Ein Terrorprozess ohne Täter

Wie Frankreich das Attentat von Nizza verhandelt

Menschen haben Blumen und Kerzen nach dem Anschlag an der Promenade des Anglais niedergelegt, bei der der Attentäter mit einem LKW in die Menschenmenge gafahren war. 86 Menschen starben, darunter zwei Schülerinnen und eine Lehrerin aus Berlin. Nun beginnt in Paris der Prozess gegen acht mutmaßliche Unterstützer.

Menschen haben Blumen und Kerzen nach dem Anschlag an der Promenade des Anglais niedergelegt, bei der der Attentäter mit einem LKW in die Menschenmenge gafahren war. 86 Menschen starben, darunter zwei Schülerinnen und eine Lehrerin aus Berlin. Nun beginnt in Paris der Prozess gegen acht mutmaßliche Unterstützer.

Die Polizisten, Einsatzwagen und Sicherheitsabsperrungen vor dem altehrwürdigen Justizpalast auf der Seine-Insel Île de la Cité sind zurück. Zehn Monate lang erlebten Paris-Besucherinnen und ‑Besucher sowie ‑Bewohnerinnen und ‑Bewohner das große Sicherheitsaufgebot am Rande des Prozesses um die Terroranschläge vom 13. November 2015.

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Zwei Monate nach dessen Ende begannen am Montag die Verhandlungen um ein weiteres Attentat, das das Land zutiefst erschüttert hat: Am 14. Juli 2016, dem französischen Nationalfeiertag, war der 31-jährige Tunesier Mohamed Lahouaiej Bouhlel mit einem 19-Tonnen-Laster auf die Strandpromenade in Nizza in die Menge gerast, tötete 86 Menschen und verletzte mehr als 450.

Prozessbeginn sechs Jahre nach Nizza-Attentat

Am französischen Nationalfeiertag 2016 hatte ein Attentäter mit einem Lastwagen 86 Menschen getötet.

Gestartet war der Täter unmittelbar nach dem traditionellen Feuerwerk an jenem Festtag, das knapp 30.000 Menschen zu der Promenade gelockt hatte. Vier Minuten und 17 Sekunden nach Beginn der mörderischen Fahrt konnten Polizisten den Lastwagen stoppen und den bewaffneten Täter erschießen. Das älteste Todesopfer, der Italiener Mario Casati, war 92, das jüngste die zweijährige Léana Sahraoui. Zwei Tage später bekannte sich die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) zu der Tat, ohne dass sich vorherige Kontakte mit dem Täter nachweisen ließen.

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Der Täter ist tot – 865 Nebenkläger am Prozess beteiligt

Er ist nicht mehr da, um sich für seine Gräueltat zu verantworten und den 865 Nebenklägern gegenüberzustehen, die Nahestehende verloren haben oder die von jenem Abend Verletzungen und schwere Traumata davontrugen. Angeklagt sind acht Personen, davon einer in Abwesenheit, der damals floh und inzwischen in Tunesien inhaftiert ist. Sie sollen Lahouaiej Bouhlel mit der Lieferung von Waffen oder beim Mieten des Lasters unterstützt haben.

Drei von ihnen wirft die Staatsanwaltschaft vor, von dessen „Faszination für Gewalttaten“ und von seinen konkreten Plänen gewusst zu haben, ohne selbst als Komplizinnen und Komplizen oder als radikalisiert zu gelten. Ihnen drohen Gefängnisstrafen zwischen 20 Jahren und lebenslänglich. Bei vier der Angeklagten handelt es sich um Albaner, unter ihnen eine Frau, über die Lahouaiej Bouhlel Waffen bezog. Persönlich gekannt hatten sie ihn nicht. Ihnen drohen Strafen von bis zu zehn Jahren Haft.

