Ukrainischer Gaskonzern Naftogaz will Mitsprache bei Nord Stream 2
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In der Stadt Lubmin, östlich von Greifswald, kommt die Ostseepipeline Nord Stream 2 aus Russland an.
© Quelle: Stefan Sauer/dpa
Berlin. Der staatliche ukrainische Energiekonzern Naftogaz hat bei der Bundesnetzagentur einen Antrag auf Beiladung zum Zertifizierungsverfahren für die Ostsee-Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 gestellt. Naftogaz möchte sicherzustellen, dass europäisches und internationales Recht eingehalten werden und die negativen Auswirkungen auf den europäischen Wettbewerb abgemildert werden, teilte das Unternehmen mit.
Der Pipelinebetreiber, die Nord Stream 2 AG mit Sitz in Zug (Schweiz), hatte in dieser Woche eine weitere Hürde auf dem Weg zur Inbetriebnahme genommen, indem das Bundeswirtschaftsministerium mitteilte, dass nach seiner Analyse die Sicherheit der Gasversorgung der Bundesrepublik und der EU durch die Ostseeröhre nicht gefährdet wird.
Naftogaz-Chef Vitrenko wirft Gazprom „Erpressungsmanöver“ vor
Die endgültige Erlaubnis muss die Bundesnetzagentur erteilen. Dabei geht es vor allem um die Einhaltung der EU-Gasrichtlinie, die eine Entflechtung von Pipelinebetreiber und Rohstofflieferant vorsieht. Im Falle von Nord Stream 2 sind beide Funktionen unter dem Dach der Nord Stream 2 AG vereint.
Sie ist eine 100-prozentige Tochter des russischen Gazpromkonzerns, der rund 8 Milliarden Euro in die Pipeline investiert hat. Sollte in der Sache keine Einigung erzielt werden, müsste Gazprom möglicherweise Drittanbietern den Zugang zur Pipeline ermöglichen.
„Ohne Entflechtung und Zugang unabhängiger Dritter ist Nord Stream 2 eine ernste Bedrohung für die Versorgungssicherheit Deutschlands und Europas“, sagte Juri Vitrenko, Vorstandschef von Naftogaz gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Die Ukraine würde auf die Bundesnetzagentur und die europäischen Institutionen setzen, sich nicht den Erpressungen des Kreml zu beugen. „Gazprom schränkt den Gasstrom nach Europa bereits künstlich ein. Dies ist ein Erpressungsmanöver und die Verwendung von Gas als Waffe“, sagte Vitrenko.
Ukraine war nicht in Beratungen zu Gaspipeline eingebunden
Der Naftogaz-Chef kritisierte, dass die Ukraine nicht zu den Ländern gehörte, mit denen das Bundeswirtschaftsministerium zuvor Konsultationen in der Sache geführt hatte. Darunter waren nur EU-Mitglieder wie etwa die baltischen Länder, Polen, Tschechien und Österreich.
Dieses Vorgehen des Ministeriums widerspreche der gemeinsamen amerikanisch-deutschen Erklärung vom Juli 2021 zur ukrainischen und europäischen Energiesicherheit, sagte Vitrenko, der mit Naftogaz einem Unternehmen mit 170.000 Mitarbeitern vorsteht, das etwa ein Achtel des ukrainischen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet.
Die Ukraine war von Anfang an gegen Nord Stream 2, unter anderem deshalb, weil sie fürchtet, künftig keine Transitgebühren mehr von Russland für die Durchleitung russischen Gases auf dem Landweg zu erhalten. Die jährlichen Einnahmen für den ukrainischen Staatshaushalt schwanken – je nach Durchleitungsmengen – zwischen einer und 3 Milliarden Euro.
Die Bundesnetzagentur hat bis Anfang Januar Zeit, über die Zertifizierung von Nord Stream 2 zu entscheiden.