„Feministische Außenpolitik jetzt“

Protestzeltlager in Berlin: Solidarität mit iranischer Protestbewegung

Die Exil-Iranerin Parisa Khayamdar protestiert vor der Zentrale der Grünen in Berlin für die Umsetzung der von Annalena Baerbock angekündigten feministischen Außenpolitik.

Die Exil-Iranerin Parisa Khayamdar protestiert vor der Zentrale der Grünen in Berlin für die Umsetzung der von Annalena Baerbock angekündigten feministischen Außenpolitik.

Berlin. Eine junge Frau steht vor der großen grünen Tür der Parteizentrale der Grünen in Berlin-Mitte. „Wo muss man denn hier klingeln?“, fragt Parisa Khayamdar und blickt ratlos auf die Hauswand, an der Plakate lehnen und Kerzen angezündet sind. „Freedom for Iran“, heißt es auf einem von ihnen, Abdrücke blutverschmierter Hände sind auf einem anderen zu sehen. Die Plakate stammen vom Protestcamp direkt gegenüber, zu dem auch die Exil-Iranerin gehört.

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„Wir fordern von den Grünen, dass die Regierung nicht mehr mit der Islamischen Republik Iran verhandelt“, sagt Parisa Khayamdar. Vor allem eine mögliche Neuauflage des Atomabkommens verurteilt ihre Gruppierung Feminista Berlin. „Die Regierung der Islamischen Republik Iran sind Mörder. Man kann doch nicht mit Mördern verhandeln.“

Protestcamp seit zwei Wochen vor Grünen-Parteizentrale in Berlin

Jetzt geht es ihr aber um logistische Verhandlungen: „Wir wollen die Grünen fragen, ob wir bei ihnen unseren Müll entsorgen können“, erklärt sie und drückt auf die erspähte Klingel. Nach etwa zwei Wochen, die die Protestierenden auf dem Platz vor der Zentrale ausharren, hat sich einiges angesammelt.

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Vor der Grünen-Parteizentrale protestiert seit zwei Wochen die iranische Gruppe Feminista für eine von Baerbock angekündigte Umsetzung der feministischen Außenpolitik in Bezug auf den Iran.

Vor der Grünen-Parteizentrale protestiert seit zwei Wochen die iranische Gruppe Feminista für eine von Baerbock angekündigte Umsetzung der feministischen Außenpolitik in Bezug auf den Iran.

Der Buzzer summt einladend. Doch am Empfangstresen der Grünen ist niemand so recht begeistert von der Idee, den Müll des Camps, das vor ihrer Haustür gegen die grüne Außenpolitik protestiert, zu entsorgen. Zuständig dafür seien sie nicht. Am Ende willigen sie trotzdem ein: Die Gruppe könne den Müll am nächsten Tag vorbeibringen – aber bitte ordentlich getrennt.

Zufrieden verlässt die 35-Jährige das Haus und gesellt sich wieder zu den anderen Protestierenden. Unter herbstlich leuchtenden Bäumen hat hier die Gruppe von Exil-Iranerinnen und -Iranern in Solidarität mit der Protestbewegung in ihrem Land die Zelte aufgeschlagen und Plakate aufgehängt. Im Iran dauern die Proteste gegen das Regime der Mullahs an, seitdem Mitte September die junge Kurdin Mahsa Amini nach ihrer Inhaftierung durch die Sittenpolizei verstarb.

Forderung: Baerbocks feministische Außenpolitik soll umgesetzt werden

„Für Frauen, Leben, Freiheit“, dringt es auf Farsi aus einem der Lautsprecher im Protestcamp. Die Protestballade des iranischen Sängers Shervin Hajipour ist so laut aufgedreht, dass sie eine realistische Chance hat, gegen die Berliner Autos, Busse und die Tram anzukommen.

Die Exil-Iranerin Parisa Khayamdar protestiert vor der Zentrale der Grünen in Berlin für die Umsetzung der von Annalena Baerbock angekündigten feministischen Außenpolitik

Die Exil-Iranerin Parisa Khayamdar protestiert vor der Zentrale der Grünen in Berlin für die Umsetzung der von Annalena Baerbock angekündigten feministischen Außenpolitik

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„Annalena Baerbock ist eine junge Frau, die den Weg in die Regierung gefunden hat. Sie ist eine Kämpferin und eine Feministin. Das hat sie zumindest gesagt.“ Parisa Khayamdar floh vor zwölf Jahren aus dem Iran, ist inzwischen eingebürgert und hat die Grünen selbst gewählt. Hinter ihr leuchtet die grüne Tür der Parteizentrale. Von einem der Plakate, das daneben an der Wand lehnt, blickt Annalena Baerbock herab: „Ihr sagt: Feministische Außenpolitik. Wir sagen: Jetzt!“ steht daneben.

