Shinzo Abe: Pragmatischer Politiker mit revisionistischen Ansichten?
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Shinzo Abe, ehemaliger Premierminister von Japan, ist nach Schüssen bei einer Wahlkampfveranstaltung gestorben.
© Quelle: Maurizio Gambarini/dpa
Nach einem Attentat bei einer Wahlkampfveranstaltung für die Abstimmungen zum Oberhaus des japanischen Parlaments (Sangiin) ist der ehemalige Ministerpräsident Japans, Shinzo Abe, im Krankenhaus verstorben. Ein 41-jähriger Tatverdächtiger, offenbar ein ehemaliges Mitglied der Selbstverteidigungskräfte Japans, soll mit einer selbstgebauten Waffe von hinten zwei Schüsse auf Abe abgefeuert haben. Abe hielt zu diesem Zeitpunkt eine Wahlkampfrede in der Stadt Nara. Laut Medienberichten sagte der Mann danach aus, dass er „unzufrieden“ mit dem Politiker gewesen sei. Abe wurde 67 Jahre alt.
Japans Ex-Premier: Shinzo Abe nach Attentat gestorben
Der ehemalige japanische Regierungschef Shinzo Abe ist in Folge des Mordanschlags bei einer Wahlkampfveranstaltung gestorben.
© Quelle: Reuters
Der ehemalige Regierungschef stammte aus einer namhaften japanischen Politikerfamilie. Bereits sein Großvater war Ministerpräsident. Mit insgesamt vier Amtszeiten war Abe der am längsten amtierende Ministerpräsident Japans. Als jüngster Regierungschef der Geschichte des Landes kam der Politiker der konservativen Liberaldemokratischen Partei (LDP) im September 2006 an die Macht. Nach nur einem Jahr, Skandalen und einer herben Schlappe bei den Wahlen zum Sangiin musste Abe sein Amt jedoch wieder abgeben.
War Shinzo Abe ein „Trump vor Trump“?
Fünf Jahre später, im Dezember 2012, konnte Shinzo Abe erneut den Posten des Premierministers für sich gewinnen. Dieses Mal jedoch sollte er ihn für acht Jahre und drei Amtszeiten behalten. Nach einer wirtschaftlichen Krise brachte Abe das Land wieder auf Kurs. In dieser Zeit prägte seine pragmatische Amtsführung Japans Politik, obwohl Abe eher für nationalistische und rechtskonservative Ansichten bekannt war. Er baute die Beziehungen zu den USA aus und vergrößerte das Militär.
Steve Bannon, der ehemalige Berater des Ex-US-Präsidenten Donald Trump, bezeichnete Abe einst als „Trump vor Trump“ und spielte damit auf die populistischen Töne des japanischen Politikers an. Laut Bannon sei Abe gar der Pionier einer globalen „nationalistischen“ Bewegung.
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Der frühere US-Präsident Donald Trump (l) stellt sich mit dem damaligen japanischen Premierminister Shinzo Abe während eines Banketts anlässlich des Gipfeltreffens der Gruppe der 20 im Schloss von Osaka für ein Gruppenfoto auf. (Archivbild)
© Quelle: Lukas Coch/AAP/dpa
Ohnehin war das Verhältnis Abes zu Trump größtenteils freundschaftlich: Direkt nach der Wahl Trumps 2016 trafen sich die beiden Männer in New York, nach Amtsantritt Trumps reiste Shinzo Abe als zweiter Gast nach der britischen Premierministerin Theresa May nach Washington. Doch zum Ende der Amtszeit des US-amerikanischen Polterpräsidenten wurde selbst für Abe der Druck in Handelsfragen zu groß, das Verhältnis kühlte ab.
Abe wollte eine neue Rolle für Japan in der Welt
Zudem galt Abe als Kritiker des Artikel 9 der japanischen Verfassung, der dem Land den Unterhalt von Streitkräften sowie kriegerische Aktivitäten verbietet. Der Artikel ist ein Relikt des Zweiten Weltkriegs, in dem Japan Verbündeter Nazideutschlands war. Rechte Politiker fordern schon länger eine Abschaffung des Paragrafen sowie eine neue militärische Rolle des Landes. Der ehemalige Premier wollte diesen mit Blick auf Nordkoreas Atomprogramm und Chinas Machtstreben in der Region ändern und Japan so einen eigenständigeren außenpolitischen Kurs verpassen.
Abe war Mitglied des revisionistischen „Vereins zur Erstellung neuer Geschichtslehrbücher“. Seiner Meinung nach war Japans Rolle im Zweiten Weltkrieg nicht unrechtmäßig, zudem wollte er die Leiden der zu Kriegszeiten von japanischen Soldaten zwangsprostituierten „Trostfrauen“ nicht anerkennen.
2020 trat Shinzo Abe aus gesundheitlichen Gründen zurück. Nach seiner Amtszeit äußert er sich jedoch immer wieder zur japanischen Politik. Er warnt China in einer Rede vor einem „militärischen Abenteuer“ in Taiwan und löst damit in Peking Empörung aus.
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