SPD-Vorsitz: Kühnert, Klingbeil und wer noch? Das sind mögliche Kandidaten
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Das Rennen um den SPD-Vorsitz ist offen. Als potenzielle Kandidaten gelten auch Juso-Chef Kevin Kühnert und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Aber wer tritt am Ende tatsächlich an?
© Quelle: Bernd Settnik/dpa
Berlin. Wer folgt auf Andrea Nahles im SPD-Vorsitz? Am Montag trifft sich der Vorstand und entscheidet über das Verfahren: Wann soll die neue Parteispitze feststehen? Wird es künftig eine Doppelspitze geben? Soll es für eine solche Doppelspitzen Einzelkandidaturen geben – oder sollen sich Teams bewerben? Wie werden die Mitglieder eingebunden?
Sind all diese Fragen geklärt, geht es darum, wer sich den schwierigen Job an der Spitze der Partei zutraut und tatsächlich antritt. Bisher haben nur wenige offiziell Interesse signalisiert. Viele warten ab, belauern sich – schauen, was andere in der Partei tun. Hier stellen wir potenzielle Kandidaten vor:
Thomas Kutschaty
Einer muss den ersten Ball werfen – sonst geht das Spiel nie los. „Großen Herausforderungen darf man nicht hinterherlaufen, man darf aber auch nicht davor weglaufen“, hat der Fraktionschef der SPD in Nordrhein-Westfalen dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gesagt – und sich damit als erster namhafter Sozialdemokrat vorgewagt. Die Ankündigung einer Kandidatur war das aber noch nicht, mehr ein Testballon. Für Kutschaty spricht die Chuzpe, sich unerwartet selbst in Spiel zu bringen. Gegen ihn spricht, dass er nicht unbedingt als Menschenfischer gilt. Auch im eigenen Landesverband ist er nicht unumstritten. Das Verhältnis zu Parteichef Sebastian Hartmann gilt als angespannt.
Stephan Weil
Es fällt leicht, Stephan Weil zu glauben, dass es nicht Teil seiner Lebensplanung war, SPD-Vorsitzender zu werden. Der 60-Jährige regiert in zweiter Legislaturperiode in Niedersachsen als Ministerpräsident – und er liebt dieses Amt. Das gelegentlich überdrehte Treiben des Berliner Politikbetriebs ist ihm eher fremd. Doch Weil ist als erfolgreicher Ministerpräsident eines der wenigen verbliebenen Schwergewichte, die für den Vorsitz in Frage kommen – zumal Manuela Schwesig abgesagt hat. Sieht er sich vielleicht doch in der Pflicht zu kandidieren? Das ist vorstellbar. Falls er sich durchringen sollte, kann es sich für ihn im Wettbewerb als Manko erweisen, dass er in der Partei als beinharter Befürworter der ungeliebten großen Koalition gilt. Wie stünde Weil da, wenn er am Ende gegen Juso-Chef Kevin Kühnert verlöre?
Kevin Kühnert
Der Juso-Chef, 29 Jahre alt, gilt als eines der größten Talente in der SPD. Im November 2017 – gerade erst ins neue Amt gewählt – legte er Parteichef Martin Schulz auf dem Juso-Bundeskongress in Saarbrücken dar, warum die SPD beim Nein zur großen Koalition bleiben müsse. Kühnert wurde zum Kopf der "No Groko"-Kampagneund auf einen Schlag bundesweit bekannt. Ist Kühnert, dessen Fernstudium der Politikwissenschaften zurzeit ruht, zu jung und zu wenig erfahren für den Parteivorsitz? Das sehen einige so. Sein Vorteil ist, dass er authentisch für einen linkeren Kurs steht, den sich ein Teil der Partei sehnlich herbeiwünscht.Andere befürchten, dass er die Partei zu weit aus der Mitte wegführen würde. Falls er kandidiert, wird es eine wichtige Frage sein, welche Doppelspitzen-Kombination vorstellbar ist. Gibt es eine Kandidatin, die mit Kühnert gut zusammenarbeiten und eher Wähler der Mitte erreichen würde?
