Steinmeier in Hanau: Vor dem Terror kam die geistige Brandstiftung
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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht bei der Gedenkfeier für die Opfer des Anschlags von Hanau im Congress Park Hanau (CPH).
© Quelle: Kai Pfaffenbach/Reuters-Pool/dpa
Hanau. Zwei Wochen nach den rassistischen Morden von Hanau hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an die Opfer erinnert. Bei der Trauerfeier im Congress Park der Stadt nannte er jeden einzelnen der Getöteten beim Namen, auch die Mutter des Attentäters.
“Wir sind alle erschüttert über ein terroristisches Verbrechen, einen brutalen Akt mörderischer Gewalt”, sagte er am Mittwochabend laut vorab verbreitetem Redemanuskript. In die Trauer und Wut mische sich aber auch Entschlossenheit: “Wir stehen zusammen. Wir halten zusammen. Denn wir wollen zusammen leben.”
Merkel unter Gästen bei Trauerfeier in Hanau
In der südhessischen Stadt wurden am Abend knapp 700 geladene Gäste zu der zentralen Trauerfeier erwartet, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Die Tat vom 19. Februar sei ein Anschlag auf “unser Grundverständnis von Zusammenleben” gewesen, hob der Bundespräsident hervor. Jeder Mensch habe die gleiche Würde und die gleichen Rechte. Es gebe keine Bürger zweiter Klasse, keine Abstufungen im Deutschsein.
Die Tat sei auch ein Anschlag auf die Freiheit und auf den gesellschaftlichen Frieden gewesen, unterstrich Steinmeier. Wer den Einzelnen nur noch als Teil einer Gruppe sehe, befördere die Spaltung zwischen "uns" und "denen", sagte Steinmeier. Aus Mitbürgern würden erst Fremde und dann Feinde gemacht. Am Ende stehe die Gewalt.
Steinmeier: Deutschland hat ein Problem mit Rassismus und Muslimfeindlichkeit
Der Anschlag hat nach Überzeugung des Bundespräsidenten aber auch eine Vorgeschichte der Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen mit Migrationsbiografien, "eine Vorgeschichte geistiger Brandstiftung und Stimmungsmache, eine Vorgeschichte des Hasses, die sich in den sogenannten sozialen Medien, aber längst nicht nur da, schonungslos über seine Opfer ergießt". In einem solchen Klima fühlten sich Terroristen gerechtfertigt zu morden, sagte Steinmeier.
In Deutschland gebe es Rassismus und Muslimfeindlichkeit, und das nicht erst seit einigen Wochen, betonte der Bundespräsident. Die Opfer dieser Diskriminierungen und Übergriffe hätten ein Recht darauf, dass ihre Mitbürger "Anteil nehmen, lernen, unterstützen, widersprechen und eingreifen". Und sie hätten ein Recht darauf, dass der Staat hinsehe, verfolge und bestrafe.
“Die Mehrheit darf nicht schweigen”
Er sei zwar sicher, dass die “ganz große Mehrheit” im Land gegen Ausgrenzung und Ressentiments, gegen Hass und Gewalt sei, fügte Steinmeier hinzu. Sie dürfe aber nicht schweigen, sondern müsse sich immer wieder zeigen, “im Verein, im Stammtisch, im Fußballstadion”. Demokratie und Grundwerte seien ohne das aktive Mitwirken aller gefährdet.
In den späten Abendstunden des 19. Februar waren in der südhessischen Stadt Hanau mit ihren rund 96.000 Einwohnern neun Menschen mit ausländischen Wurzeln Opfer eines rassistisch motivierten Anschlags geworden. Danach wurden der Täter Tobias R. und dessen Mutter tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Der Generalbundesanwalt sprach von einer "zutiefst rassistischen Gesinnung" des Täters.
RND/epd