Rettung der europäischen Wirtschaft vertagt: Deutschland will den Rettungsschirm, Italien die Eurobonds

Bundeskanzlerin Angela Merkel (oben links) und andere europäische Staats- und Regierungschefs, sowie Mitglieder des Europäischen Rates, sind während einer Videokonferenz im Elysee-Palast in Paris auf dem Bildschirm zu sehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (oben links) und andere europäische Staats- und Regierungschefs, sowie Mitglieder des Europäischen Rates, sind während einer Videokonferenz im Elysee-Palast in Paris auf dem Bildschirm zu sehen.

Brüssel. Die virtuelle Konferenz dauerte fast sechs Stunden. Am Ende wurden die Details, wie die Corona-Wirtschaftskrise in Europa bekämpft werden soll, vertagt. Erst in 14 Tagen sollen genaue Ideen vorliegen. Das ist das Ergebnis der Videoschalte der 27 EU-Staats- und Regierungschefs, die am Donnerstagabend erst nach 22 Uhr zu Ende ging.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte anschließend in einer telefonischen Pressekonferenz, aus deutscher Sicht sei der sogenannte Eurorettungsschirm das Mittel der Wahl. Corona-Bonds, also gemeinsame Anleihen der Euroländer, seien es hingegen nicht.

Italien würde bei den Eurobonds profitieren

Für die Corona-Bonds hatte sich unter anderem der italienische Regierungschef Giuseppe Conte ausgesprochen. Conte, dessen Land zu den am stärksten vom Coronavirus betroffenen EU-Mitgliedsstaaten gehört, lehnte deswegen auch die zuvor ausgehandelte Gipfelerklärung ab. Er forderte “wirklich innovative und angemessene Finanzinstrumente”, und das binnen zehn Tagen. Am Ende wurden daraus zwei Wochen, in denen die EU-Finanzminister Details ausarbeiten sollen.

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Der sogenannte Eurorettungsschirm wird in der Fachsprache Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) genannt. Er wurde 2012 in der Eurokrise gegründet und soll überschuldete Mitgliedstaaten der Eurozone durch Kredite und Bürgschaften unterstützen, um deren Zahlungsfähigkeit zu sichern. ESM-Direktor Klaus Regling hatte zuvor erklärt, der Stabilitätsmechanismus könne mehr als 400 Milliarden Euro mobilisieren.

Im Gegensatz dazu wären Eurobonds, die unter anderem von Italien, Spanien und Frankreich gefordert wurden, gemeinsame Anleihen der Eurozone. Hoch verschuldete Länder wie Italien würden an den Finanzmärkten von der Bonität Deutschlands profitieren, weil sie sich deutlich günstiger Geld leihen könnten als mit der Ausgabe eigener Staatsanleihen.

Die Bundesregierung sowie die Regierungen der Niederlande und Österreichs lehnen diese Bonds ab, weil sie fürchten, dass finanziell robustere Staaten für die Schulden ärmerer Eurozonenländer aufkommen müssten. In der Videodiskussion sagte Italiens Regierungschef dagegen, jedes Land bleibe weiterhin für seine Schulden verantwortlich. Die debattierten Vorschläge seien nicht innovativ genug.

Italien und Spanien sind in Europa am schlimmsten von der Coronavirus-Krise betroffen. Trotz schärfster Ausgangssperren sterben täglich Hunderte von Menschen an der neuen Lungenkrankheit Covid-19. Die Wirtschaft steht praktisch still, vor allem in Italien, das auch vor der Krise kaum noch Wachstum und riesige Schuldenberge hatte.

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Conte stellte nach den Angaben aus Regierungskreisen bei der Gipfelschalte klar, dass er keine Vergemeinschaftung öffentlicher Schulden wolle. Jedes Land verantworte seine eigenen Schulden selbst und werde dies auch weiter tun. Doch müsse Europa gemeinsam handeln und eine starke Antwort auf die Krise finden. Sonst könne man das den Bürgern nicht erklären.

Nach den umstrittenen Alleingängen etlicher EU-Staaten am Anfang der Corona-Krise stimmten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre EU-Kollegen nun schon zum dritten Mal binnen drei Wochen in einem Videogipfel ab.

Zuvor hatte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen heftige Kritik an einseitigen Exportverboten, Grenzkontrollen und Störungen des Binnenmarkts in Europa geübt. “Als Europa wirklich füreinander da sein musste, haben zu viele zunächst nur an sich selbst gedacht”, sagte von der Leyen in einer Sondersitzung des Europaparlaments. “Und als Europa wirklich beweisen musste, dass wir keine ‘Schönwetterunion’ sind, weigerten sich zu viele zunächst, ihren Schirm zu teilen.” Inzwischen habe sich das verändert. “Europa ist wieder da”, sagte von der Leyen.

In der Erklärung zum Videogipfel versicherten die Staats- und Regierungschefs, die Probleme für den Warenverkehr an den teils geschlossenen Grenzen zu beheben. Gemeinsam soll die Beschaffung von Schutzausrüstung vorangetrieben und die Forschung an Impfstoffen gegen Covid-19 gefördert werden.

Merkel: “Ich muss die Menschen in Deutschland wirklich um Geduld bitten”

Hoffnungen vieler Menschen in Deutschland, die virusbedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens könnten innerhalb kurzer Zeit wieder aufgehoben wurden, wurden von der Bundeskanzlerin gedämpft. “Es ist im Augenblick nicht der Zeitpunkt, von einer Lockerung der Maßnahmen zu sprechen”, sagte Merkel. Diese seien erst vor wenigen Tagen getroffen worden. Angesichts einer Inkubationszeit des Virus von fünf bis 14 Tagen könne man heute noch nicht sagen, wie stark sich die Kontaktsperre auf die Zahl der Infizierungen auswirken werde.

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Das werde “uns allen sehr viel abverlangen”, sagte Merkel. “Ich muss die Menschen in Deutschland wirklich um Geduld bitten.”

Die Bundeskanzlerin ist derzeit selbst in Quarantäne. Zwei Corona-Tests verliefen negativ, doch die Kanzlerin arbeitet derzeit ausschließlich per Telefon und Videoschalten.


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