Rolls-Royce bringt kleine Reaktoren ins Rollen

Hier kommt das neue, kleine Atomkraftwerk: Per LKW will Rolls-Royce seine „Small Modular Reactors“ liefern.

Hier kommt das neue, kleine Atomkraftwerk: Per LKW will Rolls-Royce seine „Small Modular Reactors“ liefern.

Wenn der Durchschnittsdeutsche dies alles hört, denkt er an einen Aprilscherz und winkt ab.

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Atomkraftwerke, die auf einen Lastwagen passen? Die bei Bedarf geliefert und bei Nichtgefallen oder Funktionsstörungen auch wieder abgeholt werden? Die noch dazu eine „Walk-away-Sicherheit“ bieten sollen und angeblich nicht mal im Notfall irgendeine Betreuung durch Menschen brauchen – einfach weil sie so klein sind und schon prinzipiellen physikalischen Gründen nicht genug Hitze entwickeln können, um durchzubrennen wie Tschernobyl oder Fukushima?

Das, sagen die meisten spontan, kann doch alles gar nicht wahr sein.

Und wenn doch?

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Der Firmenname hat einen besonderen Klang

Rolls-Royce, der prominenteste Hightechkonzern Großbritanniens, hat sich vorgenommen, genau diese Vision Realität werden zu lassen.

Mit den teuren altmodischen Autos gleichen Namens hat Rolls-Royce schon seit Langem nichts mehr zu tun; die Markenrechte wurden an BMW verkauft.

Rolls-Royce macht seine globalen Geschäfte vor allem mit Flugzeugturbinen und Schiffsantrieben. Auch in diesem Sektor allerdings hat der Name der Firma einen besonderen Klang.

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„Rolls-Royce steht für Verlässlichkeit“, sagt Alastair Evans, der für Regierungsangelegenheiten zuständige Manager in der schnell wachsenden SMR-Abteilung des Konzerns. „Das werden wir uns natürlich auch beim Geschäft mit den kleinen Reaktoren zunutze machen.“

Der Umgang mit nuklearen Techniken ist für die Firma Alltag. Sie liefert seit Jahrzehnten die Minireaktoren, die in britischen Atom-U-Booten ihren Dienst tun.

 „Hey, wir arbeiten gerade an einer Stromversorgung ohne Kohlendioxidausstoß“: Rolls-Royce-Manager Alastair Evans.

 „Hey, wir arbeiten gerade an einer Stromversorgung ohne Kohlendioxidausstoß“: Rolls-Royce-Manager Alastair Evans.

Evans, 35, gelernter Jurist, erzählt im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland, er habe jetzt den bislang besten Job seines Lebens. Zuvor war er für Firmen tätig, die mit Öl und Gas zu tun hatten. „Jetzt kann ich meinen beiden kleinen Kindern ins Auge sehen und sagen: Hey, wir arbeiten gerade an einer Stromversorgung ohne Kohlendioxidausstoß.“

Macht ihm, wenn er schon den Blick auf künftige Generationen ins Spiel bringt, die Endlagerproblematik keine Sorge? Als bislang einziger europäischer Staat mit Atomkraftwerken hat bislang Finnland ein Antwort auf die Endlagerfrage gefunden: in Granit, auf einer entlegenen Insel.

Deutsche Fachleute winken ab

Dass genau hier der Nachteil der Atomkraft liege, sagt Evans, sei etwas, wozu man sich klar bekennen müsse, alles andere sei unredlich. Anders als andere SMR-Befürworter verweist Evans auch nicht auf die vagen Hoffnungen der Wissenschaft, durch eine sogenannte Transmutation irgendwann in der Zukunft die Strahlung des Mülls reduzieren zu können. Man müsse sich ehrlicherweise darauf einstellen, sagt Evans, für nukleare Endlager sorgen zu müssen. Dies sei aber gegenüber der heillosen Überhitzung der Erdatmosphäre „das weitaus geringere Übel“. Letztlich gehe es um politische Abwägungen.

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Deutsche Fachleute winken ab. In Berlin hat das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) bereits im Frühjahr dieses Jahres eine umfangreiche Übersicht über alle SMR-Projekte weltweit erstellt – und in einem Gutachten eine skeptische Bilanz gezogen. Allein die Vielzahl der Anlagen lässt die Deutschen schaudern: „Anstelle von heute circa 400 Reaktoren mit großer Leistung würde dies den Bau von vielen tausend bis zehntausend SMR-Anlagen bedeuten.“ Zwar könnten SMR gegenüber Atomkraftwerken mit großer Leistung potenziell sicherheitstechnische Vorteile erzielen, da sie ein beispielsweise geringeres radioaktives Inventar pro Reaktor aufweisen. Die hohe Anzahl an Reaktoren, die für die gleiche Produktionsmenge an elektrischer Leistung notwendig ist, erhöht jedoch das Risiko wieder. Zudem müsse – im Gegensatz zu den Herstellerangaben – „davon ausgegangen werden, dass die Möglichkeit von Kontaminationen besteht, die deutlich über das Anlagengelände hinausreichen“.

