Studie: Teile der politischen Mitte sind offen für rechten Populismus

Eine "Querdenken"-Demonstration in Stuttgart: Teile der politischen Mitte sind laut einer aktuellen Studie anfällig für Rechtspopulismus.

Eine "Querdenken"-Demonstration in Stuttgart: Teile der politischen Mitte sind laut einer aktuellen Studie anfällig für Rechtspopulismus.

Berlin. Eine große Mehrheit der Deutschen vertraut in die Demokratie und fordert mehr Engagement für eine offene und vielfältige Gesellschaft.

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Zu dem Schluss kommt eine am Dienstag in Berlin vorgestellte Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Universität Bielefeld.

Die Forscherinnen und Forscher warnen jedoch, dass Teile der politischen Mitte in Deutschland anschlussfähig für einen antidemokratischen Populismus seien, der zum Einfallstor für Rechtsextremismus werde. Bei immer mehr Menschen weiche etwa die klare Ablehnung von Antisemitismus auf.

Die politische Mitte sei gefordert, sich nicht nur gegen Rechtsextremismus und offenen Hass zu stellen, sondern auch gegen demokratiegefährdende Haltungen in ihren eigenen Reihen Position zu beziehen, schlussfolgern die Autorinnen und Autoren der Studie. Die Studie „Die geforderte Mitte“ ist Teil einer seit 2006 im Zweijahresrhythmus veröffentlichten Studienreihe über rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in der Mitte der deutschen Gesellschaft.

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Dafür wurden vergangenen Dezember und Januar 1750 repräsentativ ausgewählte Personen befragt.

Zweifel an der Demokratie

Mehr als jede fünfte befragte Person zweifelt demnach daran, dass die Demokratie zu sachgerechten Entscheidungen führt. 16 Prozent glauben, Deutschland gleiche „inzwischen mehr einer Diktatur als einer Demokratie“.

Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer wurden auch gefragt, ob sie darauf vertrauen, „dass die Wahlen in Deutschland alles in allem korrekt durchgeführt werden.“ Zwei Drittel der Befragten stimmten dem uneingeschränkt zu. Weitere 21 Prozent vertrauen zumindest eher in den Wahlprozess. Fast acht Prozent haben zumindest Zweifel und fast sechs Prozent vertrauen eher nicht oder gar nicht in die korrekte Durchführung der Wahlen. Ein extremes Misstrauen in den Wahlprozess gibt es demnach jedoch bei Nichtwählerinnen und Nichtwählern, so wie bei AfD-Wählerinnen und -Wählern. Die Hälfte derer, die gar kein Vertrauen in die Wahlen haben, sind Nichtwähler, gefolgt von mehr als 26 Prozent, die die AfD wählen würden.

Etwa 20 Prozent der Befragten der Studie meinen darüber hinaus, es würde zu viel Rücksicht auf Minderheiten genommen und gut ein Viertel stimmt der Aussage „im nationalen Interesse können wir nicht allen die gleichen Rechten gewähren“ zu. Mehr als ein Viertel glaubt, „die Parteien betrügen das Volk“.

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Wer für einen elitenkritischen Populismus anfällig ist, werte auch eher soziale Minderheiten wie Sinti und Roma, Asylsuchende und Muslime ab und tendiere zur Ablehnung von Gleichstellungsmaßnahmen, beobachten die Studienautorinnen und -autoren.

Insgesamt neigen demnach 25 Prozent der Befragten zu Populismus, 13 Prozent zu Rechtspopulismus. In Ostdeutschland sind die Werte dabei deutlich höher als in Westdeutschland. Jede fünfte Person halte es außerdem für sinnlos, sich politisch zu engagieren.

Mehrheit sieht Rechtsextremismus als große Bedrohung

Eindeutig rechtsextreme Einstellungen werden der Studie zufolge jedoch vom überwältigenden Großteil der Gesellschaft abgelehnt. Nur ein sehr kleiner Teil habe ein „geschlossen rechtsextremes Weltbild“. Vor allem die Verbreitung von Fremdenfeindlichkeit sei deutlich gesunken.