Franziska Giffey
"Die Leute entscheiden viel über den Bauch, über Sympathie", sagte Giffey. Deshalb sei es wichtig, dass der SPD-Vorsitz an eine Person gehe, "die Bauch und Herz erreichen" könne, hat Bundesfamilienministerin Franziska Giffey der "Süddeutschen Zeitung" gesagt. Das las manch einer in der SPD als eine Art Bewerbungsrede. Für Giffey spricht, dass nicht nur sie sich selbst, sondern auch viele andere sie so sehen. Die frühere Neuköllner Bezirksbürgermeisterin ist erst seit gut einem Jahr auf der bundespolitischen Bühne und kann damit für einen Neubeginn stehen. Unter den Erfolg versprechenden potenziellen Bewerbern gibt es nicht viele Frauen. Das Problem ist aber: Es gibt Plagiatsvorwürfe gegen Giffey,im schlimmsten Fall könnte sie ihren Doktortitel verlieren.
Heiko Maas
Heiko Maas ist Außenminister. Das ist einer der besten Jobs, die im politischen Betrieb in Deutschland zu vergeben sind: Die internationale Bühne ist ein Garant für gute Beliebtheitswerte im Inland. Da spricht eigentlich wenig dafür, sich das eigene Leben zu vergällen, indem man sich den Parteivorsitz aufhalst. Es sei denn, man weiß nicht, wie lange man noch Außenminister ist – weil das Regierungsbündnis platzen könnte. Maas ist erst 52 Jahre alt. Es wäre unnatürlich, wenn er über eine Bewerbung für den Parteivorsitz nicht zumindest nachzudenken würde.
Lars Klingbeil
Der SPD-Generalsekretär bringt viel politische Erfahrung mit, ist aber mit seinen 41 Jahren jung genug, um für einen Neuanfang zu stehen. Er hat bei der vergangenen Bundestagswahl – trotz des bitteren Abwärtstrends der SPD – seinen ländlich geprägten, konservativen Wahlkreis in Niedersachsen der CDU abgejagt. Vor dem Mitgliederentscheid über die große Koalition warb er intensiv für das Regierungsbündnis, diskutierte dabei aber stets freundschaftlich und fair mit Juso-Chef Kevin Kühnert. Er ist redegewandt und schlagfertig – in der SPD wird ihm noch viel zugetraut. Für den Niedersachsen dürfte eine Kandidatur aber nur in Frage kommen, wenn Ministerpräsident Stephan Weil nicht antritt.
Simone Lange
Die Flensburger Oberbürgermeisterin hat schon mal gezeigt, dass sie mindestens für einen Achtungserfolg gut ist. Im vergangenen Jahr kandidierte sie gegen Andrea Nahles für das Amt der Parteivorsitzenden. Während sie in ihrem selbst organisierten Wahlkampf für das Parteiamt oft eine Stunde lang frei und überzeugend vor Mitgliedern sprach, legte sie beim Parteitag in Wiesbaden dann einen schwachen Auftritt hin. Dennoch erhielt sie 27,6 Prozent der Stimmen. Lange hat signalisiert, dass sie bereit wäre anzutreten – aber auch, dass sie es nicht tun muss. Tenor: Es gehe nicht um sie, sondern um die Erneuerung der SPD. „Ich würde mich sehr freuen, wenn Kevin Kühnert kandidiert“, hat sie dem „Spiegel“ gesagt.
Die Unbekannten
Dieses Mal ist das Spiel wirklich offen. Das lässt – wenn das Verfahren erst einmal feststeht – Raum für alle möglichen unerwarteten Kandidaturen. Gerade bei den Frauen ist das Feld der bislang gehandelten potenziellen Bewerber kleiner als das bei den Männern. Wer zum Beispiel könnte eine Stimme für den Osten sein, nachdem Manuela Schwesig nicht für den Parteivorsitz kandidieren möchte? Spätestens, wenn der SPD-Vorstand am Montag das Verfahren beschlossen hat, heißt es: Es werden Mutige gesucht.
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Von Tobias Peter/RND