Scholz hofft auf die Ampel – aber wie realistisch ist die?

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.

Berlin. Das Gratulieren müssen sie im Willy-Brandt-Haus erst wieder üben. Am Montagmittag marschiert SPD-Chef Norbert Walter-Borjans mit einem roten Blumenstrauß in der linken und einem Mikrofon in der rechten Hand auf die rheinland-pfälzische Wahlsiegerin Malu Dreyer zu, als Kanzlerkandidat Olaf Scholz sich an die Lippen tippt: die Maske. Der Mund-Nasen-Schutz macht sich nicht gut auf den Fotos, Walter-Borjans muss ihn schnell loswerden. Mit Blumen und Mikrofon ist das kein einfaches Unterfangen, dem SPD-Chef fehlt die dritte Hand.

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Über solch kleinere Pannen sehen die Genossen an diesem Tag großzügig hinweg. Als der Mundschutz verstaut und die Blumen überreicht sind, kommt sogar kurz etwas Jubelstimmung in der SPD-Parteizentrale auf. Dreyer strahlt und Walter-Borjans schwärmt. Eine „ganz tolle Geschichte“ sei der Wahlsieg in Mainz – auch für die Gesamtpartei. Die SPD blicke in eine gute Zukunft, denn eine Sache sei am Wahlabend deutlich geworden, sagt der SPD-Chef: „Es gibt Mehrheiten ohne CDU und CSU.“

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Welche Mehrheiten das sein sollen, daran lässt Wahlsiegerin Dreyer keinen Zweifel. Sie freue sich, dass ihre Ampelkoalition mit FDP und Grünen bestätigt worden sei, und drücke die Daumen, dass auch in Baden-Württemberg jetzt eine solche Regierung geschmiedet werden könne, sagt Dreyer. „Das Bündnis hat gut funktioniert.“

Scholz lächelt – die Sache läuft für ihn

Kanzlerkandidat Olaf Scholz steht daneben und lächelt. Die Sache läuft in seine Richtung. Scholz braucht eine Regierungsoption, mit der er Kanzler werden könnte – möglichst jenseits einer rot-rot-grünen Koalition. Jegliche Fantasien, die durch die Ereignisse in den Ländern in diese Richtung angeregt werden, helfen ihm gerade.

„Das Wahlergebnis insgesamt verleiht der SPD Flügel“, sagt er. „Wir wollen den Aufwind nutzen, der dazu beitragen kann, dass wir eine künftige Bundesregierung führen und den Kanzler der Bundesrepublik Deutschland stellen können.“ Das sei möglich, und diese Botschaft des Wahlabends hätten nun alle verstanden, glaubt Scholz. „Es ist Bewegung in die Sache reingekommen.“

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In den Bundesländern mag das stimmen, doch wie realistisch ist eine Ampelkoalition auf Bundesebene? Immerhin müsste sich die FDP, die vor vier Jahren mit CDU und Grünen nicht regieren wollte, ein ganzes Stück bewegen, um eine solche Koalition möglich zu machen.

Während es in bürgerrechtspolitischen Fragen durchaus Übereinstimmungen zwischen SPD und Grünen auf der einen und FDP auf der anderen Seite gibt, sind die Differenzen gerade zwischen SPD und FDP auf dem Gebiet der Finanz- und Wirtschaftspolitik enorm. Die Sozialdemokraten wollen, dass Vermögende einen größeren Beitrag zur Bewältigung der Kosten der Corona-Krise tragen. FDP-Chef Christian Lindner lehnt Steuererhöhungen hingegen kategorisch ab.

Lindner zieht rote Linien

Schon vor einiger Zeit hat der Oberliberale eine rote Linie gezogen – und für den Fall einer FDP-Regierungsbeteiligung angekündigt: „Eine Erhöhung der steuerlichen Belastung beim Einkommen der Beschäftigten und denjenigen, die unternehmerische Risiken für Arbeitsplätze tragen, schließe ich aus.“ Wäre er Finanzminister, so sagte er, wolle er in dieser Ausnahmesituation lieber die Steuern senken und dabei anfangs auf Gegenfinanzierung verzichten. Kurz und knapp: Die Vorstellungen von SPD und FDP gehen schwer zusammen.

In der FDP ist man einerseits verstimmt, dass die Union der FDP zuletzt häufig den Eindruck vermittelt hat, es komme auf sie ohnehin nicht an, sondern werde Schwarz-Grün geben. Insofern bereitet es der FDP Freude, wenn Alternativen ohne die Union sichtbar werden. Gleichzeitig muss die FDP einen aggressiven Wahlkampf fürchten, in dem die Union sie als potenziellen Teil des linken Lagers darstellt – und ihr damit Stimmen abjagt.

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Parteichef Lindner bemühte sich am Montag, Spekulationen über ein mögliches Ampelbündnis auf Bundesebene zu dämpfen. Koalitionsspekulationen aus den Reihen von SPD oder Grünen hätten einen „stark instrumentellen Charakter“, sagte er – ohne dass die anderen Parteien dabei auf die politischen Vorhaben der FDP eingehen würden.

„Für uns ist entscheidend, welche Inhalte zusammenpassen“, sagte Lindner. Die Übereinstimmungen der FDP mit CDU/CSU seien weiter größer als mit SPD und Grünen.

Die Ampelträume der SPD im Bund mögen am Sonntag ein klein weniger realistischer geworden sein. Bis aus den Träumen Tatsachen werden, ist es aber noch ein weiter Weg.

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