Wahlprogrammvergleich: Was die Parteien in der Außen- und Verteidigungspolitik planen
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Ein Bundeswehrsoldat im Einsatz in Mali im Jahr 2018. Die meisten Parteien hätten gern eine aktivere Rolle Deutschlands in der Außenpolitik, auch eine bessere Ausstattung zur Bundeswehr gehört zum Konsens – zumindest größtenteils. Die Details allerdings differieren.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Berlin. Außenpolitik ist nicht nur etwas für Diplomaten. Die Beziehungen zu anderen Staaten beeinflussen die Wirtschaftsentwicklung. Kriege und regionale Spannungen können Fluchtbewegungen auslösen. Für viele Probleme, wie den Kampf gegen den Klimawandel, ist es hilfreich, wenn möglichst viele Staaten zusammenstehen.
Eine aktivere Rolle Deutschlands sehen die meisten der im Bundestag vertretenen Parteien, auch eine bessere Ausstattung zur Bundeswehr gehört zum Konsens – zumindest größtenteils. Die Details allerdings differieren: der Blick auf Länder wie Russland genauso wie der auf Rolle und Ausstattung der Truppe. Eine Übersicht der Wahlprogramme von Union, Grünen, SPD, FDP, Linkspartei und AfD.
SPD
Die SPD fasst den Begriff der äußeren Sicherheit unter der Überschrift „Frieden sichern“ sehr weit und listet darunter auch den Kampf gegen Klimawandel und für fairen Handel. Rund ein Drittel der Entwicklungshilfe, genauer gesagt 0,2 Prozent des Bruttonationaleinkommens, soll für die ärmsten Entwicklungsländer reserviert werden.
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SPD-Politiker Heiko Maas ist derzeit Bundesaußenminister. Ob er auch nach den Bundestagswahlen weiterhin das Amt ausführen wird, ist fraglich. Seine Partei plädiert in jedem Fall unter anderem für eine gemeinsame europäische Armee und bekennt sich zur Nato.
© Quelle: imago images/photothek
Russland wirft die SPD Rechtsbrüche unter anderem durch die Annexion der Krim und durch Cyberangriffe vor, wählt aber einen weniger konfrontativen Ton als die Union: „Frieden in Europa kann es nicht gegen, sondern nur mit Russland geben.“ Menschenrechtsverletzungen prangert die SPD auch gegenüber China an, betont aber ebenfalls die Notwendigkeit zur Kooperation etwa mit Blick aufs Klima. Für Israel wird eine Zwei-Staaten-Lösung empfohlen.
Die SPD plädiert für eine gemeinsame europäische Armee und bekennt sich zur Nato. Die Bundeswehr will sie „gut“ ausstatten. Zur Beschaffung bewaffneter Drohnen und neuer Kampfflugzeuge als Ersatz für die in die Jahre gekommenen Tornados, die die Union bereits in der laufenden Wahlperiode gerne entschieden hätte, verhält sich die SPD weiter abwartend. Hier müsse weiter diskutiert werden.
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Explizit gewünscht wird der Abzug der in Deutschland stationierten Atomwaffen – allerdings nicht ohne weiteres: Abrüstungsvereinbarungen zwischen den USA und Russland seien dafür nötig. Die Rüstungskontrolle will die SPD auf die Bereiche Biotechnologie, Cyber und Künstliche Intelligenz erweitern. Um die Ausfuhr von Rüstungsgütern besser kontrollieren zu können, soll künftig auch der endgültige Verbleib von Waffen dokumentiert werden.
Grüne
Moderieren und abwarten reiche in der Außenpolitik nicht, finden die Grünen – ein Seitenhieb auf die Groko. Bei der politischen Entschärfung von Konflikten soll Deutschland treibende Kraft werden, aber keine nationalen Alleingänge unternehmen. Für zivile Krisenprävention soll es mehr Geld geben. Und verhandelt werden soll häufiger von Frauen – mittels einer 50-Prozent-Quote.
China und Russland werfen die Grünen unter anderem Missachtung von Menschenrechten vor. Eine EU-Mitgliedschaft der Türkei halten die Grünen für denkbar, allerdings erst nach einer Wende des Landes zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.
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Annalena Baerbock ist Kanzlerkandidatin der Grünen. Ihre Partei spricht sich dafür aus, dass Rüstungsexporte strenger geregelt werden sollten.
© Quelle: Fabian Sommer/dpa
Ziel der Grünen ist ein atomwaffenfreies Deutschland. Dazu brauche es Zwischenschritte. Die Nato etwa solle sich zum Verzicht auf Erstschläge verpflichten.
