Streit über Schulpolitik: Erdbeben in der Hochburg des linken Protests

Unruhe unter dem Asphalt: Im liberalen San Francisco entlädt sich der Frust über eine zu linke Politik mancher Demokraten.

Unruhe unter dem Asphalt: Im liberalen San Francisco entlädt sich der Frust über eine zu linke Politik mancher Demokraten.

Washington. Der letzte republikanische Bürgermeister räumte 1964 seinen Schreibtisch aus. Seither wird die Stadt von Demokraten regiert. Präsident Joe Biden wurde hier mit 85 Prozent der Stimmen gewählt. Mit seinen Antikriegsprotesten, der Liberalisierung des Marihuanakonsums, der liberalen Abtreibungspolitik und einer starken Schwulenbewegung ist San Francisco seit vielen Jahrzehnten das progressive Zentrum der USA.

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Gegen Rassismus, Krieg und sexuelle Diskriminierung: Seit den 1960er Jahren ist San Francisco ein Zentrum der linken Protestbewegung. Doch jetzt wird es den Bürgern zu viel.

Gegen Rassismus, Krieg und sexuelle Diskriminierung: Seit den 1960er Jahren ist San Francisco ein Zentrum der linken Protestbewegung. Doch jetzt wird es den Bürgern zu viel.

Doch nun sorgt ein bemerkenswerter Bürgerentscheid in der liberalen Westküstenmetropole landesweit für Aufsehen: Mit mehr als 70 Prozent haben die Einwohner von San Francisco drei linke Mitglieder der Schulaufsicht gefeuert, nachdem diese ein Drittel aller Schulen umbenennen und Aufnahmeprüfungen bei einer renommierten Schule abschaffen wollte.

Die „New York Times“ spricht von einem „Erdbeben“, das weit über den lokalen Anlass hinausweist. Tatsächlich illustriert der Vorgang eine zunehmende Entfremdung demokratischer Wähler von dem Kurs, den radikal „woke“ Politiker der Partei im Kampf um soziale Gerechtigkeit und gegen Diskriminierung eingeschlagen haben.

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Widerstand auch gegen Auflösung der Polizeibehörde

Im Vorfeld der Kongress-Zwischenwahlen in diesem Herbst, bei dem die Demokraten um ihre Mehrheiten fürchten müssen, hat es verschiedene Anzeichen gegeben, dass die Wählerbasis der Partei keineswegs so links ist, wie es die Anhänger von Identitätspolitik und Antirassismuskampagnen glauben.

So lehnten die Einwohner der linken Stadt Minneapolis, wo der Afroamerikaner George Floyd von einem weißen Polizisten getötet wurde, die Abschaffung der Polizeibehörde ab, wie sie von der Black-Lives-Matter-Bewegung gefordert worden war. Im demokratischen Seattle wurde eine Distriktstaatsanwältin gewählt, die sich von den Demokraten wegen deren Linkskurses abgewandt hatte. Und in New York setzte sich mit Eric Adams ein moderater afroamerikanischer Bürgermeister durch, der vor allem gegen die Kriminalität vorgehen will.

Die Absetzung der linken Bildungskommission in San Francisco lenkt den Blick nun auf jenen Ort, wo derzeit die härtesten gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in den USA toben: die Schulen. Über die basisdemokratisch besetzten „School Boards“, die Lehrpläne ebenso wie das Budget und Personalentscheidungen genehmigen müssen, haben die amerikanischen Eltern einen relativ großen Einfluss auf die Erziehung.

Während progressive „School Boards“ soziale und ethnische Ungleichheiten abbauen wollen, machen rechte Gruppen seit Längerem lautstark Stimmung gegen die angebliche Indoktrination der Kinder mit antirassistischen Lehren und wollen gar kritische Autoren von der Lektüreliste verbannen.

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Eine Million Dollar für Symbolaktion bei geschlossenen Schulen

Jenseits dieses rechten Kulturkampfes gibt es jedoch auch im liberalen Bürgertum ein zunehmendes Unbehagen über manche Auswüchse des „woken“ linken Aktivismus. So hatte das „School Board“ in San Francisco mitten in der Corona-Pandemie beschlossen, 44 Schulen umzubenennen, deren Namen angeblich rassistische Bezüge hatten. Die Recherche dazu erfolgte teilweise per Wikipedia.

Auf diese Weise kamen Präsident Abraham Lincoln, Senatorin Dianne Feinstein und der Dichter James Russell Lowell, ein Gegner der Sklaverei, ebenso auf die absurde Bann-Liste wie die Alamo-Grundschule, die keineswegs nach der Schlacht in Texas, sondern einem Baum benannt ist. Gabriele López, die Vorsitzende des „School Boards“, verteidigte selbst solche Fehler mit dem Argument, auf diese Weise würden „diverse Perspektiven und Erfahrungen berücksichtigt, die sonst oft ausgeschlossen sind“.

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Für besonderen Ärger in der Bevölkerung sorgte, dass die mindestens eine Million Dollar teure Umbenennungsaktion mitten in der Corona-Pandemie durchgeführt werden sollte, während viele Eltern unter den Folgen des virtuellen Unterrichts litten und die Kommission keine Vorbereitungen zur Wiedereröffnung der Schulen unternahm.

Auf massiven Widerstand vor allem der asiatisch-stämmigen Bevölkerung von San Francisco, die sich durch frühere Tweets der linksaktivistischen Vizevorsitzenden Allison Collins ohnehin beleidigt fühlte, stieß zudem der Plan, den Zugang zu einer renommierten öffentlichen Schule nicht mehr über Noten und Tests, sondern mit einer Lotterie zu regeln.

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Das alles befeuerte das Bürgerbegehren für die Ablösung von López, Collins und eines weiteren Mitglieds des siebenköpfigen School Boards. Obwohl der Plan zur Schul-Umbenennung angesichts des Protests aufgegeben wurde, unterstützte auch San Franciscos afro-amerikanische Bürgermeisterin London Breed den Rausschmiss der Aktivisten: „Es wird Zeit, dass wir uns wieder auf die Kernaufgabe konzentrieren, gute Bildung für die Schüler bereitzustellen.“ Sie will nun drei moderatere Nachfolger benennen.

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