Von Veggieday bis Sex auf Rezept: Die kuriosesten Ideen der Grünen
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/MZZIVBIFMZC2PNJPAPCU3EYXFY.jpeg)
Luftballon mit grüner Wahlwerbung.
© Quelle: Marijan Murat/dpa
Berlin. Für stramm konservative Parteigänger ist die Sache ja klar: Für sie sind die Grünen auch 40 Jahre nach ihrer Gründung wahlweise „spinnerte Ideologen“ oder „Verbotsapologeten“. Zur Begründung verweisen Grünen-Gegner gern auf all die Forderungen, die die Ökopartei in den vergangenen Jahrzehnten aufgestellt hat. Im Netz kursieren zahllose Listen mit den kuriosesten Ideen der Grünen.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass manch umstrittene Forderung nur von einzelnen Gliederungen oder Fachpolitikern der Grünen aufgestellt wurde – und nie offizielle Beschlusslage der Gesamtpartei war. Andere Vorschläge galten in ihrer Zeit als kurios, haben sich aber rückblickend als wegweisend herausgestellt.
Ein kurzer Überblick über 40 Jahre grüne Ideen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Sex auf Rezept
Auch Schwerkranke und Pflegebedürftige haben sexuelle Bedürfnisse – die häufig unerfüllt bleiben. Darauf müsse man reagieren, befand die damalige pflegepolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Elisabeth Scharfenberg, 2017. Sie forderte eine staatliche finanzierte „Sexualassistenz“ für solche Fälle, also die Möglichkeit, dass Pflegebedürftige sich den Sex mit speziell zertifizierten Prostituierten bezahlen lassen könnten. In den Niederlanden gibt es eine solche Möglichkeit. In deutschen Pflegeheimen müssen die Dienste von Sexualassistentinnen dagegen aus der eigenen Tasche bezahlt werden.
100 Prozent Erbschaftssteuer
Die stärkere Besteuerung hoher Erbschaften haben viele Parteien im Programm. Kaum eine geht dabei allerdings so weit wie die grüne Jugend. Beim Bundeskongress 2013 beschloss der Parteinachwuchs einen Antrag zur „solidarischen Erbschaftssteuer“. Kurzfassung: Für Erbschaften solle es eine Obergrenze von einer Million Euro geben. Alles, was darüber liege, solle zu 100 Prozent besteuert, also den Erben weggenommen werden. Damit wolle man der „Konzentration von Vermögen“ vorgreifen, so der grüne Nachwuchs.
Veggieday
Kaum eine Idee der Grünen wurde hitziger diskutiert als die Forderung nach einem sogenannten Veggieday, einem fleischlosen Tag in öffentlichen Kantinen. Im Bundestagswahlkampf 2013 sorgte diese Forderung für große Aufregung – obwohl sie zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahren Bestand hatte. Prominente Grünen-Politikerinnen wie Katrin Göring-Eckardt und Renate Künast vertraten die Forderung offensiv, konservative Politiker und Medien erklärten den Veggieday zum Sinnbild einer grünen Verbots- und Bevormundungskultur.
Abschaffung lebenslanger Haftstrafen
In den Bundestagswahlkampf 1987 zogen die Grünen mit der Forderung nach einer „gewaltfreien Kriminalpolitik“. Sie wollten einen radikalen Umbau des Justizvollzugs durchsetzen, wozu sie etwa die Abschaffung von Gefängnisstrafen für Jugendliche und junge Heranwachsende zählten. Auch lebenslange Freiheitsstrafen und die Sicherheitsverwahrung sollten gestrichen, Hochsicherheitstrakte aufgelöst werden.
Legalisierung von Pädophilie
Die größte politische Verfehlung in der Geschichte der Grünen war die mangelnde Abgrenzung zu Pädophilieaktivisten in den 80er-Jahren. Damals bestand in der Partei eine „Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule, Päderasten und Transsexuelle“. Ziel der Aktivisten war es, vermeintlich einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern zu legalisieren. Diese Forderungen fanden teilweise auch den Weg in offizielle Beschlüsse. Ein Landesparteitag der NRW-Grünen nahm 1985 ein Arbeitspapier an, in dem die Formulierung stand: „Einvernehmliche Sexualität ist eine Form der Kommunikation zwischen Menschen jeglichen Alters, Geschlechts, Religion oder Rasse und vor jeder Einschränkung zu schützen.“ 2013 beauftragte der Bundesvorstand der Grünen das Institut für Demokratieforschung an der Uni Göttingen mit einer Studie zur Aufarbeitung dieses Teils der Parteivergangenheit. 2015 zahlte die Partei drei Missbrauchsopfern eines langjährigen Vorstandsmitgliedes der NRW-Grünen eine Entschädigung.
Verbot von Ölheizungen
Die grüne Forderung nach einem Verbot von Ölheizungen führte im Bundestagswahlkampf 2013 noch zu wütenden Protesten der Heizungsbauer und Installateure. Doch die Grünen waren damit ihrer Zeit voraus. Anfang 2020 beschloss die große Koalition in ihrem Klimapaket, dass der Einbau neuer Ölheizungen ab 2026 verboten sein soll. Geräte, die bis Ende 2025 in Betrieb genommen werden, dürfen aber weiterlaufen.
Verbot von Fleischsonderangeboten
Schon 2016 forderte Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, einen Mindestpreis für Fleisch sowie ein Verbot von Fleischsonderangeboten und Billigbewerbung. Durchsetzen konnten die Grünen das nicht, inzwischen allerdings ist auch in vielen anderen Parteien ein Problembewusstsein entstanden. Selbst Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) vertritt heute die Position, dass Lockangebote mit Fleisch ethisch nicht vertretbar seien, und fordert den Handel regelmäßig auf, auf solche Rabattaktionen zu verzichten. Auch die Grünen wollen nach wie vor höhere Fleischpreise durchsetzen.
5 Mark für einen Liter Benzin
Ein verheerendes öffentliches Echo löste ein Beschluss des Grünen-Parteitages 1998 aus, wonach der Benzinpreis in den folgenden Jahren schrittweise auf 5 Mark je Liter Kraftstoff steigen müsse. Um 50 Pfennig sollte die Mineralölsteuer laut dem Beschluss im ersten Jahr und um jeweils 30 Pfennig in den Folgejahren angehoben werden. Der 5-Mark-Beschluss gilt als einer der Gründe für das schwache Abschneiden der Partei bei der Bundestagswahl 1998. Dennoch reichte es nach der Wahl für ein rot-grünes Regierungsbündnis, das den Spritpreis aber nicht ansatzweise in dem geforderten Ausmaß anhob. Die Mineralölsteuer stieg um lediglich 6 Pfennig.