Ampelstimmung auf dem Tiefpunkt: Worum es heute beim Koalitionsausschuss geht
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Streitthemen gibt es genügend: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gemeinsam mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP).
© Quelle: picture alliance / Flashpic
Berlin. Über einen Vergleich mit der schwarz-gelben Bundesregierung, deren Spitzen sich einst „Gurkentruppe“ oder „Wildsau“ an den Kopf warfen, wird in der Ampelkoalition nur müde gelächelt. „Es ist noch viel schlimmer, weil es wirklich um Fundamentales geht“, heißt es in Koalitionskreisen. Die Wutrede von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in einem TV-Interview, bei der er nicht namentlich genannten Koalitionspartnern einen gezielten Vertrauensbruch und eine Blockadepolitik vorwarf, war der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die sich über Monate zugespitzt hat.
Am Sonntagabend wollen die drei Partner versuchen, im Koalitionsausschuss die Wogen zu glätten und Kompromisse zu suchen. Zuvor waren versöhnliche Töne zu hören: „Es ist wichtig, das Gemeinsame und nicht das Trennende zu betonen. Und da lohnt sich der Blick auf das, was wir bereits gemeinsam gestemmt haben“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Worüber in der Koalition im Einzelnen gestritten wird:
Der Haushalt: Wie wird die Lücke geschlossen?
Um die Schuldenbremse auch 2024 einhalten zu können, muss nach Angaben des Bundesfinanzministeriums noch eine „Deckungslücke“ von bis zu 18 Milliarden Euro gefüllt werden. Zwar steigen die Steuereinnahmen um rund 18 Milliarden Euro, weil die Inflation weiter hoch ist und der befürchtete Wirtschaftseinbruch ausfällt. Gleichzeitig hat die Koalition aber erhebliche Mehrausgaben beschlossen, etwa das Bürgergeld und die Wohngeldreform (6 Milliarden Euro).
Dazu kommen steigende Zinsausgaben und höhere Personalausgaben durch die Tarifrunde, was sich nach Schätzung des Ministeriums auf bis zu 14 Milliarden Euro summieren könnte. Wie die Lücke geschlossen werden kann, ist offen. Der Steuerzahlerbund fordert, alle Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen. „Anstatt nach neuen Finanzierungsquellen – ob Steuern, Abgaben oder Schulden – zu suchen, brauchen wir eine Großinventur der Ausgaben“, sagte Verbandspräsident Reiner Holznagel dem RND.
Die Steuern: Wo Lindner auf der Bremse steht
Die Grünen wollen durchsetzen, dass – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – „überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche Subventionen und Ausgaben“ abgebaut werden. Bei Steuervorteilen steht Finanzminister Christian Lindner (FDP) aber auf der Bremse. Er betrachtet jede Streichung grundsätzlich als Steuererhöhung, die er ausschließt.
Der Finanzminister plant wiederum massive Steuererleichterungen und Investitionshilfen für Unternehmen, was SPD und Grüne skeptisch sehen.
Kindergrundsicherung: Gibt es mehr Geld für Paus?
Hier geht es zwar erst um die Zeit ab 2025, doch zusammen mit dem Haushalt 2024 wird auch die Etatplanung für die darauffolgenden Jahre festgezurrt. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) reklamiert Mehrausgaben von 12 Milliarden Euro für die Zusammenfassung und Anhebung aller staatlichen Leistungen für Kinder, Lindner will dagegen eine weitgehend kostenneutrale Umstellung.
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Planungsbeschleunigung: Die FDP will erreichen, dass auch neue Straßen und Autobahnen schneller gebaut werden dürfen. Die Grünen lehnen das ab, die SPD neigt zur Haltung der Liberalen.
Pflege: Was passiert mit der Pflegeversicherung?
Die Pflegeversicherung schreibt tiefrote Zahlen. SPD und Grüne berufen sich auf den Koalitionsvertrag, in dem vereinbart ist, dass sogenannte versicherungsfremde Leistungen aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Das sind zum Beispiel die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige in einem Umfang von 3 Milliarden Euro. Lindner lehnt das aber ab.
Vor dem für Mittwoch geplanten Kabinettsbeschluss über eine Pflegereform, die Leistungsverbesserungen in einem nur bescheidenen Umfang vorsieht, wollen SPD und Grüne versuchen, doch noch mehr Geld beim Finanzminister herauszuschlagen.
Wärmewende: kein Thema beim Koalitionsausschuss?
Nach dem Eklat um ein mögliches Installationsverbot für neue Gasheizungen im kommenden Jahr sind die Ampelparteien erkennbar bemüht, das leidige Thema möglichst geräuschlos abzuräumen. Bei einem Treffen auf Ebene der Staatssekretäre sollen sich die beteiligten Ministerien am Mittwoch so weit angenähert haben, dass eine Einigung noch an diesem Wochenende erreichbar scheint – und zwar ohne Eingreifen der Chefs.
Es sei das gemeinsame Ziel, das Thema aus dem Koalitionsausschuss herauszuhalten, erfuhr das RND. Teilnehmer bestätigten, dass eine Abwrackprämie für alte Öl- und Gasheizungen geplant sei. Dabei gehe es aber nur um Geräte, die das Ende ihrer Lebensdauer erreicht hätten. Eine „Verschrottungsorgie“ wie bei der Abwrackprämie für Autos nach der Finanzkrise 2009 wolle man vermeiden. An Details werde gearbeitet. Bewegung zeichnet sich auch in der Frage ab, ab wann das Installationsverbot für neue Öl- und Gasheizungen greifen soll. Der Koalitionsvertrag sah 2025 als Starttermin vor, im vergangenen Frühjahr hatte ein Koalitionsausschusses ein Vorziehen auf Anfang 2024 beschlossen, wogegen sich die FDP nun stellt. Nach RND-Informationen ist jetzt ein Termin „im Laufe“ des Jahres 2024 die wahrscheinlichste Option.