15.07.2016, Frankreich, Nizza: Ermittler arbeiten am Tatort an der Promenade des Anglais, nachdem der Attentäter beim Anschlag am Nationalfeiertag mit einem LKW in eine Menschenmenge gerast war. 86 Menschen starben, darunter zwei Schülerinnen und eine Lehrerin aus Berlin. Nun beginnt in Paris der Prozess gegen acht mutmaßliche Unterstützer.

15.07.2016, Frankreich, Nizza: Ermittler arbeiten am Tatort an der Promenade des Anglais, nachdem der Attentäter beim Anschlag am Nationalfeiertag mit einem LKW in eine Menschenmenge gerast war. 86 Menschen starben, darunter zwei Schülerinnen und eine Lehrerin aus Berlin. Nun beginnt in Paris der Prozess gegen acht mutmaßliche Unterstützer.

Im Vorfeld des Prozesses warnte einer der Anwälte der Verteidigung, William Bourdon, davor, seinem Mandanten „die Last der Abwesenheit des Haupttäters aufzuladen“. Unmittelbar vor seiner Todesfahrt hatte Lahouaiej Bouhlel an einen der Angeklagten eine Nachricht mit Bitte nach mehr Pistolen, der Adresse des albanischen Paars, das mit Waffen handelte, und weiteren Namen von Personen aus seinem Umfeld geschickt. Setzte er die Ermittler bewusst auf die Spur seiner Freunde? Auch fotografierte er diese einige Tage vor dem 14. Juli teilweise heimlich in dem Laster. Doch wussten sie, zu welchem Zweck er ihn gemietet hatte? Zum Auftakt zeigten sich die Männer gestern bereit, auf die Fragen der Justiz zu antworten.

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Mit dem Lufttaxi über Paris?

Nordwestlich der französischen Hauptstadt entsteht zurzeit ein erster Vertiport für Starts und Landungen elektrisch betriebener Kleinflugzeuge – langfristig wollen die Betreiber eine Infrastruktur für eine neue Alternative der Fortbewegung in der Luft aufbauen.

Eine Gerichtsverhandlung könne nichts wiedergutmachen, sagt ein Opferanwalt

Mohamed Lahouaiej Bouhlel wurde als psychisch labil, brutal, ja pervers beschrieben, seine Ex-Frau und Mutter der drei gemeinsamen Kinder bezeichnete ihn als „Monster“. Den Lastwagen lenkte er Zeugenaussagen zufolge bewusst auf Kinder, Familien sowie Seniorinnen und Senioren.

Eine Gerichtsverhandlung könne nichts wiedergutmachen, warnte Antoine Casubolo Ferro, der Anwalt von neun Opfern: „Sie leben mit den Narben und ihrem Schmerz. Ein Prozess hilft lediglich, Menschen, die für immer verletzt sind, zu stützen.“ Mehr als 2500 Betroffene wurden inzwischen von einem speziellen Fonds entschädigt.

Polizeibeamte bewachen das Gerichtsgebäude vor Beginn des Prozesses gegen die Anschläge von Nizza. Acht Verdächtige werden im Zusammenhang mit dem LKW-Anschlag in Nizza am Bastille-Tag 2016, bei dem 86 Menschen starben, vor Gericht stehen.

Polizeibeamte bewachen das Gerichtsgebäude vor Beginn des Prozesses gegen die Anschläge von Nizza. Acht Verdächtige werden im Zusammenhang mit dem LKW-Anschlag in Nizza am Bastille-Tag 2016, bei dem 86 Menschen starben, vor Gericht stehen.

Terrorprozesse finden in Frankreich seit 1986 grundsätzlich in Paris statt, doch die Verhandlungen werden zugleich in ein Kongresszentrum in Nizza übertragen. Mehr als die Hälfte der Nebenkläger stammt aus der Region an der Côte d‘Azur. Rund 250 von ihnen wollen aussagen. Als Zeuginnen und Zeugen geladen sind darüber hinaus auch der damalige Staatspräsident und Innenminister, François Hollande und Bernard Cazeneuve. Die Urteile werden am 16. Dezember erwartet.

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