Wie die Republikaner Rechtsextreme und Betrüger belohnen
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Hochstapler par excellence: George Santos wird in zwei Ausschüssen des US-Kongresses sitzen.
© Quelle: Alex Brandon/AP/dpa
Washington. An Expertise sollte es dem Mann, der künftig im Wissenschafts- und im Wirtschaftsausschuss des US-Abgeordnetenhauses sitzen wird, eigentlich nicht fehlen: George Santos hat am renommierten Baruch College studiert, bei Top-Wallstreet-Banken gearbeitet und eine eigene Firma gegründet, die ihm jährlich bis zu 5 Millionen Dollar Dividende bescherte. So jedenfalls stand es im Lebenslauf, mit dem sich der Republikaner im Herbst im Bundesstaat New York für den Kongress bewarb.
Nun sitzt der 34-Jährige im Repräsentantenhaus. Doch es ist klar: Seine Biografie ist komplett erlogen. Santos hat keinen Hochschulabschluss, er arbeitete bei einem betrügerischen Schneeball-Finanzvertrieb, und seine eigene Firma machte allenfalls 50.000 Dollar Umsatz. Mit einer dubiosen 700.000-Dollar-Überweisung an die eigene Kampagne könnte Santos zudem gegen das Gesetz verstoßen haben. Das hindert Kevin McCarthy, den neuen Sprecher des Repräsentantenhauses, nicht daran, den dreisten Hochstapler nun als ordentliches Mitglied in die genannten Ausschüsse zu entsenden.
Die hauchdünne Mehrheit des Oberrepublikaners
Der Vorgang illustriert die Schwäche von McCarthy, der erst im 15. Wahlgang zum republikanischen „Speaker“ gewählt wurde und im Plenum nur über eine hauchdünne Mehrheit von vier Stimmen verfügt. Das macht den opportunistischen Trumpisten nicht nur abhängig von Betrügern wie Santos. Bei der derzeitigen Vergabe der Ausschussmandate muss McCarthy vor allem die extreme Rechte in seiner Fraktion entlohnen, die ihm nach einem demütigenden einwöchigen Abstimmungsmarathon zum Amt verhalf.
So werden dem „Oversight and Accountability Committee“, das die Arbeit der Regierung überwacht, künftig mindestens sechs republikanische Abgeordnete angehören, die das Ergebnis der Präsidentschaftswahl von 2020 bestreiten. Darunter befinden sich Extremisten wie Lauren Boebert, die sich öfter rassistisch äußert und samt ihrer Familie mit Schnellfeuergewehren vor dem Weihnachtsbaum posierte, oder Paul Gosar, der sein Alter Ego in einem Video die linke Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez ermorden ließ.
Der Kontrollausschuss soll mit oberster Priorität die Biden-Familie untersuchen. „Joe Biden, mach dich auf etwas gefasst!“, erklärte die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene: „Wir werden deine korrupten Businessdeals, jede ausländische Verstrickung und jeden Machtmissbrauch offenlegen.“
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Marjorie Taylor Greene wird Teil des Kontrollausschusses.
© Quelle: IMAGO/USA TODAY Network
Auch Greene, eine Fitnessstudiobetreiberin aus Georgia, wird dem Kontrollausschuss angehören – und könnte zur Schlüsselfigur des ultrarechten Republikaner-Flügels werden. Wegen ihrer Sympathien für die extremistische Qanon-Verschwörungsideologie und der Unterstützung von Gewaltaufrufen gegen Demokraten war sie 2021 aus dem Haushaltsausschuss geworfen worden. Nun wird sie neben dem „Oversight Committee“ auch dem Ausschuss für innere Sicherheit angehören, der die Migrationskrise an der Grenze skandalisieren und Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas amtsentheben will.
Der Aufstieg einer wilden Verschwörungspropagandistin
Anders als 20 Kolleginnen und Kollegen, die in zahlreichen Wahlgängen gegen McCarthy stimmten, hatte sich Greene rechtzeitig auf die Seite des neuen Parlamentssprechers geschlagen und diesen unterstützt. Nachdem sie in der Vergangenheit behauptet hatte, Massenschießereien seien von linken Waffengegnern inszeniert und Waldbrände in Kalifornien von jüdischen Verschwörern mit einem Laser aus dem All entzündet worden, hält sich die 48-Jährige mit Konspirationslügen inzwischen öffentlich zurück. Mit umso maßloseren Attacken auf die Demokraten und Biden scheint sie zur selbstbewussten Repräsentantin der Ultrarechten an McCarthys Seite heranzuwachsen.
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Formal müssen die Nominierungen für die Ausschüsse noch von der republikanischen Fraktion bestätigt werden, was jedoch als sicher gilt. Mit Spannung wird nun verfolgt, welche Abgeordneten McCarthy für den wichtigen Geschäftsordnungsausschuss benennt, der mit der Erstellung der Tagesordnung darüber entscheidet, welche Initiativen im Plenum überhaupt zur Abstimmung gestellt werden. Der Parlamentschef hat den Ultrarechten mindestens drei Sitze zugesagt.
Umgekehrt blockiert McCarthy die Benennung prominenter demokratischer Vertreter und Vertrerinnen für wichtige Ausschüsse. So dürften der prominente Trump-Ankläger Adam Schiff und der Abgeordnete Eric Swalwell nicht in den Geheimdienstausschuss und die Israel-Kritikerin Ilhan Omar nicht in den Auswärtigen Ausschuss zurückkehren. Die Intervention, zu der McCarthy dank eines Vetorechts befähigt ist, gilt als Retourkutsche für den Ausschluss der Rechtsextremisten Greene und Gosar aus ihren Ausschüssen in der vergangenen Legislaturperiode.