Wahlprogramm der Linken zur Bundestagswahl 2021 – das steht drin
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Die Linken-Vorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler.
© Quelle: Frank May/dpa
Berlin. Der Wahlkampf ist in seine heiße Phase eingetreten. Die Spitzenkandidaten der großen Parteien reisen durch die Lande, um für sich und ihre Partei zu werben, und absolvieren einen TV-Auftritt nach dem nächsten. Aber wofür stehen die Parteien eigentlich? Was wollen sie für ihre Wähler erreichen? Wir haben die Wahlprogramme durchsucht und stellen hier die Aspekte zu wichtigen Themen wie Verkehr, Steuern oder Migration vor. Hier schauen wir ins Wahlprogramm der Linken.
Verkehr
Autoverkehr: Die Linke will gar keine neuen Autobahnen mehr bauen und fordert den Ausstieg aus dem fossilen Verbrennungsmotor bis spätestens 2030. Als Tempolimit schlägt sie vor: 120 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen und eine Regelgeschwindigkeit von 30 km/h innerorts.
Bahnverkehr: Die Linke will die Investitionen in die Schieneninfrastruktur um das Fünffache erhöhen. Ein europäisches Nachtzugnetz soll eingeführt werden, alle deutschen Großstädte sollen auch mit Nachtzügen mit Liegewagen erreichbar sein. Stillgelegte Bahnstrecken sollen reaktiviert werden.
Flugverkehr: Die Linke verlangt ein Verbot von Kurzstreckenflügen bis 500 Kilometer. Die Bundesbeteiligungen an Lufthansa und Bahn sollen in eine bundeseigene Gesellschaft überführt werden. Diese soll den Bahnverkehr ausbauen und im Gegenzug Inlandsflüge reduzieren.
ÖPNV: Die Linke kleidet die Mobilitätsgarantie in konkrete Zahlen: Alle Gemeinden untereinander und das nächste städtische Zentrum sollen mindestens im Stundentakt von 6 bis 22 Uhr angebunden werden. Zudem soll es Frauennachttaxen geben.
Flucht und Migration
Die Linke fordert in ihrem Wahlprogramm die rechtliche, politische und soziale Gleichstellung aller in Deutschland Lebenden und will allen langfristigen Einwohnerinnen und Einwohnern das aktive und passive Wahlrecht geben. Die Linke will die Anerkennung ausländischer Qualifikationen und Abschlüsse verbessern, damit auch Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger ihre Berufe in Deutschland weiter ausüben können. Mit einem Teilhabegesetz will sie eine Quote für Menschen mit Migrationsgeschichte in der öffentlichen Verwaltung einführen.
Die Partei will sich für globale Bewegungsfreiheit einsetzen und fordert Asyl auch für Armuts-, Umwelt- und Klimaflüchtlinge. Die Linke will die EU-Grenzschutzagentur Frontex auflösen und durch ein ziviles europäisches Seenotrettungsprogramm ersetzen. Abschiebungen lehnt die Partei ab.
Klimaschutz und Energiebonus
Die Linke bezeichnet die ökologische Krise als „die große Überlebensfrage des 21. Jahrhunderts“ und „Klassenfrage“. Die Partei wirbt mit einer „sozialökologischen Investitionsoffensive“. Sie will damit „attraktive Dienstleistungen und öffentliche Angebote für gute Arbeit schaffen – inklusiv, demokratisch und gemeinwohlorientiert. Wir setzen dabei auf eine Erneuerbare-Energien- und Mobilitätswende für ökologische und bezahlbare Energieversorgung und Mobilität für alle.“
Rente
„Wir wollen das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent anheben“, verspricht die Linke. Dies sei problemlos innerhalb einer Legislaturperiode möglich. Wer aktuell eine durchschnittliche Rente erhalte, bekomme dann etwa 100 Euro im Monat mehr.
Die Linke will dies durch höhere Beiträge für die Rentenversicherung finanzieren – und verweist darauf, dass im Gegenzug die Riester-Rente verzichtbar sei. Zugleich will die Linke die Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenversicherung drastisch erhöhen – die daraus entstehenden zusätzlichen Rentenansprüche für hohe Einkommen aber begrenzen.
Die Linke will eine „Solidarische Mindestrente“ von 1200 Euro einführen – finanziert aus Steuermitteln. Wie SPD und Grüne streben die Linken eine Rentenversicherung für alle an.
Außen- und Verteidigungspolitik
Die Sicherheitspolitik ist für die Linke ein Prüfstein für eine Regierungsbeteiligung: Man werde nicht in einer Regierung dabei sein, die „Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zulässt“. Interessant: Genannt werden an dieser konkreten Stelle nur die Kampfeinsätze, nicht aber Ausbildungsmissionen, die die Linke aber auch ablehnt.
