Kretschmer zur Gaskrise: Energiesparen allein wird nicht reichen
/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/GIPXUSWKOL3YJNDRLEHQ2TDG64.jpg)
„Wollen wir ein Problem systematisch klären – oder lassen wir zu, das eine Alibipolitik betrieben wird?“: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sorgt sich um die Energieversorgung. Er glaubt nicht, dass Energiesparen die alleinige Lösung sein kann.
© Quelle: Jan Woitas/dpa
Dresden. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) glaubt nicht, dass die Energiekrise allein durch Energiesparen gelöst werden kann. "Was wir an Einsparungen erbringen können, wird das Problem nicht klären können", sagte er im LVZ-Interview. "Fakt ist: Durch den Wegfall von Gasmengen aus Russland müssen wir darüber sprechen, wie es mit der Atomkraft und wie es überhaupt mit der Energiewende weitergehen soll."
Andere Bundesländer haben bereits Sparpläne aufgelegt
Bundesländer wie Niedersachsen und Baden-Württemberg haben zuletzt Pläne vorgelegt, wie sie den Energieverbrauch senken wollen. Der Freistaat Sachsen hat sich bisher nicht so eindeutig positioniert. Zwar haben Energieminister Wolfram Günther (Grüne) und Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) unter anderem die Unternehmen aufgerufen, ihren Gasverbrauch zu senken. Einen gemeinsamen Appell der gesamten Landesregierung hat es bislang aber nicht gegeben.
Kommentar: Sachsens Regierung hat keine Linie
Einzelne Städte haben dennoch bereits Maßnahmen angekündigt. Zwickau will beispielsweise die Warmwasserversorgung in den eigenen Einrichtungen abstellen. Darunter fallen auch Kitas und Schulen. Leipzig wird unter anderem die Raumtemperatur in allen Verwaltungsgebäuden auf 19 Grad senken.
Sachsens Ministerpräsident kritisiert „Alibipolitik“
Kretschmer hält Energiesparen zwar grundsätzlich für richtig: „Den Städten und Kommunen haben wir angeboten, dass wir gemeinsam über unangenehme Dinge sprechen und entscheiden können. Das betrifft Wassertemperaturen in Schwimmbädern oder Warmwasser in Turnhallen.“ Die Frage sei aber: „Wollen wir ein Problem systematisch klären – oder lassen wir zu, das eine Alibipolitik betrieben wird? In den vergangenen Jahren hat der Freistaat beispielsweise massiv in energiesparende Beleuchtung investiert, die wirklich nur ein Minimum verbraucht.“
Regierungschef hält es für „zynisch“, Bürgern Spartipps zu geben
Der sächsische Regierungschef findet es "auch mehr als zynisch", den Bürgern jetzt Energiespartipps zu geben: "Die steigenden Kosten sind für viele Menschen bedrohlich. Diese Bürger sind sehr, sehr sparsam, weil sie sich diese Preise nicht leisten können."
Kretschmer erneuerte seine Kritik an der rot-grün-gelben Bundesregierung: "Spätestens seit Dezember 2021 hätte man anhand der explodierenden Gaspreise sehen können, wohin die Entwicklung geht. Von der Bundesregierung hören wir aber immer nur zwei Dinge. Erstens, dass wir sparen sollen. Und zweitens, dass alles teurer wird. Für die Lösung des Problems ist das aber kein Beitrag."
Kretschmer: Atomkraftwerke müssen am Netz bleiben
Der Ministerpräsident erneuerte seinen Appell, die deutschen Atomkraftwerke in Betrieb zu halten: "Es wäre irrwitzig, diese Reaktoren jetzt abzuschalten. Wenn es eine richtige Mangelsituation gibt, werden die Energiepreise noch höher steigen." Ab Oktober solle es zudem eine Energie-Umlage von mehreren hundert Euro je Haushalt geben. "Allein, dass wir diese Umlage zahlen müssen, ist doch der Beweis: Wir haben ein großes Problem."
Große Sorge in der sächsischen Wirtschaft
Auch in der sächsischen Wirtschaft sind die Befürchtungen vor weiterhin hohen Gaspreisen groß. „Die Sorge bei den Unternehmen vor fehlendem Gas, Strom und Öl ist enorm. Energie wird zunehmend unbezahlbar“, heißt es in einem Offenen Brief an die Bundes- und Landespolitik, den die Industrie- und Handelskammer Chemnitz sowie die Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft am Mittwoch veröffentlicht haben.
IHK-Präsident: Bisherige Programme greifen zu kurz
Beide Verbände fordern deswegen beispielsweise die „schnelle Bereitstellung“ von finanziellen Hilfen und Zuschüssen für Unternehmen, die von den Energiepreis-Steigerungen stark betroffen sind. „Die bisher eingeleiteten Programme zur Kostendämpfung greifen deutlich zu kurz und sind zu restriktiv im Zugang“, sagte IHK-Präsident Dieter Pfortner. „Wenn hier nicht schnell weitere Unterstützungsmaßnahmen ergriffen werden, sind die Folgen für die Wirtschaft kaum absehbar.“
Von Von Kai Kollenberg und Andreas Debski