Ukrainische Gegenoffensive

Der Wendepunkt im Krieg? Russische Truppen geraten bei Cherson schwer unter Druck

Kämpfer und Kämpferinnen der ukrainischen Nationalgarde an Flugabwehrgeschützen.

Kämpfer und Kämpferinnen der ukrainischen Nationalgarde an Flugabwehrgeschützen.

Jetzt hat auch der Kreml bestätigt: Es gibt eine ukrainische Offensive auf die westlich des Dnipro gelegene Stadt Cherson. Seit Juni war sie angekündigt worden, viele hielten die Ankündigung für einen Bluff, weil Russland so gezwungen wurde, Truppen aus dem nördlichen Donbas in den nunmehr bedrohten Süden zu verlegen.

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Allerdings meldete Moskau am späten Montagabend, die Angriffe an drei Stellen seien abgewehrt worden, wobei die ukrainische Armee schwere Verluste erlitten habe. „Die versuchte Offensive des Feindes ist erbärmlich gescheitert“, hieß es weiter. Der von Moskau ernannte Verwaltungschef der Krim, Sergej Axjonow, bezeichnete Berichte über eine Gegenoffensive in Cherson als falsch. Die ukrainischen Truppen hätten im Süden und anderswo hohe Verluste erlitten, sagte er.

Zuvor hatte Natalija Humenjuk, die Pressesprecherin der Südgruppe der ukrainischen Armee mitgeteilt, im Gebiet Cherson nördlich der Krim hätten eigene Truppen die erste Verteidigungslinie der russischen Truppen durchbrochen. Demnach seien Einheiten der Donezker Separatisten und Separatistinnen und russischer Marineinfanterie zum Rückzug gezwungen worden. Sollten sich die Angaben bestätigen, wäre es ein strategischer Durchbruch.

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Ukraine startet Gegenoffensive im Süden des Landes

Nach Beginn der seit langem erwarteten Gegenoffensive im Süden der Ukraine hat Präsident Wolodymyr Selenskyj russische Soldaten zum Rückzug gedrängt.

Westliche Militärbeobachter und Militärbeobachterinnen vermuteten einen ukrainischen Vorstoß auf Nowa Kachowka. Demnach habe die regionale Militärverwaltung dort alle Bewohner und Bewohnerinnen des Ortes aufgerufen, in Kellern und Luftschutzbunkern Schutz zu suchen. Die Stadt würde massiv durch ukrainische Truppen beschossen, hieß es.

Nowa Kachowka zählte vor dem Krieg gut 45.000 Einwohner und Einwohnerinnen. Die Stadt liegt etwa 65 Kilometer östlich der Großstadt Cherson. Über den dortigen Staudamm des Dnipro läuft eine wichtige Straße zur Versorgung der russischen Truppen auf dem rechten Ufer. Die ukrainische Armee beschoss die Straße schon in den vergangenen Tagen aus der Ferne.

Ukraine will Cherson zurück: Strategisch wichtige Brücke der russisch besetzten Stadt beschossen

In der von russischen Truppen besetzten Stadt Cherson im Süden der Ukraine ist die einzige Brücke über den Dnepr für Zivilisten und Zivilistinnen geschlossen worden.

Am Abend meldete das ukrainische Militär die Rückeroberung der Ortschaft Sukhyi Stavok. Auch russische Social-Media-Accounts bestätigen dies. Zahlreiche unbestätigte Berichte wiesen darauf hin, dass sich russische Truppen aus ihren Stellungen zurückziehen. Auch Angriffe auf die Antoniwkabrücke in Cherson und die von den Russen und Russinnen angelegte Pontonbrücke wurden gemeldet.

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Sieht einen Wendepunkt in diesem Krieg: Der ehemalige Nato-General Hans-Lothar Domröse.

Sieht einen Wendepunkt in diesem Krieg: Der ehemalige Nato-General Hans-Lothar Domröse.