Anders als derzeit geplant soll sich die Bundeswehr allein auf Verteidigungsaufgaben konzentrieren. Das durch rechtsextreme Umtriebe und Munitionsschlamperei aufgefallene Kommando Spezialkräfte (KSK) will die Linke auflösen, genauso wie die Cybereinheit der Bundeswehr – für diesen Bereich seien Sicherheitskräfte wie die Polizei zuständig.
Die bislang nur ausgesetzte Wehrpflicht will die Linke endgültig abschaffen. Die Bundeswehr soll nicht mehr an Schulen für sich werben und außerdem keine Minderjährigen mehr aufnehmen dürfen.
Die Linke würde die Nato gerne in ein neues Sicherheitsbündnis umbauen, in dem auch Russland beteiligt ist. Gelinge dies nicht, müsse Deutschland aus der Nato austreten.
Sie sieht einen neuen Kalten Krieg im Gange. USA und EU stünden gegen Russland und gegen China. Das Zwei-Prozent-Ziel der Nato für Verteidigungsausgaben lehnt die Linke ebenso ab wie bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr. Gefordert wird der sofortige Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland.
Rüstungsexporte sollen verboten werden, in einem ersten Schritt in Länder mit Menschenrechtsverletzungen und Kriegsbeteiligung. Für die Beschäftigten der Rüstungsindustrie soll es neue Berufsperspektiven geben.
Steuersystem
Die Linkspartei will den Grundfreibetrag auf 14.000 Euro anheben. Der Spitzensteuersatz soll auf 53 Prozent steigen und ab 70.000 Euro greifen. Die Reichensteuer will die Linke ebenfalls anheben – auf 60 Prozent ab einem Einkommen von 260.000 Euro und auf 75 Prozent ab einer Million.
Zudem soll Vermögen ab einer Million Euro mit 5 Prozent belastet werden. Zur Finanzierung der Corona-Lasten will die Linkspartei zusätzlich eine Vermögensabgabe zwischen 10 und 30 Prozent für Vermögen über 2 Millionen Euro einführen.
Europa
Die Linke spricht sich in ihrem Wahlprogramm für eine EU-Verfassung aus. Das soll die EU für jene Menschen wieder attraktiver machen, die sich in den letzten Jahren enttäuscht abgewandt hätten. In der EU müsse der Reichtum von oben nach unten verteilt werden, schreibt die Partei in ihrem Wahlprogramm.
Konkrete Forderungen sind ein EU-weiter Mindeststeuersatz für Unternehmen und gemeinsame Mindeststandards für die Besteuerung großer Vermögen. Banken, die in Steueroasen operieren, soll die Lizenz entzogen werden. Die Linke will eine Finanztransaktionssteuer erheben, die direkt in die Kasse der EU fließt.
Das Europaparlament soll künftig mehr zu sagen haben, wenn es um die Verteilung der Fördergelder geht. Bislang seien Teile des EU-Haushalts „versteckte Subventionen für Großkonzerne“, moniert die Linke und schreibt: Damit die EU eine Zukunft habe, müsse der „Investitionsstau im Sozialstaat, in der Bildung, auf dem Arbeitsmarkt und beim Klimaschutz“ so schnell wie möglich beendet werden.
Wohnungspolitik
Die Linke will den Mietendeckel – wie ihn das Bundesverfassungsgericht im April aufgrund fehlender Zuständigkeit des Landes in Berlin gekippt hatte – bundesweit möglich machen. Überall, wo es angespannte Wohnungsmärkte gibt, will die Partei außerdem die Mieten für bestehende Mietverträge einfrieren. Was ein angespannter Wohnungsmarkt ist, soll dabei im Ermessen der Kommunen liegen. 15 Milliarden Euro im Jahr will Die Linke in sozialen, kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbau investieren. Um mehr Wohnraum zu schaffen, will sie auch ehemalige Kasernen zu Sozialwohnungen umbauen.
Die Linke setzt sich wie SPD und Grüne für eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit ein. Die Förderung und steuerliche Vergünstigung für den Wohnungsbau will die Partei an dauerhafte Mietobergrenzen, Pflichten zur Reinvestition von Gewinnen und Mitbestimmungsrechte für Mieterinnen und Mieter knüpfen. Die Linke will die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen weitgehend verbieten und Eigenbedarfskündigungen erschweren. Die Partei spricht sich für ein „Recht auf Mietstreik“ und für die Enteignung großer Wohnungskonzerne aus.
