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Trumps neue Onlineplattform: wolkige Ankündigung und unsichere Finanzierung

Seit neun Monaten von Twitter verbannt: Donald Trump vermisst sein Sprachrohr. Nun will er eine eigene Social-Media-Plattform starten.

Seit neun Monaten von Twitter verbannt: Donald Trump vermisst sein Sprachrohr. Nun will er eine eigene Social-Media-Plattform starten.

Washington. An Selbstbewusstsein mangelt es dem selbsternannten Kämpfer gegen „die Tyrannei von Big Tech“ nicht. Und auch nicht an Zynismus. Ausgerechnet „Truth“ (Wahrheit) will der Mann, dem die „Washington Post“ während seiner vierjährigen Präsidentschaft 30.573 Falschaussagen nachwies, seine alternative Social-Media-Plattform nennen.

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Lange schon hat Donald Trump mit dem Gedanken eines eigenen Onlinenetzwerks kokettiert. Anfang 2022, rund ein Jahr nach seiner Verbannung von Twitter und Facebook, soll es nun starten.

„Wir leben in einer Welt, in der die Taliban eine riesige Präsenz bei Twitter haben und dennoch euer beliebtester amerikanischer Präsident zum Schweigen gebracht wurde“, lässt sich der Milliardär als neuer Vorstandschef einer Gesellschaft namens Trump Media & Technology Group (TMTG) in deren Presse­mitteilung zitieren: „Das ist nicht akzeptabel.“ Seine Plattform wolle allen eine Stimme geben. „Ich freue mich, bald meine Gedanken zu teilen“, kündigt er vage an.

Will sich „gegen die Tyrannei von Big Tech stellen“: Ex-Präsident Donald Trump leidet darunter, nicht mehr permanent im Rampenlicht zu stehen.

Will sich „gegen die Tyrannei von Big Tech stellen“: Ex-Präsident Donald Trump leidet darunter, nicht mehr permanent im Rampenlicht zu stehen.

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Ob die Aktionäre mitspielen, ist noch offen

Auch sonst sind die Informationen eher spärlich. Offenbar soll TMTG mit einer bereits existierenden Investmentfirma namens Digital World Acquisition fusionieren und so durch die Hintertür an die Börse Nasdaq gebracht werden. Bei Digital World Acquisition handelt es sich um eine leere Unternehmenshülle, die Spekulationsgeld einsammelt, um Gänge an den Aktienmarkt zu finanzieren.

Hinter ihr steht der ehemalige Deutsche-Bank-Derivatehändler Patrick Orlando, der 293 Millionen Dollar zusammengebracht hat. Doch ist unklar, ob alle seine Anleger bei dem Trump-Deal mitmachen. Eine ähnliche Transaktion von Orlando in China war kürzlich gescheitert, weil die Aktionäre absprangen.

Eine Präsentation des geplanten sozialen Netzwerkes auf der TMTG-Homepage wirbt mit bombastischen Superlativen, schwindelerregenden Zahlen und luftigen Versprechen, wie sie Trump schon als New Yorker Immobilienmogul genutzt hatte.

Die Demoversion von „Truth Social“ wirkt wie eine schlechte Twitter-Kopie. Da posten „Brit@Brit“, „Christina@Christina“ und „Sarah@Sarah“ mal Fotos aus ihrem Fitnessstudio, mal Bilder von gelbem Herbstlaub und mal ein Video mit einem Halloweenkostüm. „Eddie@EddieCarbone“ schreibt: „Ich nehme diese Woche frei. Ich brauche mal eine Pause.“

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Ganz so harmlos dürfte es auf der Plattform, sofern sie tatsächlich ans Netz geht, aber kaum zugehen. Trump war im Januar von Twitter und Facebook verbannt worden, weil er auch über seinen Account einen rechten Mob zum Sturm auf das Kapitol („Es wird wild!“) aufgehetzt hatte.

Bis heute behauptet er trotz zahlreicher Untersuchungen und Gerichtsurteile, die das Gegenteil belegen, dass die Präsidentschaftswahl gefälscht wurde und er der rechtmäßige Regierungschef der USA sei. Seine Anhänger glauben an wilde Verschwörungslegenden, die durch die Echokammer einer rechten Massenplattform massiv verstärkt werden könnten.

Erst mal gibt es nur eine Warteliste

Zudem ist der wolkigen Präsentation zu entnehmen, dass Trump mittelfristig auch einen Video-on-Demand-Service mit „nicht wokem“ Unterhaltungsprogramm, Nachrichten und Podcasts starten will. Als Konkurrenten werden der Streamingdienst Netflix und der Nachrichtensender CNN genannt. Vorerst freilich können sich Interessenten nur auf einer Warteliste für die Onlineplattform „Truth Social“ eintragen. Im November soll eine Beta-Version für geladene Nutzer starten. Im ersten Quartal 2022 soll der Dienst dann landesweit starten.

Allerdings hatten Trump und seine Unterstützer seit dessen Rauswurf bei Twitter, als er mehr als 80 Millionen Follower hatte, mehrfach versucht, rechte Sprachrohre im Internet zu schaffen. Ein Blog des Ex-Präsidenten auf dessen Website wurde nach einem Monat angesichts ausbleibender Klicks eingestellt.

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Dem von seinem einstigen Vertrauten Jason Miller gegründeten Onlinenetzwerk Gettr mochte sich Trump nicht anschließen. Die rechte Plattform Parler ging wochenlang offline, nachdem Amazon sie von seiner Cloud geworfen hatte. Und Gerüchte über einen Trump-Kabelkanal als Konkurrenz zu Fox News, die Experten angesichts der enormen Kosten und des nötigen zeitlichen Vorlaufs stets für unwahrscheinlich hielten, haben sich ebenfalls nicht bewahrheitet.

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