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Trump entfacht neuen Konflikt um Jerusalem

Ein Blick auf die Altstadt Jerusalems.

Ein Blick auf die Altstadt Jerusalems.

Washington. Die Aufregung um Trumps Ankündigung ist groß. Dabei hatte bisher jeder US-Präsident seit Bill Clinton die Umsetzung des Kongress-Votums im Wahlkampf versprochen – und aus Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Palästinensischen Autonomiebehörde und den muslimisch geprägten Regierungen in der Region den Umzug der Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem jeweils halbjährlich per Präsidial-Dekret zurückgestellt. Mit dieser Strategie will Trump nun augenscheinlich brechen.

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Ist das Vorhaben des US-Präsidenten, der sich am Mittwoch um 19 Uhr deutscher Zeit erklären möchte, wirklich ein außenpolitischer Amoklauf, wie die Terrororganisation Hamas und die Fatah, die palästinensische Regierungspartei, behaupten? Beide Organisationen haben bis heute Israels Existenzrecht nicht anerkannt.

Erdogan droht mit Abbruch der diplomatischen Beziehungen

Unterschiedliche Vertreter der Palästinenser haben zu drei „Tagen des Zorns“ und Protesten vor US-Einrichtungen aufgerufen, die am Mittwoch beginnen sollen. Von Seiten der israelischen Regierung gab es bisher keine offizielle Reaktion auf die Ankündigung der Trump-Rede.

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Dem Schritt, die Botschaft zu verlegen und damit Jerusalem als Hauptstadt anzuerkennen, steht UNO-Generalsekretär Antonio Guterres ablehnend gegenüber: Er habe „nachdrücklich vor einseitigen Aktionen gewarnt, die das Potenzial hätten, eine Zwei-Staaten-Lösung zu unterlaufen“, sagte Guterres-Sprecher Stéphane Dujarric. Protest gegen die Ankündigung kommt naturgemäß auch von Mahmoud Abbas, dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, den Trump vorab von seinem Vorhaben informiert haben soll. Dessen Sprecher, Nabil Abu Rudeina, sagte nach dem Telefonat, „Abbas warne vor den gefährlichen Konsequenzen, die eine solche Entscheidung für den Friedensprozess haben werde“.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan drohte sogar mit einem erneuten Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Israel, sollten die USA Jerusalem als Hauptstadt des Landes anerkennen. „Herr Trump, Jerusalem ist die rote Linie der Muslime.“

Jerusalem ist allen drei Weltreligionen heilig

Für das Judentum birgt die Stadt mit dem Kotel, der Klagemauer, das höchste Heiligtum, das letzte Fragment des zweiten Tempels. Doch erst nach der Eroberung Ost-Jerusalems durch Israels Truppen im Sechstagekrieg im Juni 1967 wurde gewährleistet, dass alle Religionen – Christentum, Islam und Judentum – Zugang zu ihren heiligen Stätten erhielten. Die jordanische Besatzung, die 1967 ihr Ende nahm, hatte das bis dahin verhindert. Für die Juden weltweit und insbesondere für die Israelis ist die Wiedervereinigung der Stadt, die „Befreiung“, von hoher Symbolkraft.

Kurz nach der Einnahme des Tempelbergs 1967 entschloss sich Israel allerdings, die Verwaltung der muslimischen Stätten wieder abzugeben. Seitdem gibt es immer wieder Auseinandersetzungen, weil die zuständige jordanische Behörde Juden den Zugang zum Tempelberg verwehrt und Ultrareligiöse beider Seiten sich beständig provozieren.

Ein avisierter Umzug der US-Botschaft nach West-Jerusalem – das übrigens 2017 von Russland als Israels Hauptstadt anerkannt wurde – sehen nicht alle als Ende der Zwei-Staaten-Lösung. Befürworter des Anerkennung werten die Anerkennung als diplomatisches Faustpfand in der Hand der Amerikaner, Hamas und Fatah endlich zur Anerkennung Israels zu bringen. Die beharren ihrerseits stur darauf, Jerusalem – und nicht nur der Osten – sei die Hauptstadt eines künftigen Staates Palästina.

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Scharfe Reaktion von Sigmar Gabriel

Scharf reagiert der geschäftsführende deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD): „Eine ganze Reihe von Mitgliedstaaten haben ihrer Sorge Ausdruck verliehen, und das gilt auch für uns, dass die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels nicht einen Konflikt beruhigt, sondern eher ihn noch einmal anheizt“, sagte der SPD-Politiker nach einem EU-Treffen mit US-Außenminister Rex Tillerson in Brüssel. In der Europäischen Union seien viele „der strikten Überzeugung“, dass eine Zwei-Staaten-Lösung das Ziel bleiben müsse. „Also eines gesicherten Israels, aber eben auch eines unabhängigen lebensfähigen palästinensischen Staates“, sagte Gabriel.

Dem entgegnet der deutsch-israelische Historiker Michael Wolffsohn, der Plan einer Verlegung der US-Botschaft nach West-Jerusalem wäre letztlich nichts weiter als eine Anerkennung politischer Tatsachen. Wolffsohn sagte der „Heilbronner Stimme“: „Man stelle sich vor, dass einzelne Staaten oder gar die sogenannte Internationale Gemeinschaft beschlösse, Bonn oder Garmisch-Partenkirchen und nicht Berlin sei Deutschlands Hauptstadt. Man könnte Präsident Erdogan auch mitteilen, er habe Istanbul als Hauptstadt der Türkei anzuerkennen. Absurd. Soll gegenüber Israel diese Absurdität gelten?“

Wolffsohn sagte weiter: „Über den Status von Ost-Jerusalem kann man debattieren, nicht über West-Jerusalem. Wenn überhaupt, verlegen die USA ihre Botschaft nach West-Jerusalem. Sie erkennen damit den Tatsachencharakter der Tatsachen an. Bezüglich der Ostpolitik von Willy Brandt galt das zurecht als Tugend. Gegenüber den USA und Israel soll das nun nicht gelten? Die Aufregung über eine Verlegung der US-Botschaft nach West-Jerusalem wird kommen. Sie wird auch vergehen, schnell vergehen. Wer Tatsachen nicht anerkennt, ist friedensunfähig.“

Von Daniel Killy/RND

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