Gesundheit
Die Linkspartei setzt wie SPD und Grüne auf eine Bürgerversicherung. Durch die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze sollen die Beträge nach oben nicht mehr begrenzt werden, was Besserverdienende belastet. Dadurch soll der Beitragssatz von jetzt rund 16 auf etwa 12 Prozent sinken.
Privatisierte Krankenhäuser wollen die Linken wieder in die kommunale, öffentliche oder gemeinnützige Hand überführen. Gefordert wird zudem die Einstellung von 100.000 zusätzlichen Pflegekräften und eine gesetzliche Personalbemessung für alle Berufe im Krankenhaus. Besitz und Anbau von Cannabis zum eigenen Bedarf soll erlaubt werden.
Innere Sicherheit
Die Linke drängt in erster Linie darauf, rechtsextremistische Gewalt zu stoppen. Sie plädiert in diesem Zusammenhang für eine Stärkung der Zivilgesellschaft mithilfe eines Demokratiefördergesetzes. Die Linke will darüber hinaus „den Verfassungsschutz durch eine unabhängige Beobachtungsstelle ersetzen“ sowie „ein Bleiberecht für die Opfer rechter Gewalt“ – bei Betroffenen also, die keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen und etwa als Flüchtlinge theoretisch ausgewiesen werden können.
Auch mahnt sie eine wissenschaftliche Untersuchung extrem rechter Einstellungen und rassistischer Praktiken bei Polizei und Bundeswehr an und wendet sich „gegen Rassismus und Korpsgeist“. Vor einem „Überwachungsstaat“ warnt die Linke und spricht sich daher für mehr Datenschutz aus.
Wenn die Linke im Wahlprogramm von Sicherheit spricht, dann meint sie nicht Sicherheit mit dem Staat, sondern Sicherheit vor dem Staat. Als schützenswert gelten nicht zuletzt Flüchtlinge. Damit markiert sie den maximalen Gegensatz zu Union und mehr noch zur AfD.
Bildung
Die Linke fordert eine Offensive des Bundes für mehr Lehrkräfte und Erzieher. Gebraucht würden 100.000 Lehrerinnen und Lehrer sowie 200.000 zusätzliche Fachkräfte in den Kitas. Schulsozialarbeit müsse zum Standard werden.
Die Linke dringt, wie die FDP, auf eine Grundgesetzänderung, damit Bund und Länder in der Bildung besser zusammenarbeiten könnten. Nur so sei es möglich, erhebliche Fortschritte im Kampf gegen Bildungsungerechtigkeit zu machen – erst recht in einer Zeit, in der sich diese durch die Corona-Krise noch einmal verschärft habe. Bildung müsse für alle gebührenfrei sein – das fange bereits beim Kita-Platz an.
Altenpflege
Wie Grüne und SPD plant auch die Linkspartei die Ausweitung der Pflegeversicherung auf die gesamte Bevölkerung – ohne Eigenanteile. Dabei sollen Beiträge in unbegrenzter Höhe erhoben werden, ohne die bisherige Beitragsbemessungsgrenze. Auch auf Kapitaleinnahmen will die Linkspartei Beiträge erheben.
Die Beschäftigung von Pflegekräften in Privathaushalten, also auch die 24-Stunden-Pflege, soll als reguläre Beschäftigung über öffentliche Agenturen, gemeinwohlorientierte oder kommunale Träger organisiert werden. Diese müssen nach Ansicht der Linken eine tarifliche Bezahlung, unbefristete Beschäftigung sowie das Recht auf eine vertragliche Mindeststundenzahl garantieren.
Aufbau Ost
Das umfangreichste Ostkapitel hat zweifellos die Linke. Das einschlägige Kapitel ist überschrieben mit: „Selbstbewusster Osten – Ostdeutsche Interessen stärken“. Die Linke will den Mindestlohn auf 13 Euro anheben. Davon, so sagen sie, würden 40 Prozent der ostdeutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitieren. Sie fordert auch „eine Lohnoffensive Ost durch mehr Tarifbindung und flächendeckende Tarifverträge, um die Löhne in den neuen Ländern bis zum Ende der kommenden Legislaturperiode im Jahr 2025 zu 100 Prozent an das Westniveau anzugleichen“.
Die Partei macht sich außerdem für „eine sofortige Angleichung der Ostrenten zu 100 Prozent an das Westniveau“ stark und will mehr Ostdeutsche auf Führungspositionen im öffentlichen Dienst. Daneben sollen Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist, ihren Sitz nach Ostdeutschland verlegen.
Last, but not least plädiert sie für die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Treuhandaktivitäten zwischen 1990 und 1994 – sowie ein „Reindustrialisierungsprogramm Ost“. Man merkt dem Wahlprogramm der Linken deutlich an, dass sie sich nicht zuletzt als Ostpartei begreift.
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