„Trump soll gehen, der Anlass ist zweitrangig“
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© Quelle: AP
Washington. Die Medienaufmerksamkeit hätte kaum größer sein können: US-Fernsehsender unterbrachen ihre regulären Programme wegen der Live-Übertragung des US-Senatsausschusses im Fall Comey gegen Trump. International wurden Liveticker gestartet. Drei Stunden lang attackierte der frühere FBI-Direktor James Comey unerbittlich die Glaubwürdigkeit von US-Präsident Donald Trump. Trumps Aussagen seien „Lügen, schlicht und einfach“, sagte Comey.
Die Berichterstattung über die Anhörung des FBI-Chefs James Comey dominierte die US-Medien anschließend wie kein anderes Thema. Dabei waren die Interpretationen der Aussagen Comeys oft recht unterschiedlich. So beurteilten der konservative Sender Fox News und CNN die Kernfrage, ob Trump Comey gebeten hätte, die Russland-Ermittlungen fallen zu lassen, nicht gleich.
Die Kernfrage ist heiß umstritten
„Je nachdem, auf welcher Seite man steht, könnte man sagen, dass Comey Trump total abgeurteilt hat oder man könnte sagen, dass Comey Trump entlastet hat“, erklärte Kommentatorin Dana Perino beim konservativen Sender Fox News Channel. Dort hieß es bei einer Einblendung unter anderem „Comey: Präsident wies mich nicht an, Flynn-Ermittlung fallenzulassen“, während es bei CNN zur gleichen Aussage hieß: „Comey: Ich fasste Trumps Bitte als Anweisung auf“.
Bei Fox dominierten Fans von Trump die Zuschauer, oftmals wurden dort Kurzzeilen zugunsten des Präsidenten oberhalb des Live-Streams präsentiert: „Comey: Nicht an mir zu sagen, ob Trump (die Justiz) behinderte“, „Comey: Niemand hat mich gebeten, die Russland-Ermittlung zu stoppen“.
Andere Nachrichtensender setzten den Fokus eher auf Comeys Aussagen, nach denen Trump log oder er dessen Worten kein Vertrauen schenkte. „Comey: Trump log über Gründe der Entlassung“, titelte MSNBC. CNN schrieb: „Comey: Trump-Regierung log über mich und das FBI.“
Breitbart tut die Anhörung als unbedeutend ab
Die rechtsradikale Newsseite Breitbart schrieb sogar, das Ganze sei ein „Nothing-Burger“, also etwas, das trotz hoher Erwartungen unbedeutend ausgefallen sei. „Außer, dass Comey sich selbst als Enthüller beschuldigt.“ Comey hatte eingeräumt, einem Freund Informationen über seine Gespräche mit Trump weitergegeben zu haben, die dieser dann an die Presse durchstach.
Ganz anders fällt hingegen ein Blick in die internationale Presseschau aus. Hier dominiert Skepsis daran das Bild, ob Trump überhaupt Präsident bleiben wird. Hier die wichtigsten Stimmen:
„Pravda“: Trump soll gehen, der Anlass ist zweitrangig
Die linksliberale slowakische Tageszeitung „Pravda“ kommentiert am Freitag die Möglichkeit eines Amtsenthebungsverfahrens gegen US-Präsident Donald Trump:
„Ein abgenutztes Klischee aus den Zeiten von Al Capone besagt, es sei nicht wichtig, weshalb man den Bösewicht fange, Hauptsache man fange ihn. In die Welt der Politik übertragen heißt das: Trump sollte erstens niemals Präsident werden und zweitens, wenn er es schon werden konnte, dann sollte er wegen seiner katastrophalen Inkompetenz gehen müssen. Wird er aber letztlich wegen des Verdachts der Verbrüderung mit einer fremden Macht oder wegen Behinderung der Justiz und Machtmissbrauchs zum Rücktritt gezwungen, dann zeigen schon jetzt Umfragen, was für ein großer Teil der Amerikaner aufatmen wird. Und sie werden nicht allein sein.“
„La Vanguardia“: Impeachment Trumps wird wahrscheinlicher
Zur Situation für US-Präsident Donald Trump nach der Aussage des entlassenen FBI-Chefs James Comey schreibt die spanische Zeitung „La Vanguardia“ am Freitag:
„Seit er im Januar Präsident der Vereinigten Staaten geworden ist, hat Donald Trump auf einer Achterbahn gelebt. Keiner seiner Vorgänger in dem Amt hatte einen so bewegten Start wie er. Wahrscheinlich, weil sich keiner von ihnen so unberechenbar und unverantwortlich verhalten hat und so rücksichtlos mit den politischen Gebräuchen in Washington umgegangen ist (...). Deshalb wurde bereits prophezeit, dass seine Präsidentschaft vorzeitig enden wird, mittels eines Impeachments (...). Bis jetzt war nicht klar, wie sich das konkretisieren könnte. Aber gestern ist im Senat etwas passiert, das eine wichtige Trendwende darstellen könnte. (...) Die gestrige Erklärung von Comey war wie ein Torpedo auf Trump.“
„NZZ“: EX-FBI-Chef lässt nicht mit sich spielen
Zur Anhörung von Ex-FBI-Chef James Comey meint die „Neue Zürcher Zeitung“:
„Die Art und Weise, wie (US-Präsident Donald Trump) den FBI-Chef entlassen und diesen sowie seine Behörde diffamiert hat, kam einer Kriegserklärung gleich. Wie Comey in seiner Anhörung zugab, sorgte er daraufhin für die Veröffentlichung von Gesprächsnotizen, die letztlich wesentlich dazu beigetragen haben dürften, dass sich nun ein Sonderermittler der Russland-Frage angenommen hat. Dieser wird auf unbestimmte Zeit und mit nicht absehbarem Ergebnis jeden Stein umdrehen, um etwaige Absprachen zwischen Trumps Wahlkampfteam und Russland aufzudecken. (...)
Trumps Versuch, mit Comeys Entlassung das Russland-Thema abzuschütteln, ist also gehörig fehlgeschlagen. Er hat gar dazu geführt, dass am Tag 139 seiner Präsidentschaft der Vorwurf der Justizbehinderung überhaupt diskutiert wird. Der gewiefte frühere FBI-Chef hat demonstriert, dass er mit Präsidenten vielleicht keine Ballspiele veranstaltet, er aber auch nicht mit sich spielen lässt. Die Mechanismen in Washington versteht er wesentlich besser als der politische Neuling Trump.“
Von fw/RND/dpa