Türkei: Mitglieder der prokurdischen Partei HDP festgenommen
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Eine Wahlkampfveranstaltung der Oppositionspartei HDP im September 2020 (Archivbild).
© Quelle: EPA
Istanbul. Wenige Tage nach der erneuten Verbotsklage gegen die prokurdische Partei HDP in der Türkei sind sechs ihrer Mitglieder in Istanbul festgenommen worden. Darunter sei der Chef des Parteibüros im Stadtteil Beyoglu, sagte die Co-Vorsitzender der HDP Istanbul, Elif Bulut, der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch. Der Grund für die Festnahme sei nicht bekannt.
Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu fasste den Einsatz als Anti-Terror-Ermittlung gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zusammen. „Das ist zu einem Standardsatz geworden, um die HDP zu terrorisieren“, so Bulut. Präsident Recep Tayyip Erdogan wirft der HDP vor, der verlängerte Arm der PKK zu sein. Die Partei weist das zurück.
Generalstaatsanwaltschaft hat neue Verbotsklage gegen HDP eingereicht
Der HDP droht ein Verbotsverfahren. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte am Montag erneut eine Verbotsklage gegen die zweitgrößte Oppositionspartei beim Verfassungsgericht eingereicht. Eine bereits Mitte März eingereichte erste Verbotsklage war wegen formaler Mängel nicht angenommen worden. Dass die Partei nach Einreichung des Antrags erneut zur Zielscheibe des staatlichen Machtapparats werden würde, habe die HDP bereits erwartet, sagte Bulut.
In einer Stellungnahme der HDP vom Mittwoch hieß es, die Anschuldigungen im Verbotsverfahren basierten hauptsächlich auf Geschehnissen rund um Proteste aus dem Jahr 2014, für die etwa der ehemalige Vorsitzende der Partei, Selahattin Demirtas, und weitere 107 Angeklagte vor Gericht stehen.
UN-Kritik an der Türkei: Menschenrechtsverteidiger keine Kriminellen
Eine Expertin der Vereinten Nationen hat die türkische Regierung dazu aufgerufen, Menschenrechtsverteidiger aus den Gefängnissen zu entlassen. Die Behörden müssten aufhören, vage Terrorvorwürfe zu erheben und die Menschen zu Kriminellen zu machen, sagte Mary Lawlor, unabhängige UN-Berichterstatterin zur Lage von Menschenrechtsverteidigern, am Mittwoch.
Im Visier der Behörden seien vor allem Anwälte, die Opfer von „Menschenrechtsverletzungen, Polizeigewalt und Folter“ verteidigten. „Die Türkei verletzt damit einige der Säulen des internationalen Menschenrechts“, so die Professorin für Wirtschaft und Menschenrechte an der Universität Trinity College Dublin. Sie nannte unter anderem das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Versammlung.
Lawlor hatte der Regierung nach eigenen Angaben ihre Sorge über 14 Inhaftierte übermittelt, die zu zehn und mehr Jahren Gefängnis verurteilt worden waren. Eine davon, Ebru Timtik, sei im August 2020 während eines Hungerstreiks gestorben. Unter anderem würden die Menschenrechtsverteidiger Aytac Ünsal and Fevzi Kayacan medizinisch nicht adäquat versorgt. Oya Aslan sei in Gewahrsam gefoltert worden.
RND/dpa