So schlug sich die Kanzlerin bei Zuschauerfragen

Angela Merkel bei der Wahlarena in Lübeck.

Angela Merkel bei der Wahlarena in Lübeck.

Lübeck. Live aus Lübeck – um sich 150 Bürgerinnen und Bürger und das Moderatoren-Paar Sonja Mikich und Andreas Cichowicz: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte im Bürger-Dialog unterschiedliche Gesichter:

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Die Routinierte

Aus Fehlern lernt man, Merkel schneller als andere. Noch vor vier Jahren brachte sie die Frage eines jungen Homosexuellen ins Drucksen. In diesem Jahr reagiert sie locker. Warum sie gegen die Einführung der Ehe für Alle gestimmt habe, fragt ein junger Mann, der zusammen mit seinem Partner ein Pflegekind hat. Weil sie laut Grundgesetz zufolge Mann und Frau vorbehalten sei. Aber was die Erziehung von Kindern angeht, „da habe ich meine Position deutlich verändert.“

Ebenso routiniert zeigt sie sich in der Frage, ob die Politik der Automobil-Industrie nicht zu nahe stehe. Nein, tut sie nicht. Merkel, erst angespannt, kerzengerade, ernst, beginnt nun zu diskutieren. Nennt Zahlen, verweist auf Maßnahmen, trennt ernstzunehmende Vorwürfe von Unterstellung. Wohl, weil ihr derartige Fragen gerade täglich gestellt werden.

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Die Liberale

Vor allem ein Frager sorgt im Publikum für Irritation. Ein Mann aus Apolda. Er fürchtet sich vor Überfremdung – und davor, dass Deutsche vernachlässigt werden. “Pfui!“, ruft es aus dem Publikum. „Lassen Sie den Mann ausreden“, sagt Merkel und verteidigt vor ihm ihr Handeln. Es sei humanitär richtig gewesen. Sie räumt Fehler ein und sagt, dass auch solche Meinungen gehört werden müssen.

Diese Position vertritt sie immer wieder. „Wir sind ja kein Meinungsmonopol hier“, sagt sie etwa bei der Frage, wie mit Erdogan-Befürworten umzugehen sein.

Die Analytikerin

Stattdessen gibt sie sich analytisch. Wenn Türken sich in Deutschland zu Erdogan bekennen, dann liege das auch daran, dass sie sich noch immer nicht ganz als Deutsche fühlen. „Sie denken dann: Wenn es wirklich hart auf hart kommt, dann sind wir kein Teil dessen.“ Mit dessen meint sie Deutschland.

Die Toll-Finderin

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Merkel hütet sich davor, Freund-Feind-Bilder zu malen. Stattdessen geht sie auf Tuchfühlung mit dem Publikum. Vor allem, indem sie den Bürgerinnen und Bürgern ihre Ehrerbietung ausspricht. Toll, der Zuschauer, der in der Krankenpflege arbeitet. Toll, die Frau, die Physikerin ist. Toll, der Schüler, der zu Bundeswehr gehen möchte. Toll, die Zuschauerin mit Down-Syndrom, die für eine Zeitschrift arbeitet.

Die Menschliche

Durch sie erlebt Merkel einen der stärksten Momente des Abends. Die junge Autorin mit Trisomie 21 fragt Merkel, wie sie zur Abtreibung kurz vor der Geburt stehe. Neun von zehn Kindern mit Down-Syndrom würden abgetrieben. Merkel macht klar, dass sie von späten Abtreibungen wenig hält. Die Zuschauerin ist begeistert – war sie auch vorher schon. „Ich bin extremer Fan von ihr“, Merkel, sagt sie. Merkel nutzt die Sympathie der Stunde. Fragt nach, ganz sachlich, höflich, auf Augenhöhe. Der anschließende Applaus ist lang und nachhallend.

Auch, als ein Zuschauer, dessen Eltern aus dem Iran stammen, fragt, wie Angela Merkel Alltagsrassismus entgegentreten wolle. Er selbst erlebe diesen immer wieder. Werde an der Bushaltestelle gefragt, zu welcher Terrorzelle er gehöre. Politische Maßnahmen dagegen gibt es nicht, das weiß Merkel. Also hält sie ein Plädoyer für die Menschlichkeit. Der Frager solle seinen Schneid nicht aufgeben. Man müsse stark sein, in dieser Zeit. Aber: „Zum Schluss ist jeder zweite Mensch ein bisschen komisch.“ Gegen so viele werde hergezogen. Gegen Alte, gegen Behinderte, gegen Ausländer. Dabei dürfe man nie vom Aussehen auf den Menschen schließen. Zumal: „In jedem Menschen steckt würde. Und jeden einzelnen müsse man sehen.

Die Ungefähre

So klar Position wie an dieser Stelle bezieht Merkel jedoch nur selten. Eine Bäuerin beispielsweise fragt, wie die Kanzlerin Landwirten finanzielle Sicherheit garantieren könnte. Konkrete Maßnahmen nennt Merkel nicht, stattdessen betont sie die Wichtigkeit der Landwirtschaft. Auch auf die Frage, wie der Pflegenotstand beendet werden kann, bleibt Merkel im Ungefähren. Mehr Geld soll es geben, die Pflege muss attraktiver werden, das war’s.

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Die Unhinterfragte

Immer wieder griffen die Moderatoren in die Fragen ein oder hakten nach. Auch einige Fragesteller waren Kenner der Materie. Sie hakten nach oder korrigierten die Kanzlerin. Trotzdem: Eine Opposition gab es nicht. Viele der Fragesteller waren bekennende Merkel-Fans oder zumindest -Verehrer.

Von Julius Heinrichs/RND

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