Russische Streitkräfte: Sturm auf Sjewjerodonezk hat begonnen
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Russische Angriffe in der Region Luhansk.
© Quelle: Reuters
Pokrowsk. Russische Truppen haben nach ukrainischen Angaben mit dem Sturm auf die Stadt Sjewjerodonezk begonnen. Es gebe heftigen Beschuss, in der Stadt tobten Nahkämpfe, teilten die ukrainischen Regionalbehörden am Sonntag mit. Die Stromversorgung in der Stadt fiel aus. Es gab auch keine Mobilfunkverbindung. Zugleich verstärkten russische Truppen ihre Angriffe auf das nahe gelegene Lyssytschansk, das unter Dauerbeschuss lag.
Lyssytschansk und Sjewjerodonezk hatten vor dem Krieg zusammen etwa 200.000 Einwohner und waren die letzten größeren Gebiete in der Region Luhansk, die noch unter ukrainischer Kontrolle standen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nannte die Lage dort am Samstag unbeschreiblich schwierig.
Der Bürgermeister von Sjewjerodonezk, Oleksandr Strjuk, sagte, am Samstag habe es Kämpfe am Busbahnhof gegeben. Ein Zentrum für humanitäre Hilfe könne nicht mehr arbeiten. Einige Versorgungsrouten seien aber noch offen und Verwundete könnten aus der Stadt gebracht werden.
Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs verstärkten russische Truppen ihre Kräfte um den Eisenbahnknotenpunkt Lyman, den sie kurz zuvor erobert hatten. Sie versuchten, Fuß in der Gegend zu fassen.
Der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj, sagte, russische Truppen hätten sich unter Verlusten aus dem Dorf Bobrowe etwa 20 Kilometer südlich von Sjewjerodonezk zurückgezogen. So flögen Luftangriffe auf ein anderes Dorf am strategisch wichtigen Fluss Siwerskij Donez. In Lyssytschansk sei ein Wohnhaus getroffen worden, wobei es einen Toten und vier Verletzte gegeben habe.
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Laut dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ist die Lage im Donbass unbeschreiblich schwierig.
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Trotz heftigem Beschuss gelang es Zivilisten, aus der Gegend zu fliehen. Einige erreichten das 130 Kilometer südlich gelegene Pokrowsk, von wo sie am Samstag weiter Richtung Westen fahren wollten.
Jana Skakowa brach in Tränen aus, als sie mit ihrem 18 Monate alten Sohn auf dem Schoß von pausenlosen Bombardements durch russische Truppen berichtete und dass sie ihren Mann habe zurücklassen müssen. „Jehor ist anderthalb Jahre alt und jetzt ohne Vater“, sagte sie. Zu Beginn des Krieges habe es in Lyssytschansk noch Ruhephasen gegeben, in denen sie auf der Straße habe kochen können. Auch die Kinder hätten dann im Freien spielen können. Zum Schluss sei sie aber nicht mehr aus dem Keller herausgekommen. Der Beschuss sei einfach zu beängstigend gewesen.
Am Freitag habe die Polizei sie aus dem Keller evakuiert, in dem sie zweieinhalb Monate gelebt hätten – 18 Personen, darunter neun Kinder, sagte Skakowa. „Keiner von uns wollte seine Heimatstadt verlassen. Aber um dieser kleinen Kinder willen haben wir beschlossen, zu gehen.“ Sie sei mit ihren beiden Jungen geflohen – 18 Monate und vier Jahre alt. Ihr Mann wolle auf das Haus und die Tiere aufpassen.
Die 74-Jährige Oksana saß mit Skakowa im Evakuierungszug und berichtete, ausländische Freiwillige hätten sie und ihren 86 Jahre alten Ehemann am Freitag aus Lyssytschansk herausgebracht. In der Stadt seien aber immer noch Menschen mit kleinen Kindern.
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Ihren Nachnamen wollte Oksana aus Angst nicht nennen. Sie wisse nicht, wohin es sie jetzt verschlagen werde. „Ich bin jetzt eine Bettlerin ohne Glück. Ich muss jetzt um Almosen bitten“, sagte sie und weinte heftig. „Es wäre besser, mich zu töten.“ Sie habe 36 Jahre als Buchhalterin und Beamtin gearbeitet und der Gedanke, auf andere angewiesen zu sein, sei unerträglich. „Gott bewahre, dass noch andere so etwas erleben.“
RND/AP