Reform im Eiltempo
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Emmanuel Macron packt in diesen Tagen sein erstens großes Wahlkampf-Versprechen an: die Reform des Arbeitsrechtes.
© Quelle: Reuters Pool/AP
Paris. Emmanuel Macron verliert keine Zeit. Anders als sein Vorgänger François Hollande lässt er nicht seinen ersten Regierungssommer verstreichen, um umstrittene Großbaustellen vorzubereiten, sondern eröffnet diese so rasch wie möglich: Am Mittwoch stellte die zuständige Ministerin Muriel Pénicaud die Züge der neuen Arbeitsmarktreform im Ministerrat vor, die den Unternehmen mehr Handlungsspielraum und Flexibilität geben soll.
Firmen beklagen das Arbeitsrecht in Frankreich als zu starr, oft ist sogar die Rede von einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“: Während die einen über einen begehrten unbefristeten Vertrag mit umfangreichem Schutz verfügen, hangeln sich andere von einer befristeten Anstellung zur nächsten – eben weil sich Firmen gerade in unsicheren Zeiten nicht festlegen, sondern kurzfristiger planen wollen. Es gehe darum, „neue Antworten auf neue Fragen, die sich stellen“ zu finden, sagte Pénicaud gestern.
Im Kern ist vorgesehen, dass Vereinbarungen auf Betriebsebene bei vielen wichtigen Fragen von der Arbeitszeit bis zu Regeln des Kündigungsschutzes Priorität gegenüber Branchenvereinbarungen bekommen. Außerdem soll durch die Deckelung von Entschädigungen nach einer ungerechtfertigten Entlassung die Macht der Arbeitsrichter eingeschränkt werden. Die Frist, nach einer Kündigung Einspruch einzulegen, die bislang bei zwei Jahren liegt, will Arbeitsministerin Pénicaud verkürzen. Darüber hinaus möchte sie die unterschiedlichen gewerkschaftlichen Instanzen, die es bislang innerhalb eines Unternehmens gibt, zu einer zusammenfassen, den Arbeitnehmervertretern aber zugleich mehr Möglichkeiten zur Weiterbildung geben.
Das Parlament, in dem Macrons Partei „La République en marche“ gemeinsam mit dem Bündnispartner von der zentristischen Partei MoDem über eine komfortable Mehrheit verfügt, soll Ende Juli über die Reform debattieren – aber nicht über die Details der neuen Regelungen, sondern lediglich über das Prinzip, dass die Regierung diese per Verordnungen durchsetzen darf. Es wird lediglich zum Schluss nochmals über das Gesetz als Ganzes abstimmen. Nach der vorgesehenen Planung soll es der Ministerrat bis spätestens 20. September angenommen haben.
Gewerkschaften kündigen Widerstand an
Um mit den Gewerkschaften in möglichst vielen Punkten Einigungen zu erzielen, wurde bereits eine mehrmonatige Verhandlungsphase eingeleitet. Diese haben bis jetzt unterschiedliche Signale ausgesendet. Während der Chef der Gewerkschaft „Force Ouvrière“, Jean-Claude Mailly, erklärte, die Gespräche gingen „in die richtige Richtung“, kündigte die kommunistisch geprägte Gewerkschaft CGT an, am 12. September einen Protesttag zu organisieren – also nur wenige Tage vor der definitiven Absegnung der Reform. Auch Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon, der bei den Parlamentswahlen in die Nationalversammlung gewählt wurde und dort Chef einer eigenen Fraktion ist, hat schon angekündigt, auf die Straße gehen zu wollen.
Doch die Regierung hat das Timing geschickt gewählt, um Proteste möglichst im Zaum zu halten; das ist vielleicht mit ein Grund dafür, dass der Präsident so aufs Tempo drückt. Denn während der langen Sommerpause wird es den Gegnern schwer fallen, den Widerstand zu organisieren – dann nämlich reisen die Franzosen wochenlang ans Meer oder aufs Land. Vor einem Jahr prägte die Protestbewegung gegen die Arbeitsmarktreform, die als Vorläuferin der jetzt geplanten Maßnahmen gesehen werden kann, den Frühling und Frühsommer. Die Ferienzeit aber überlebte sie nicht.
Von Birgit Holzer/RND