Eine Mehrheit sieht die Gesellschaft außerdem durch Rechtsextremismus bedroht. Fast 70 Prozent der Befragten sehen ihn als große Herausforderung für Deutschland – noch knapp vor dem Klimawandel und gefolgt von Sozialer Spaltung und der Corona-Pandemie. Zuwanderung sieht nur noch ein Viertel der Bevölkerung als große Bedrohung.

Sozialdarwinistische Einstellungen nehmen der Studie zufolge jedoch zu: So stimmen mehr als 16 Prozent der Befragten der Aussage, es gebe „wertvolles und unwertes Leben“, ganz oder zumindest teilweise zu.

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Gegner der Corona-Maßnahmen haben ein Podest aufgebaut und daran Transparente mit ihren Parolen aufgehängt.

Gegner der Corona-Maßnahmen haben ein Podest aufgebaut und daran Transparente mit ihren Parolen aufgehängt.

Großer Graubereich

Die Forschenden weisen außerdem darauf hin, dass es in vielen Fragen, die auf eine rechtsextreme Gesinnung hindeuten, einen großen Graubereich gebe. Wenn es um die Befürwortung einer Diktatur oder die Billigung von Gewalt geht, sind mehr als 10 Prozent der Befragten „unentschlossen“, beim Thema Fremdenfeindlichkeit sogar über 20 Prozent.

Antisemitische Einstellungen haben laut den Erkenntnissen der Studie zwar nicht insgesamt, aber doch in manchen Facetten zugenommen. „Was wir erkennen können, ist ein Aufweichen der klaren Ablehnung von Antisemitismus“, sagte die Psychologin und Sozialarbeits-Professorin Beate Küpper bei der Studienvorstellung in Berlin.

Etwa jeder Fünfte lehnt demnach klassische antisemitische Verschwörungsmythen nicht klar ab. Hohe Zustimmung gibt es auch zu der Aussage, „bei der Politik, die Israel macht, kann ich gut verstehen, dass man etwas gegen Juden hat“.

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AfD-Wähler glauben besonders oft an Verschwörungsmythen

Die Studie betrachtete auch die Zustimmung zu Verschwörungserzählungen und legt in diesem Jahr ein besonderes Augenmerk auf die Corona-Pandemie. Dabei gelangen die Autorinnen und Autoren zu einem überraschenden Befund: Im Vergleich zur letzten Erhebung im Jahr 2018 habe die Zustimmung zu Verschwörungsmythen abgenommen.

Etwas mehr als 20 Prozent der Befragten glauben, dass Politiker und Führungspersönlichkeiten „nur Marionetten der dahinterstehenden Mächte“ sind. Ein weiteres Viertel der Befragten zeigte sich in dieser Frage unentschlossen.

24 Prozent der Befragten stimmen außerdem der Aussage zu, Medien und Politik steckten unter einer Decke. Auch hier stimmten weitere 23 Prozent mit „teils/teils“. 17 Prozent glauben voll und ganz oder teilweise, die Corona-Pandemie werde genutzt, um Zwangsimpfungen einzuführen, rund 10 Prozent machen „geheime Mächte“ für die Pandemie verantwortlich.

Besonders hoch sei die Zustimmung zu Verschwörungsmythen bei Wählerinnen und Wählern der AfD, erklärte Beate Küpper.

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Die Studie zeigt jedoch auch erneut: Eine große Mehrheit der Bevölkerung lehnt die Corona-Proteste ab, nur ein kleiner Teil findet die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen gut. Besonders hoch sei Zustimmung zu den Protesten bei Menschen, die auch sonst populistische Einstellungen vertreten, sagte Andreas Zick, Direktor des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung und Autor der Mitte-Studie.

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