Von Putins Gnaden: Warum Russlands Krieg Lukaschenkos Macht sichert
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Zehntausende Demonstranten nahmen im Spätsommer und Herbst 2020 in Minsk an Protesten gegen die gefälschten Präsidentschaftswahlen vom 9. August teil. Das Regime antwortete bald mit massiver Gewalt und Massenverhaftungen.
© Quelle: AP/dpa
Berlin. Zwei Jahre nach den gefälschten Präsidentschaftswahlen in Belarus vom 9. August 2020 und den darauf folgenden Massenprotesten sitzt Diktator Alexander Lukaschenko immer noch fest im Sattel. Mit brutaler Gewalt nach innen und einem liebedienerischen Kurs gegenüber Moskau nach außen hat er es geschafft, seine Macht als Alleinherrscher zu zementieren.
Dabei kam ihm der verbrecherische Angriffskrieg Russlands in der benachbarten Ukraine indirekt zugute, denn nicht wenige Belarussinnen und Belarussen rechnen es ihm an, dass er bislang das Land aus einer direkten Kriegsbeteiligung herausgehalten hat. Das belegen zumindest Umfragen, die, wenn auch unter staatlicher Regie geführt, durchaus glaubwürdig sind, wie der aus Minsk stammende und in Berlin lebende Osteuropahistoriker Alexander Friedman meint.
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In der Ukraine engagieren sich mittlerweile 38.000 Frauen als Soldatinnen direkt im Kampf gegen den russischen Aggressor. Darüber hinaus helfen sie ihrem Land als Aktivistinnen bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen oder der Verbreitung der Wahrheit über den Krieg.
„Es gibt in Belarus sehr viele Menschen, die den Krieg schlecht finden und große Angst davor haben, dass das Land hineingezogen wird“, sagte Friedman im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) und verwies auf eine „klare Mehrheit“ der Bürgerinnen und Bürger, die gegen den Krieg seien.
So laviert sich Lukaschenko geschickt durch, indem er Belarus zwar den Russen als Aufmarschgebiet zur Verfügung stellt, bislang aber seine eigene Armee weitestgehend zurückhält.
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© Quelle: dpa
Eine Kriegsbeteiligung, die letztlich wahrscheinlich gar nicht in Minsk, sondern in Moskau entschieden würde, wäre nicht nur innenpolitisch heikel für Lukaschenko, sondern auch militärisch mit hohen Risiken belastet. Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja ist überzeugt, dass in einem solchen Fall ein großer Teil der belarussischen Armeeangehörigen desertieren und auf die Seite der Ukraine überlaufen würde.
Ob es tatsächlich so käme, kann niemand mit Gewissheit sagen. Fakt ist aber, dass es für die Opposition immer schwerer wird, die Stimmung im Land aufzunehmen. Während die Vertreter der demokratischen Kräfte am Montag und Dienstag im Exil in Vilnius über ihre Ziele und Werte berieten, waren die Menschen in Belarus mit dem brutalen Alltag der politischen Verfolgung Andersdenkender konfrontiert. Wer als Oppositioneller nicht ins Ausland fliehen konnte, sitzt im Zuchthaus.
Tichanowskaja wurde zuletzt von verschiedenen Aktivisten vorgeworfen, dass sie nicht stark genug auftrete, beispielsweise noch keine Befreiungsbewegung ausgerufen habe. Zu ihrer Ehrenrettung sei festgehalten, dass die 39-jährige studierte Englischlehrerin ursprünglich keine politischen Ambitionen hatte und 2020 erst gegen Lukaschenko antrat, nachdem zuvor ihr Mann als Gegenkandidat verhaftet worden war.
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Der aktuelle Konflikt zwischen Washington und Peking ähnelt einem Muster, das der Grieche Thukydides schon vor über zweitausend Jahren beschrieben hat. Demnach führt der Aufstieg einer neuen Großmacht regelmäßig zum Krieg mit der bisherigen. Was lehrt die Geschichte? Ist die Katastrophe unvermeidlich?
Auch wenn es in der Opposition Streit gibt, hat Tichanowskaja nach wie vor Rückhalt, ist sie in den sozialen Medien permanent präsent und auch in vielen Ländern unterwegs, um für die demokratische Sache zu werben. Und von Vilnius aus kündigte sie am Dienstagnachmittag über den Messengerdienst Telegram die Gründung eines Exil-Übergangskabinetts an, das für die Befreiung von Belarus kämpfen soll.
Dennoch werden sich im Landesinneren immer mehr Menschen fragen, was ihnen das nützt. Auf der Konferenz in Vilnius definierte die Oppositionsführung Ziele, wie die Freilassung politischer Gefangener, die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit, Abzug der russischen Truppen, Abhaltung freier Wahlen und Versammlungsfreiheit. Wie das alles erreicht werden kann, dahinter steht ein großes Fragezeichen.
Klar ist: Ohne einen Sturz Lukaschenkos wird das nicht möglich sein. Und der wiederum wird sich an der Macht halten können, solange es Russlands Präsidenten Wladimir Putin gefällt. Nach jetzigem Stand heißt das, ohne Kursänderung in Moskau auch kein Richtungswechsel in Minsk.