Spahns letzte Pressekonferenz: eigene Fehler und kleine Spitzen
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Jens Spahn bei seiner letzten Bundespressekonferenz als Gesundheitsminister.
© Quelle: imago images/Political-Moments
Berlin. Zumindest einen Rekord kann Jens Spahn schon einmal für sich verbuchen. 31-mal – so oft wie kein Minister in einem Jahr vor ihm – hat der Gesundheitsminister vor der blauen Wand der Bundespressekonferenz gesessen, die aktuelle Corona-Lage erläutert und Fragen der Journalistinnen und Journalisten beantwortet. Auch an diesem Freitag hat der CDU-Politiker dort Platz genommen – es ist das letzte Mal in diesem Amt.
Nein, „ob Sie es glauben oder nicht“, er habe sich noch kein Gedanken über eine persönliche Bilanz seiner Amtszeit gemacht, sagt er auf entsprechende Fragen, nennt dann aber doch einen Fehler, wobei er von „wir“, nicht von „ich“ spricht: „Wir hätten mit größerer Konsequenz die Unterscheidung von Geimpften und Ungeimpften machen müssen“, sagt er und verweist darauf, dass die Einführung von 2G schon Anfang August diskutiert, aber wieder verworfen worden sei.
Was er nicht öffentlich sagt: Die Union hatte das Thema abgeräumt, weil ihr Kanzlerkandidat Armin Laschet keine Wähler verprellen wollte. Auch Spahn lenkte ein – aber nur notgedrungen, wie es in seinem Umfeld dargestellt wird.
Von nachlassendem Selbstbewusstsein angesichts vieler Probleme bei der Bewältigung der Corona-Krise kann zum Ende seiner Amtszeit jedenfalls keine Rede sein. Dass es jetzt überhaupt zu neuen Beschränkungen gegen die vierte Welle gekommen ist, rechnet sich Spahn zu.
„Unsere Mahnungen“, sagte er und schaut zu dem neben ihm sitzenden RKI-Chef Lothar Wieler, „haben geholfen.“ Und er fügt hinzu: „Die Entscheidung kam spät, für viele leider zu spät, aber immerhin wurde sie nun getroffen.“
Bund und Länder hatten am Donnerstag eine Reihe schärferer Maßnahmen für die Adventszeit festgelegt. Dazu zählen Zuschauerbegrenzungen bei Großveranstaltungen sowie umfassende Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte. Ihnen wird im Weihnachtsgeschäft auch der Zutritt zu den meisten Läden verwehrt. Der Verkauf von Böllern und Feuerwerk zu Silvester wird bundesweit verboten. Eine Reihe von Virologen und Epidemiologen zweifeln allerdings, ob die Maßnahmen ausreichen.
Spahn wählt auf seiner letzten Pressekonferenz erneut deutliche Worte über die Lage im Land. Selbst wenn die Maßnahmen schon morgen volle Wirkung zeigten, würden die Klinikbelastungen ansteigen, so der CDU-Politiker. Deutschland werde die Zahl von mehr als 5000 Corona-Patienten auf den Intensivstationen in den nächsten Tagen und Wochen „deutlich“ übersteigen. Die Lage werde „rund um Weihnachten ihren traurigen Höhepunkt erreichen“.
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RKI-Präsident Wieler warnt davor, die in dieser Woche in einigen Regionen gesunkenen Fallzahlen als Trendumkehr zu interpretieren. Dafür sei es zu früh, sagte er. Mancherorts zeigten strengere Maßnahmen zwar tatsächlich Wirkung. Andernorts seien niedrigere Fallzahlen aber darauf zurückzuführen, dass Labore und Gesundheitsämter mit dem Testen und ihren Meldungen gar nicht hinterherkämen, sagt er.
Wieler vermutet zwei- bis dreifach so hohe reale Zahlen
Nach seinen Angaben gibt es derzeit 926.000 aktive Corona-Infektionen, also etwas mehr als ein Prozent der Bevölkerung. Die tatsächliche Zahl liege aber wahrscheinlich zwei- bis dreimal so hoch, warnt Wieler. Es müsse jetzt zu einer massiven Senkung der Kontakte kommen. „Wir haben keine Zeit zu verlieren, keinen einzigen Tag.“
Auch der scheidende Gesundheitsminister appelliert nachdrücklich an die Bevölkerung: „Helfen Sie mit, weiteres Leid zu verhindern.“ Alle Bürger sollten die Auflagen einhalten, Kontakte reduzieren und sich impfen beziehungsweise boostern lassen.
Und dann verteilt Spahn noch kleine Spitzen gegen den künftigen Kanzler. Er rechnet vor, dass das von Olaf Scholz ausgegebene Ziel, bis Jahresende 30 Millionen Impfungen zu schaffen, gar nicht so ambitioniert ist, wie es klingt. Denn Scholz habe als Ausgangspunkt den Stand vom 18. November genannt. „Seitdem wurden bereits zehn Millionen Menschen geimpft“, stellt Spahn nüchtern fest.
Wie es ihm jetzt damit gehe, von einem viel beschäftigten Minister wieder zu einem einfachen Abgeordneten zu werden, wird er dann noch gefragt. „It’s democracy“, sagt er da nur, bedankt sich für die Fragen und wünscht: „Bleiben Sie gesund.“