Wie auch immer eine ukrainische Offensive verläuft, für den ehemaligen Nato-General Hans-Lothar Domröse ist allein die Tatsache, dass die ukrainische Armee die militärische Initiative übernommen hat, ein Wendepunkt im Krieg. „Es gibt mehrere Gründe, die momentan für die ukrainischen Verteidiger sprechen“, erläutert der ehemalige Heeresgeneral im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Sie sind den russischen Truppen rein zahlenmäßig eins zu 1,2 überlegen. Das Verhältnis mag an einigen Frontabschnitten, wo man Offensiven plant, noch deutlicher zu Gunsten Kiews ausfallen“, so Domröse.

Was seiner Meinung nach die Schlagkraft der ukrainischen Armee noch verschärft, ist neben der Aufrüstung mit moderner westlicher Militärtechnik die viel höhere Motivation der Truppe. Domröse: „Die Ukrainer kämpfen um ihr Land, bei den Russen geht es selbst nach ihrem Verständnis um die Eroberung eines fremden Territoriums – mit Ausnahme der Krim, die beanspruchen sie für sich.“

Die Moral der russischen Truppen muss katastrophal sein

Auch wenn es dazu keine belastbaren Informationen gibt, die Moral der russischen Truppen muss katastrophal sein, zumal im Süden, wo es bereits Berichte über Bataillone gab, die sich weigerten, zu kämpfen. Domröse: „Man stelle sich nur die Situation der russischen Besatzer in Cherson vor, der Stadt, die durch den Dnipro vom Osten des Landes getrennt ist. Nach der Zerstörung aller Brücken, wohl vorrangig durch ukrainische Mehrfachraketenwerfen vom Typ HIMARS, können diese Truppen kaum noch versorgt werden. Und im Fall einer Offensive droht ihnen die Einkesselung.“ Zudem in einer Stadt, in der die Bevölkerung die Besatzer und Besatzerinnen hasst.

Die zuletzt durch Überläufer und Überläuferinnen abgefangenen Mails und abgehörten Telefonate dokumentierten Ausrüstungs- und Versorgungsschwierigkeiten der russischen Armee und dürften sich zusätzlich demoralisierend auf die Truppe auswirken.

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Sie werden mit allen Mitteln versuchen zu halten, Zeit zu gewinnen – und darauf hoffen, dass der Westen angesichts von Energie- und Gasknappheit im Winter auseinanderfällt.

Hans-Lothar Domröse

Der russischen Armee, so glaubt der ehemalige Heeresgeneral, bleiben nicht viele Optionen: „Sie werden mit allen Mitteln versuchen zu halten, Zeit zu gewinnen – und darauf hoffen, dass der Westen angesichts von Energie- und Gasknappheit im Winter auseinanderfällt und so auf Kiew einwirkt, um einen irgendwie für Moskau erträglichen Kompromissfrieden einzugehen.“

 Das von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik veröffentlichte Poolbild zeigt Sergej Schoigu (rechts), Verteidigungsminister von Russland, und Waleri Gerassimow, Generalstabschef der russischen Streitkräfte, während sie an einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Putin teilnehmen.

Das von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik veröffentlichte Poolbild zeigt Sergej Schoigu (rechts), Verteidigungsminister von Russland, und Waleri Gerassimow, Generalstabschef der russischen Streitkräfte, während sie an einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Putin teilnehmen.

Wo ist Generalstabschef Waleri Gerassimow?

Rätselraten gibt es um die russische Armeeführung. Aus Sicht britischer Geheimdienste befindet sich Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu zunehmend in einer Position der Schwäche. Es sei wahrscheinlich, dass Offiziere und Soldaten den Minister wegen eines ineffektiven und realitätsfernen Führungsstils nicht mehr ernst nähmen, hieß es in einem Bericht, der in London veröffentlicht wurde.

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Für Ex-General Domröse nicht weniger verwunderlich ist das Schicksal des zweitwichtigsten russischen Militärs: „Generalstabschef Waleri Gerassimow tritt seit Monaten nicht mehr öffentlich auf – und das im Krieg – das gibt es gar nicht. Irgendetwas ist da faul.“

Mit Agenturmaterial

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