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Vor Gipfel im Juli

Nato in Frage um ukrainischen Beitritt gespalten

Am 11. und 12. Juli kommen die 31 Staats- und Regierungsspitzen der Nato zu einem Gipfeltreffen in Vilnius zusammen. Dort wird voraussichtlich der Nato-Beitritt der Ukraine Thema sein. Wie steht es um die Debatte?

Am 11. und 12. Juli kommen die 31 Staats- und Regierungsspitzen der Nato zu einem Gipfeltreffen in Vilnius zusammen. Dort wird voraussichtlich der Nato-Beitritt der Ukraine Thema sein. Wie steht es um die Debatte?

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Am 11. und 12. Juli kommen die 31 Staats- und Regierungsspitzen der Nato zu einem Gipfeltreffen in Vilnius zusammen. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat zu dem Spitzentreffen in der litauischen Hauptstadt zugesagt – mit konkreten Erwartungen: Er fordert eine „klare Einladung“ zur Nato-Mitgliedschaft seines Landes. Doch die Nato-Staaten sind sich vor dem Gipfel noch uneins über den Weg der Ukraine in das Militärbündnis. Wie ist der Stand der Debatte?

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+++ Alle Entwicklungen zum Krieg gegen die Ukraine im Liveblog +++

Deutschland steht dem ukrainischen Nato-Beitritt skeptisch gegenüber. Zuletzt bremste Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die Hoffnungen auf einen raschen Beitritt. Es sei klar, „dass wir mitten in einem Krieg nicht über eine neuere Mitgliedschaft sprechen können“. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich nach dem Gipfeltreffen der neuen Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) in Moldau noch zurückhaltender.

Der Kanzler verdeutlichte am Donnerstagabend, dass eine zügige Aufnahme des Landes selbst nach einem Ende des russischen Angriffskrieges nicht garantiert sei. „Es gibt sehr klare Kriterien für die Mitgliedschaft“, sagte Scholz. Ihm zufolge gehört dazu auch, dass ein Land keine Grenzkonflikte habe.

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Selenskyj in Moldau: Ukraine ist bereit für die Nato

In Bulboaca kommen am Donnerstag die Staats- und Regierungschefs aus 47 Ländern der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) zusammen.

Auch die USA und Frankreich stehen einer östlichen Nato-Erweiterung kritisch gegenüber. Als ein Grund gelten Sorgen vor einer unberechenbaren Reaktion Russlands, das mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine einen Nato-Beitritt des Landes zu verhindern versucht. Die führenden Staaten machten bereits deutlich, dass sie vorerst keine Zusagen machen wollen, die substanziell über eine vage Nato-Erklärung aus dem Jahr 2008 hinausgehen. Darin hatten die damaligen Staats- und Regierungschefs vereinbart, dass die Ukraine und Georgien der Nato beitreten sollen, ohne aber einen konkreten Zeitplan zu nennen.

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach sich zuletzt für das „Modell Israel“ aus. Es sei schwierig, in absehbarer Zeit einen Konsens unter den Verbündeten über eine Nato-Vollmitgliedschaft der Ukraine zu erzielen, räumte der französische Präsident bei einer Sicherheitskonferenz in Bratislava ein. Das berichtete unter anderem die „Neue Züricher Zeitung“. Ein Ausweg aber sei, das Land über den Krieg hinaus massiv mit Waffenlieferungen zu unterstützen, wie es etwa die USA im Falle Israels täten.

Selenskyj macht Druck: Nato-Beitritt als Hoffnungsschimmer im Krieg

Die Ukraine hofft mit einem raschen Nato-Beitritt indes auf mehr Unterstützung im Krieg mit Russland. „Wir brauchen Frieden. Deshalb sollte jedes europäische Land, das an Russland grenzt und das nicht will, dass Russland es auseinanderreißt, ein vollwertiges Mitglied der EU und der Nato sein“, sagte Selenskyj beim Gipfeltreffen der EPG in Moldau. Einzige Alternativen dazu seien ein offener Krieg oder eine grausame russische Besatzung.

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Selenskyj warnte die EU- und Nato-Staaten vor einer Hinhaltetaktik. „Denken Sie an die Enttäuschung unserer Soldaten, die für Freiheit kämpfen, als auch an die Enttäuschung jener Nationen, für die unser Kampf in der Ukraine Hoffnung ist“, sagte er. Wenn nicht einmal diejenigen eine klare positive Antwort auf den Wunsch zum Nato- und EU-Beitritt bekämen, die die Werte Europas mit Blut verteidigten, könne es für andere kaum mehr fassbare Hoffnung geben.

Rückenwind von Osten

Unterstützung bekommt Selenskyj mit seinem Beitrittswunsch vor allem von den östlichen Bündnisstaaten. Die Ukraine brauche einen klaren Weg und die nächsten Schritte, um in das Bündnis aufgenommen zu werden, sagte zuletzt der estnische Außenminister Margus Tsahkna. Der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis erklärte: „Es ist höchste Zeit, dass wir uns tatsächlich zusammensetzen und eine sehr spezifische, sehr konkrete Antwort darauf finden, wie die Ukraine sich der Nato annähern und eines Tages Mitglied des Bündnisses werden kann.“

Nachhaltiger Frieden kann nur eine Realität werden, wenn sich die Ukraine fest in diesen Strukturen befindet.

Anders Fogh Rasmussen, ehemaliger Nato-Generalsekretär

Sogar der frühere Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat sich für eine Aufnahme der Ukraine in das westliche Verteidigungsbündnis sowie in die EU ausgesprochen. „Ohne Wenn und Aber: Die Ukraine muss der Nato und der Europäischen Union beitreten“, sagte Rasmussen am Montag bei einem von ihm organisierten Demokratiegipfel in Kopenhagen.

In einem Papier rief Rasmussens Organisation, die Alliance of Democracies Foundation, die westlichen Partner der Ukraine dazu auf, die Beitrittsprozesse der Ukraine zu Nato und EU zu priorisieren. „Der Krieg hat gezeigt, dass es immer Instabilität und die Gefahr eines russischen Angriffs geben wird, solange sich die Ukraine außerhalb euroatlantischer Strukturen befindet“, hieß es weiter. „Nachhaltiger Frieden kann nur eine Realität werden, wenn sich die Ukraine fest in diesen Strukturen befindet.“

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Nato-Ukraine-Rat als Kompromiss?

Innerhalb der Nato wird derzeit über ein neues Format für die Zusammenarbeit in der vermutlich noch langen Übergangszeit bis zum Beitritt der Ukraine nachgedacht. Die Nato-Außenminister hätten zuletzt darüber diskutiert, die bestehende Nato-Ukraine-Kommission zu einem neuen Nato-Ukraine-Rat aufzuwerten, erklärte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Ein solches gemeinsames Beratungsforum wäre ein wichtiger Schritt, um mit der Ukraine auf Augenhöhe Schlüsselfragen der Sicherheit diskutieren zu können.

Der Vorschlag für den neuen Nato-Ukraine-Rat wird als eine Möglichkeit gehandelt, der Ukraine beim bevorstehenden Bündnisgipfel in Litauen entgegenzukommen. Stoltenberg hatte bereits vergangene Woche gesagt, die Gespräche zu den Ambitionen der Ukraine dauerten noch an. Niemand wisse, wie die endgültige Entscheidung beim Nato-Gipfel am 11. und 12. Juli in Litauen ausgehen werde.

RND/hyd/dpa

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