Dass die Deutschen auch mit Blick auf kleine Reaktoren bei ihrem Atomkraft-nein-danke-Kurs bleiben, überrascht bei Rolls-Royce niemanden. Mit britischer Höflichkeit betont Evans, jede Nation müsse ihren eigenen Weg finden. Bei vielen werde ein Umdenken erst dann einsetzen, wenn im Jahr 2031 die ersten 16 Rolls-Royce-SMR abgeladen werden und funktionieren: „Manche werden es erst glauben, wenn sie es sehen.“ Ein Kraftwerk, das ganz ohne Treibhausgase eine ganze Stadt versorgen kann, jahrzehntelang, und dies auch noch zu günstigen Preisen, werde seinen ganz eigenen Charme entfalten.

Große Fabrik plus kleines Kernkraftwerk: So stellt sich der estnische Stromversorger Fermi Energia die Integration von SMR in den Alltag vor.

Große Fabrik plus kleines Kernkraftwerk: So stellt sich der estnische Stromversorger Fermi Energia die Integration von SMR in den Alltag vor.

Rolls-Royce sieht in der EU enorme Marktpotenziale für SMR. Estland hat bereits den Finger gehoben, ein „Memorandum of Understanding“ zwischen Rolls-Royce und der estnischen Stromlieferanten Fermi Energia wurde bereits im März dieses Jahres unterzeichnet. Spannend sei nicht zuletzt, wie sich bislang schwankende Staaten wie die Niederlande entscheiden: Hier spürt Evans so etwas wie „ein neues Nachdenken übers Nukleare“.

Außerhalb Europas gehören unter anderem die Philippinen mit ihrer zerklüfteten Inselstruktur zu den Interessenten. SMR-Lösungen könnten den Energieversorgern dort das aufwändige Verlegen von Kabeln ersparen.

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„Wir müssen uns beeilen, sonst machen das andere“

Entscheidend sei, glaubt der Brite, dass die Sache nicht allzu viel koste und möglichst entdramatisiert wird. Eine Kommune oder auch eine Stahlfabrik, die ein kleines Atomkraftwerk bestelle, sei nicht daran interessiert, künftig als Betreiber eines Reaktors in Erscheinung zu treten. „Die Kunden wollen eigentlich nur den Strom“, sagt Evans. „Deshalb arbeiten wir an Konzepten dafür, die SMR schlüsselfertig hinzustellen, alles genormt, alles aus bewährter Serienproduktion.“

Eine hohe Stückzahl, das haben intern schon die Betriebswirte von Rolls-Royce vorgerechnet, sei der Schlüssel zum ökonomischen Erfolg des gesamten Projekts. Geplant ist eine große SMR-Fabrik, die idealerweise in hochautomatisierten Prozessen in engem Takt immer neue SMR hervorbringt, wie beim Brezelbacken.

Auch in den USA wird an Minireaktoren gearbeitet. Ebenso wie Rolls-Royce plant die Firma Nuscale aus dem Bundesstaat Oregon SMR, die auf Lastwagen geladen werden können.

Auch in den USA wird an Minireaktoren gearbeitet. Ebenso wie Rolls-Royce plant die Firma Nuscale aus dem Bundesstaat Oregon SMR, die auf Lastwagen geladen werden können.

„Wir müssen uns beeilen, sonst machen das andere“, sagt Evans. In den USA, in Russland, in China und auch in Japan ruderten viele in genau die gleiche Richtung. Frankreich, das jahrelang auf weniger Atomstrom zusteuerte, will neuerdings die SMR-Entwicklung durch staatliche Programme im Rahmen des Projekts „France 2030″ fördern.

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Die Technologie, um die es geht, sei als solche eigentlich kein Geheimnis, sagt Evans. Wer jetzt aber nur den einen oder anderen SMR als experimentellen Prototyp hervorbringe, zahle als Unternehmen unter Umständen drauf.

Gewinnen werde den Wettbewerb, wer in die Serienproduktion gehen kann, weil er als erster eine rundum kundenfreundliche Lösung bietet. In Gesprächen mit den Kollegen aus der eigenen Flugzeugturbinensparte kläre Rolls-Royce gerade, wie eine parallele Struktur für Minireaktoren entworfen werden könnte, von den Lieferketten über die Montage bis zum Kundendienst. „Wenn wir alles so ähnlich hinkriegen wie bei den Flugzeugturbinen“, sagt Evans, „sind wir weltweit vorn.“

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