Solidarität mit Protesten im Iran

„Was im Iran gerade passiert, ist eine Frauenrevolution. Das muss unterstützt werden“, fordert Khayamdar, die eigentlich Ärztin ist und gerade Informatik studiert. „Gerade jetzt ist die iranische Regierung geschwächt.“ Die Grünen verweisen auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) auf die EU-weiten Sanktionen, für die sich die Außenministerin „massiv eingesetzt“ habe.

Der Exil-Iranerin gehen sie nicht weit genug. Seit Jahren arbeite die EU mit Sanktionen. Doch diese seien zu schwach und träfen nicht die Regierung, sondern die Bevölkerung, so Khayamdar. Die Islamische Republik Iran müsste auf politischer Ebene isoliert werden, der Botschafter zum Diplomaten herabgestuft werden, findet sie.

Auswärtiges Amt und Grüne rechtfertigen Außenpolitik gegenüber Iran

Das sieht das Auswärtige Amt skeptisch, wie es dem RND mitteilte: „Ein Ende der diplomatischen Beziehungen wäre auch ein Ende unserer Kanäle, um in den Iran hineinzuwirken“, so eine Sprecherin. Für Menschen, die im Iran konsularische Hilfe bräuchten, hätte das negative Konsequenzen.

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Rund um die Uhr zelten Exil-Iranerinnen und -Iraner in Berlin-Mitte. Sie sind enttäuscht von der Reaktion der Grünen auf die Proteste im Iran.

Rund um die Uhr zelten Exil-Iranerinnen und -Iraner in Berlin-Mitte. Sie sind enttäuscht von der Reaktion der Grünen auf die Proteste im Iran.

Von den Grünen heißt es: „Die Menschenrechtslage im Iran ist erschütternd. Es geht jetzt darum, die Menschen vor Ort bestmöglich zu unterstützen.“ Genauso sieht es auch die Protestgruppe, aber wie genau diese Unterstützung aussehen könnte, darüber möchte sie mit der Partei sprechen: „Wir wünschen uns ein offizielles Gespräch mit den Grünen, aber bis jetzt wurden wir ignoriert. Das hätten wir nicht erwartet – gerade von den Grünen.“

Ein informelles Gespräch zwischen Feminista Berlin und den Bundesvorsitzenden, auf das die Pressestelle der Grünen verweist, reicht ihnen nicht. „Wir wollen keinen Druck auf die Grünen ausüben. Wir wollen zusammen mit den Grünen Druck auf die Koalitionspartner ausüben“, sagt Parisa Khayamdar. „Wir haben Angst, dass uns die Grünen zwar in ihren Worten unterstützen, aber in ihren Taten nicht.“ Ihr Urteil ist eindeutig: „Bisher war die Außenpolitik von Annalena Baerbock überhaupt nicht feministisch.“ Die Pressestelle der Grünen verspricht: „Erste Sanktionen wurden in dieser Woche bereits auf den Weg gebracht, weitere Schritte werden folgen.“

Exil-Iranerinnen und -Iraner von Feminsta Berlin protestieren weiter

In dem Protestcamp entwerfen einige der Feminista-Mitglieder neue Plakate, andere frühstücken unter einem Pavillon oder beobachten das Geschehen dick eingemummelt aus ihren Zelten. Sie alle waren Teil der „grünen Bewegung“, die 2009 wegen Fälschungsvorwürfen bei der Wiederwahl des damaligen Amtsinhabers Mahmud Ahmadineschad auf die Straßen gegangen war. „Wir sind alle politische Flüchtlinge. Wir waren in der Opposition, wurden deswegen exmatrikuliert und sind geflohen“, sagen sie.

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Teheran: Seit dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini ebben die Proteste im Iran nicht ab.

Teheran: Seit dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini ebben die Proteste im Iran nicht ab.

Jetzt versuchten sie, die Bewegung im Land von hier aus zu unterstützen. Eine der vielen iranischen Oppositionsbewegungen im Exil wie beispielsweise dem Nationalen Widerstandsrat des Iran schließen sie sich nicht an. „Wir vertreten nur die Frauen und Männer im Iran, die gegen das Regime kämpfen und gehört werden müssen“, betont Parisa Khayamdar.

„Wir sind enttäuscht von den Grünen, aber nicht hoffnungslos“, sagt die Aktivistin. Sie will im Protestcamp ausharren, bis die Grünen den Forderungen nachkommen. „Wir haben Zeit und Energie. Solange die Menschen im Iran kämpfen, haben wir auch nichts anderes vor“, sagt sie. „Für uns sind Menschenrechte so wichtig, dass wir schon einmal alles verloren haben.“

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