischen Dorf nahe der ukrainischen Grenze zu einer oder mehreren Explosionen bei denen zwei Menschen getötet wurden. Lokale Medien berichteten schnell von Einschlägen mutmaßlich russischer Raketen. Polen berief den nationalen Sicherheitsrat ein und gab im Anschluss auf einer Pressekonferenz bekannt, Teile der Streitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen. Zudem prüfe die Regierung die Inanspruchnahme von Artikel 4 des Nato-Vertrags, nach dem die Mitglieder des Verteidigungsbündnisses zu sofortiger Beratung zusammenkommen müssen, weil sich ein Mitglied bedroht sieht.

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Während westliche Verbündete Polen schnell die Unterstützung versicherten und gleichzeitig zur Besonnenheit aufforderten (bis alle Fakten auf dem Tisch lägen), verkündete das russische Verteidigungsministerium auf Twitter: „Polnische Massenmedien und Beamte begehen über den angeblichen Einschlag ‚russischer‘ Raketen in Przewodów eine absichtliche Provokation, um die Situation zu eskalieren.“ Es seien keine Ziele im ukrainisch-polnischen Grenzgebiet beschossen worden. Zwar bestätigte das polnische Außenministerium am späten Abend, die eingeschlagene Rakete sei in Russland hergestellt worden – tatsächlich verwenden aber sowohl die Ukraine als auch Russland Raketen aus russischer Herstellung.

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Russland hatte am Dienstag mit über 90 Raketen und Marschflugkörpern das Energiesystem der Ukraine angegriffen und schwere Schäden verursacht. Es war ukrainischen Militärangaben zufolge der bislang massivste Angriff auf die Infrastruktur seit Kriegsbeginn vor gut acht Monaten.

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Scharfer Ton auch aus der Ukraine

Wolodymyr Selenskyj tweetete am Abend sowohl auf ukrainisch als auch auf polnisch. Der ukrainische Präsident bezeichnete das Geschehen als „Angriff auf die kollektive Sicherheit der Euro-Atlantischen Region“ und „Eskalation“. Der Terror der russischen Armee müsse gestoppt werden.

Außenminister Kuleba reagierte direkt auf die russischen Zurückweisungen und bezeichnete sie als „Verschwörungstheorie“. „Niemand sollte auf russische Propaganda hereinfallen“, so Kuleba, „diese Lehre sollte man nach dem Abschuss von #MH17 lange gezogen haben“.

Auch das estnische Außenministerium nannte die Nachrichten aus Polen „äußerst besorgniserregend“. Der Baltenstaat würde sich eng mit Polen und anderen Verbündeten beraten, hieß es weiter. Ähnlich wie die USA betonte auch das estnische Außenministerium. „Estland ist bereit, jeden Zentimeter des Nato-Territoriums zu verteidigen. Wir sind voll solidarisch mit unserem engen Verbündeten Polen.“

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Nato mahnt zu Besonnenheit

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg tweetete am Dienstagabend sein Beileid für die getöteten Polen. Und erklärte: „Die Nato behält die Situation im Blick und die Allierten sind im engen Austausch. Wichtig, dass alle Fakten geklärt sind“. Zuvor hatte ein Nato-Beamter inoffiziell gegenüber dem RND erklärt, die Nato gehe davon aus, dass es sich um russische Raketen gehandelt habe, „die einfach zu weit geflogen sind“. Die Nato wolle eine Eskalation vermeiden, würde die russische Militärführung aber auf geeigneten Kanälen mit dem Ernst der Lage vertraut machen.

Zurückhaltend gab sich auch der Europäische Auswärtige Dienst, gewissermaßen das Außenministerium der EU. Man wolle den Vorfall am Abend nicht kommentieren, EU-Chefdiplomat Josep Borrell sei aber in Kontakt mit den zuständigen Stellen, um nähere Informationen zu bekommen.

Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission, erklärte via Twitter, sie sei alarmiert von den Berichten aus Polen. Sie sprach den Opfern ihr Beileid aus und versicherte Polen und der Ukraine ihre Unterstützung und Solidarität.

„Jeden Zoll des Nato-Territoriums schützen“

Die Berichte seien dem US-Verteidigungsministerium bekannt, sagte Pentagon-Sprecher und Brigadegeneral der Luftwaffe, Patrick Ryder, in Washington D.C. bereits kurz nach Bekanntwerden der Explosionen. Zum jetzigen Zeitpunkt habe das Ministerium aber keine Informationen, die diese Berichte bestätigen könnten. „Wenn wir ein Update zur Verfügung stellen können, werden wir dies tun“, sagte der Sprecher weiter.

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Ryder machte deutlich, dass er nicht spekulieren wolle, wenn es um die Sicherheitsverpflichtungen der Nato-Mitglieder gehe, „aber wir haben unmissverständlich klar gemacht, dass wir jeden Zoll des Nato-Territoriums schützen werden“.

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Auch die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der Vereinigten Staaten, Adrienne Watson, teilte auf Twitter mit, dass aktuell noch keine Berichte oder Einzelheiten bestätigt werden könnten. Die USA würden mit der polnischen Regierung zusammenarbeiten, um weitere Informationen zu sammeln.

Reaktionen aus der deutschen Politik

Außenministerin Annalena Baerbock schrieb bei Twitter, ihre Gedanken seien beim deutschen Nachbarn und Verbündeten Polen: „Wir beobachten die Situation genau und stehen mit unseren polnischen Freunden und Nato-Verbündeten in Kontakt.“

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09.11.2022, Ukraine, Isjum: Die Schäden eines zerstörtes Krankenhauses. Foto: Deml Ondøej/CTK/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Zu Besuch in der Nordukraine: überall nur verbrannte Erde

Bewohnerinnen und Bewohnern des zerstörten Dorfs Nowoseliwka im Norden der Ukraine droht ohne Strom und Heizung der Kältetod. Der schleppende Wiederaufbau in der Nordukraine zeigt, was Menschen in der befreiten Region um Cherson blühen könnte.

Bereits vor der russischen Stellungnahme schrieb FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf Twitter: „Nicht nur haben russische Raketen offenbar Polen und damit Nato-Gebiet getroffen, sondern auch zu Toten geführt. Das ist das Russland, mit dem hier einige offenkundig und absurderweise immer noch ‚verhandeln‘ wollen. Der Kreml und seine Insassen müssen sich umgehend erklären.“

CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter betitelte die Meldungen über den möglichen Raketenangriff als „alarmierend“. Er warnte jedoch vor vorschnellen Schlüssen, es brauche zuerst eine vollständige Untersuchung, ob es sich um russische oder ukrainische Raketen gehandelt habe. Er betonte dennoch: „Jetzt gilt erstmal sehr klar, Polen solidarisch und mitfühlend zur Seite zu stehen.“

RND/dpa/jst/seb/pb

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