Gesetzesreform spaltet Politik und Justiz

Spaniens Systemkrise: Machtkampf zwischen Justiz und Politik auf offener Bühne

Blick von oben in das spanische Parlament.

Blick von oben in das spanische Parlament.

Madrid. An diesem Montag haben sich in Madrid elf Richter des spanischen Verfassungsgerichts versammelt, um darüber zu entscheiden, ob bei einer Abstimmung des spanischen Parlaments am vergangenen Donnerstag alles mit rechten Dingen zuging – und, falls nicht, welche Konsequenzen daraus zu ziehen wären. Es ist ein Machtkampf zwischen Justiz und Politik auf offener Bühne, hinter dem ein anderer, noch älterer Machtkampf steckt, der zwischen links und rechts. Garbiñe Biurrun, eine Richterin des höchsten Gerichtshofes des Baskenlandes, beobachtet dieses Geschehen aus der Ferne einigermaßen ratlos.

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Offenbar hielten die „fortschrittlichen“ und die „konservativen“ Mitglieder des Verfassungsgerichtes Treffen in getrennten Gruppen ab, schreibt Biurrun in einem Gastbeitrag für die Zeitung eldiario.es, „zu meiner Verwirrung“. Als wäre Spaniens Verfassungsgericht kein Gericht, sondern ein politischer Debattierklub.

Auslöser für die montägliche Sitzung des Gerichts war ein Eilantrag der konservativen Volkspartei (PP) – Spaniens größter Oppositionspartei –, die sich durch die Art und Weise, wie die linke Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez eine Gesetzesreform durchs Parlament gebracht hat, ihrer Rechte zur demokratischen Teilhabe beraubt fühlte. Die Gesetzesreform war als Änderungsantrag einem gänzlich anderen Reformvorhaben angehängt worden, was guter parlamentarischer Praxis widerspricht und vom Verfassungsgericht vor vielen Jahren in einem anderen Fall als rechtswidrig erkannt worden war.

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So weit gibt es kaum Streit: Das Verfahren war nicht korrekt, die PP hat recht. Aber soll deswegen das weitere Gesetzgebungsverfahren – konkret eine Folgeabstimmung am kommenden Donnerstag im Senat, der zweiten Kammer des Parlaments – abgesagt und damit die Reform aufgeschoben werden? War der Eingriff in die Rechte der Opposition so gravierend, dass die Regierungsmehrheit im Parlament eines ihrer Projekte nicht mehr durchbringen kann?

Das klingt nach einer nicht uninteressanten technischen Debatte (auf die das Verfassungsgericht bis zum Montagnachmittag noch keine Antwort gefunden hatte). Aber in Spanien ist daraus eine Debatte ums große Ganze geworden. Von einer „Systemkrise“ spricht der einflussreiche liberale Kommentator José Antonio Zarzalejos, von der „größten institutionellen Krise, die Spanien in langer Zeit erlebt hat“, Ignacio Escolar, der Chefredakteur vom linken eldiario.es.

Streit um die Neuwahl des Justizrates dauert schon mehrere Jahre

Die Debatte ist derart aufgeladen, weil es in dem Reformvorhaben, mit dem sich die Justiz zu befassen hat, um die Justiz selber geht: konkret darum, wie zwei neue Verfassungsrichter zu wählen wären. Die spanischen Linken – das heißt die Regierung und die ihr freundlich gesinnten Medien – sind davon überzeugt, dass sich die Rechten in Politik und Justiz dazu verschworen haben, ihr konservatives Übergewicht in der Judikative zu bewahren. Der Verdacht ist nicht ganz weit hergeholt: Die PP verweigert seit vier Jahren eine Einigung mit der derzeitigen linken Regierungsmehrheit über die Erneuerung des Allgemeinen Justizrates, der für einen Großteil der Neubesetzungen herausragender Richterstellen verantwortlich ist. Auf diese Weise sind der Justizrat und auch das Verfassungsgericht weiter mehrheitlich in konservativer Hand geblieben.

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Bei ihrem Versuch, die PP-Blockade zu durchbrechen, ist die Sánchez-Regierung nicht zimperlich. Die am Donnerstag durchs Parlament gepeitschte Reform der Regeln für die Neubesetzung zweier Verfassungsrichterstellen bringt ihr selbst den Verdacht ein, nun unbedingt die Macht im Justizwesen übernehmen zu wollen. Solche Kritik lässt sich die Regierung aber ungern gefallen.

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Der sozialistische Abgeordnete Felipe Sicilia sagte während der Parlamentsdebatte am Donnerstag, dass „die Rechte“ vor 41 Jahren schon einmal die Demokratie zu stoppen versuchte, „damals mit Dreispitzen“, „heute mit Roben“. Womit er den missglückten Militärputsch von 1981 mit dem heutigen Eilantrag der PP beim Verfassungsgericht verglich. Die (sozialistische) Parlamentspräsidentin griff nicht ein, sondern bat die aufgebrachte Opposition um „Ruhe“.

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