US-Reaktion auf die Wahl: Angst vor der German Hängepartie
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„Hello, Germany?" In Washington befürchtet man ein monatelanges Machtvakuum in der Mitte Europas.
© Quelle: Evan Vucci/AP/dpa
Washington. Joe Biden hatte ein Arbeitswochenende auf dem Landsitz Camp David hinter sich, als er am Sonntagnachmittag (Ortszeit) auf dem Südrasen des Weißen Hauses landete. Wie er die Bundestagswahl kommentiere, riefen die Reporter dem Präsidenten zu, nachdem er aus dem Hubschrauber geklettert war.
Biden war nicht auf dem aktuellen Stand. Die SPD liege vorne und werde möglicherweise die Regierung bilden, berichtete Reuters-Korrespondent Jeff Mason. „Donnerwetter!“, erwiderte der Präsident: „Sie sind beständig!“
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An innenpolitischen Themen mangelt es in den USA gerade wahrlich nicht: An der Grenze zu Mexiko spielt sich eine humanitäre Krise ab. Zum Monatesende droht ein Shutdown. Und in den kommenden Tagen dürfte sich im Kongress das Schicksal von Bidens wichtigstem politischem Projekt, dem Infrastrukturpaket, entscheiden.
Insofern ist es bemerkenswert, wieviel Aufmerksamkeit die amerikanischen Medien der Wahl im fernen Germany widmen: Die großen Blätter räumten in ihren Wochenendausgaben ganze Doppelseiten frei, und am Montag berichteten sie über das vorläufige Ergebnis auf den Titelseiten.
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„Deutschland ist einer der wichtigsten Partner der Vereinigten Staaten“, begründet Jeffrey Rathke, der Präsident des American Institute for Contemporary German Studies der renommierten Johns-Hopkins-Universität, im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) das mediale Interesse. Auch gebe es in der Bevölkerung „eine positive Grundsicht“ auf die Bundesrepublik.
Abschied von der „Führerin der freien Welt“
Hinzu kommt sicher der historische Einschnitt nach 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel. Die CDU-Politikerin genießt im liberalen Amerika einen fabelhaften Ruf, der während der Trump-Ära durch manche Projektion bis zur „Führerin der freien Welt“ weiter überhöht wurde. Inzwischen macht sich in den Würdigungen eine etwas realistischere Sicht breit.
Ausdrücklich wies die „New York Times“ vor zehn Tagen auf die schwächelnde Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft hin. In Europa habe sich Merkel wie eine „passive Verwalterin“ verhalten, urteilte das „Wall Street Journal“. „Es gab Wandel, den sie vorantrieb und Wandel, den sie geschehen ließ“, bilanzierte die „New York Times“ die gesellschaftlichen Veränderungen seit 2005 in Deutschland.
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Für den deutschen Wahlkampf hatten die amerikanischen Zeitungen vor allem ein Prädikat bereit: „Langweilig“. Kandidaten ohne Charisma, Kampagnen ohne Dramen und Debatten ohne echte inhaltliche Alternativen – das ist nichts fürs US-Publikum. Am ehesten sympathisierte das Washingtoner Establishment überraschenderweise mit den Grünen, weil diese in ihrem Programm eine sehr kritische Haltung zu Russland und China einnehmen.
Nun sorgt man sich vor einer wochen- oder monatelangen Regierungsbildung. Europas größte Demokratie drohe mitten in der Pandemie und vor einer schicksalhaften Wahl in Frankreich „in einer Hängepartie“ zu verharren, schreibt die „New York Times“. Die „Washington Post“ fürchtet ein „Machtvakuum“ im Zentrum Europas.
Vorlieben für eine Ampel- oder eine Jamaika-Koalition gibt es nach Einschätzung des Ex-Diplomaten Rathke im Weißen Haus nicht. Für die Biden-Regierung spiele die Auseinandersetzung zwischen Demokratien und autokratischen Regierungen eine zentrale Rolle: „Da wünscht man sich Deutschland als Partner.“
Mit einem Kanzler Olaf Scholz könnte Biden gut bei der globalen Mindeststeuer zusammenarbeiten, urteilt Rathke. Mit der Union hingegen könne er auf eine stärkere Anhebung des deutschen Verteidigungsetats hoffen. Keine Konstellation birgt nach Rathkes Einschätzung Gefahren für das transatlantische Verhältnis. Allerdings: „Natürlich würde man sich in Washington wünschen, dass die nächste Bundesregierung eher schneller als langsamer gebildet wird, damit man anfangen kann, die gemeinsame Agenda umzusetzen.“