Russland: Internationaler Gerichtshof soll sich raushalten
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Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag (Archivbild).
© Quelle: Peter Dejong/dpa
Den Haag. Russland hält den Internationalen Gerichtshof (IGH) für unzuständig, über die russische „Militäroperation“ in der Ukraine zu urteilen. Das machte der russische Vertreter Gennadi Kusmin an diesem Montag vor dem IGH in Den Haag deutlich. Die Ukraine hatte den Gerichtshof angerufen. Der IGH ist das Gericht der Vereinten Nationen (UN) zur Klärung völkerrechtlicher Streitigkeiten. Der Gerichtshof besteht im aktuellen Verfahren aus 16 Richtern, Präsidentin ist die Amerikanerin Joan E. Donoghue. Einer der Richter ist der deutsche Rechtsprofessor Georg Nolte.
Bereits am 26. Februar 2022, also zwei Tage nach Beginn der russischen Intervention, rief die Ukraine den IGH an. Allerdings darf der IGH nicht entscheiden, ob der russische Überfall gegen das Gewaltverbot der UN-Charta verstößt. Ein solches Urteil wäre nur möglich, wenn sowohl Russland als auch die Ukraine die IGH-Rechtsprechung generell oder in diesem Fall als verbindlich anerkennen – was aber bei beiden Staaten nicht der Fall ist.
Die Ukraine griff daher zu einem Kniff und berief sich auf die UN-Völkermord-Konvention, die von beiden Staaten unterzeichnet wurde. Hier ist der IGH immer zur Klärung von Streitigkeiten zuständig. Die Ukraine machte geltend, sie sei von Russland fälschlicherweise des Völkermords an Russen im Donbass beschuldigt worden. Diese falschen Vorwürfe habe Russland dann als Kriegsvorwand missbraucht.
IGH: Russland soll Militäroperation in Ukraine stoppen
Einen ersten Erfolg erzielte die Ukraine im März 2022. Damals forderte der IGH in einer einstweiligen Anordnung Russland auf, die Militäroperation in der Ukraine „sofort“ zu stoppen. Die Entscheidung fiel mit 13 zu zwei Richterstimmen, nur der russische und der chinesische Richter stimmten dagegen. Allerdings ignorierte Russland den Richterspruch. Der IGH kann seine Urteile nicht selbst vollstrecken und im UN-Sicherheitsrat hat Russland ein Vetorecht.
An diesem Montag, also eineinhalb Jahre später, hat der eigentliche Prozess begonnen. Allerdings geht es zunächst nur um die Frage, ob der IGH für die ukrainische Klage überhaupt zuständig ist. Am ersten Tag hatte ausschließlich die russische Seite das Wort. Gennadi Kusmin forderte den IGH auf, an seiner strengen Rechtsprechung festzuhalten, dass die Völkermordkonvention kein Türöffner ist, um ganz andere Fragen zu klären. So hatte der IGH mehrfach zu Streitfragen im Zusammenhang mit dem Jugoslawien-Krieg der 1990er-Jahre entschieden.
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Kusmin behauptete zudem, dass Russland die „spezielle Militäroperation“ in der Ukraine gar nicht mit Völkermordvorwürfen gegen die Ukraine begründet habe. Vielmehr sei man den „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk gegen ukrainische Angriffe zu Hilfe gekommen. Kusmin betonte schließlich, dass die Konvention überhaupt kein Recht auf eine (humanitäre) Intervention zur Verhinderung von Völkermord gebe. Dies werde zwar von einigen Nato-Staaten behauptet, sei aber überhaupt nicht allgemein anerkannt. Schon deshalb gehe der ukrainische Vorwurf, Russland habe dieses Recht „missbraucht“, ins Leere.
Erst Boykott, dann Teilnahme
Russland scheint sich in Den Haag einiges auszurechnen. Anders als im Eilverfahren 2022, das man boykottierte, nahm die russische Seite diesmal normal an der Verhandlung teil. An diesem Dienstag wird die Ukraine in Den Haag erwidern. Am Mittwoch kommen 32 Staaten zu Wort, die sich aufseiten der Ukraine am Verfahren beteiligen, zu ihnen gehört auch Deutschland. Nächste Woche sprechen dann noch einmal Russland und die Ukraine. Wann der IGH eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage verkündet, ist unklar.
Schon seit 2017 ist am IGH eine ukrainische Klage gegen russischen „Staatsterrorimus“ im Donbass anhängig. Dort stützt sich die Ukraine auf das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus. Hier haben die Anhörungen längst stattgefunden. Das Urteil wurde aber noch nicht verkündet.
Der IGH darf nicht verwechselt werden mit dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH), der auch in Den Haag sitzt. Am IStGH geht es um die Bestrafung von Einzelpersonen. Im März 2023 hat eine Vorprüfungskammer des IStGH Haftbefehl gegen Russlands Präsident Wladimir Putin erlassen, weil er für die Entführung ukrainischer Kinder nach Russland, was als Kriegsverbrechen gilt, verantwortlich gemacht wird.