Nach schärferen Gesetzen in Florida: Trans Personen sammeln Geld für die Flucht
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Eine Transgenderdemonstration in New York: Im US‑Staat Florida ist Geschlechtsangleichung seit Mai stark eingeschränkt, Dutzende sehen sich gezwungen zu fliehen.
© Quelle: IMAGO/Agencia EFE
Orlando. Die Medikamente waren schon fast am Ende, als Sage Chelf erfuhr, dass sie keinen Nachschub bekommen würde. Die Klinik, die der jungen trans Frau die Hormontherapie verschrieben hatte, stellte die Behandlung ein. Der Grund: die neue Gesetzeslage in Florida unter dem republikanischen Präsidentschaftsanwärter Ron DeSantis, die LGBTQ+-Menschen das Leben schwer macht.
So schwer, dass viele keine andere Möglichkeit sehen, als dem US‑Staat den Rücken zu kehren. Doch das können sich nicht alle leisten. Und deshalb haben inzwischen Dutzende trans Menschen in Florida Crowdfunding-Aufrufe gestartet, von denen sie sich die nötige finanzielle Unterstützung erhoffen.
Auch Chelf gehört dazu. „Ich möchte nicht wieder die Person werden, die ich damals sein musste“, sagt die 30‑Jährige über die Zeit vor ihrer Geschlechtsangleichung 2021. „Es war eine sehr dunkle Zeit in meinem Leben. Ich glaube, ich wäre lieber nicht mehr am Leben, als dass ich wieder so leben müsste.“ Sie habe gar keine andere Wahl, als Florida zu verlassen, erklärt sie mit Blick auf ein neues Gesetz, das Mitte Mai in Kraft trat. Es schränkt den Zugang zu geschlechtsangleichender Behandlung für Erwachsene ein und verbietet sie für Minderjährige.
Verheerende Folgen für die Gesundheit
Rund 95.000 Erwachsene leben nach Schätzungen des kalifornischen Williams-Instituts derzeit in Florida und sind trans. Für jene, die auf Hormontherapie angewiesen sind, kann der Abbruch verheerende Folgen für die psychische Gesundheit haben. Längerfristig können sich auch körperliche Angleichungen rückläufig entwickeln.
Sage Chelf rechnete mit rund 2500 Dollar, die ihr Umzug und die Suche nach einem neuen Job kosten würden. In weniger als zwei Wochen kamen auf ihren Aufruf mehr als 3000 Dollar zusammen. Sie war verblüfft. Sie habe befürchtet, dass die Ernsthaftigkeit ihres Appells infrage gestellt würde, sagt Chelf. „Dass die Leute denken würden, ich würde nur versuchen, an Geld zu kommen.“
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Seit Januar – als sich das neue Gesetz klar abzeichnete – sind nach Angaben der Online-Fundraising-Plattform Go-Fund-Me bereits 200.000 Dollar für Menschen zusammengekommen, die trans sind und Florida verlassen wollen. Zwischen April und Mai sei dabei die Zahl der entsprechenden Appelle um rund 40 Prozent gestiegen, erklärt Go-Fund-Me-Sprecher Jalen Drummond.
„Gut finanzierte und hasserfüllte Gegnerschaft“
Angesichts der knappen Mittel für Organisationen zur Unterstützung von LGBTQ+-Menschen ist das Onlinefundraising die Lösung für Chelf und andere Betroffene. Denn viele der gemeinnützigen Organisation seien klein und hätten keine großen Kapazitäten, Geld einzutreiben, erklärt Una Osili von der Universität Indiana.
Vor allem LGBTQ+-Menschen ohne Lobby, gerade Ältere, Landbewohner, Migrierte oder auch Transmenschen, blieben am wahrscheinlichsten ohne Hilfe, sagt Elise Colomer-Cheadle von der Menschenrechtsorganisation Outright International, die sich für LGBTQ+-Personen einsetzt. Auch wenn die Bewegung so groß wie nie zuvor in den vergangenen Jahrzehnten sei, so sei sie doch noch nicht groß genug, um alle auffangen zu können. Dem stehe eine „gut finanzierte und hasserfüllte Gegnerschaft“ gegenüber.
„Es gibt ein Gefühl von: Die Gegner wollen uns an den Kragen und unser Leben steht auf dem Spiel“, erklärt Colomer-Cheadle. „Es ist eine sehr, sehr beängstigende Zeit.“
Sade Chelf hat die spontane Hilfe so vieler, die auf ihre Fundraising-Bitte reagierten, den Glauben an die Menschheit zurückgegeben. „Ich denke, alle merken, wie schlimm die Lage ist“, sagt sie. Jetzt will sie nach Illinois ziehen und dort mit ihrer Freundin zusammenleben.
RND/AP