Rüstungsexporte sollen strenger geregelt werden, mit Verbandsklagerecht und Endverbleibskontrolle. Digitale Überwachungstechnik soll nicht mehr an repressive Staaten verkauft werden dürfen.
Die Bundeswehr gehört auch zur Welt der Grünen: Ausrüstungsmängel müssten behoben werden. Offen zeigen sich die Grünen für den Kauf bewaffneter Drohnen. Sie könnten Soldaten schützen. Vor dem Kauf müssten aber die Einsatzszenarien festgelegt werden.
Ein Fokus ist die Verbesserung der Betreuung von Soldaten nach Einsätzen und das Zerschlagen extremistischer Strukturen in der Truppe. Eine Veränderung für die Nachwuchsgewinnung: Rekrutiert werden dürften Jugendliche nicht mehr vor ihrem 18. Geburtstag.
Die Nato ist für die Grünen unverzichtbar. Sie wirke einer Renationalisierung der Sicherheitspolitik entgegen. Das Zwei-Prozent-Ziel der Nato lehnen die Grünen aber als zu abstrakt und statisch ab.
CDU/CSU
Als stärkste Wirtschaftsnation Europas soll Deutschland in der Außen- und Sicherheitspolitik eine führende Rolle spielen. Für die Union heißt das auch: mehr Bundeswehreinsätze im Ausland. Zur Koordinierung innerhalb der Bundesregierung soll es einen Nationalen Sicherheitsrat geben.
Die Union unterstützt das Nato-Ziel, die Verteidigungsausgaben auf die in der Nato vereinbarte Höhe von 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben. Bis 2030 soll die Bundeswehr 10 Prozent der Nato-Fähigkeiten stellen. Die nukleare Teilhabe in der Nato, mit der die Stationierung von Atomwaffen begründet werden kann, sei wichtig für „glaubwürdige Abschreckung“. Bewaffnete Drohnen soll die Bundeswehr auf jeden Fall bekommen. Ohne Konkretisierung angekündigt wird eine Reform des Beschaffungswesens der Bundeswehr.
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Armin Laschet (l.), Kanzlerkandidat der Union und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, und Markus Söder, CSU-Vorsitzender und Ministerpräsident von Bayern, haben ein Wahlprogramm ihrer Parteien für die Bundestagswahl verabschiedet. Aus Sicht der Union sollte Deutschland in der Außen- und Sicherheitspolitik eine führende Rolle spielen.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Bundeswehrsoldaten sollen künftige neben der Bahn auch den ÖPNV kostenlos nutzen können. Der Besuch von Jugendoffizieren in Schulen, die dort für den Soldatenberuf werben, soll zur Regel werden.
Als Partner hebt die Union die USA, indo-pazifische Staaten, Lateinamerika und Afrika hervor, mit einem Fokus auf Handel, Klimapolitik und Bekämpfung von Organisierter Kriminalität und Terrorismus. Der Machtwillen Chinas wird als Herausforderung, Russland als mögliche militärische Bedrohung bezeichnet. Auch hier fällt das Wort Abschreckung. Dialog sei aber weiter geboten.
Im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern plädiert die Union für die Zwei-Staaten-Lösung. Weiter sollen 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens in die Entwicklungshilfe fließen – von den Empfängerländern wird erwartet, dass sie abgeschobene Flüchtlinge aufnehmen.
FDP
Eine neue strategische Rolle für Deutschland will auch die FDP. Wie die Union fordert sie einen Nationalen Sicherheitsrat, in dem das Vorgehen besprochen werden soll. Das Zwei-Prozent-Ziel der Nato will die FDP erfüllen, nennt es aber nicht direkt. Statt dessen fordert sie 3 Prozent für Investitionen in internationale Sicherheit, inklusive Entwicklungshilfe und Diplomatie. Das erlaubt mehr Flexibilität.
Die Bundeswehr will die FDP besser ausstatten, die Finanzierung langfristig absichern. Beim Thema Abrüstung plädieren die Liberalen für deutsche Impulse für neue Verhandlungen. Atomwaffen in Deutschland kommen nicht zur Sprache.
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Christian Lindner, Fraktionsvorsitzender und Parteivorsitzender der FDP, spricht während einer Pressekonferenz. Die Liberalen möchten, dass Entwicklungshilfe gestrichen werden können, wenn die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen eingeschränkt werden.
© Quelle: Marcel Kusch/dpa
Deutlich mehr Überlegungen als der Bundeswehr widmet die FDP Russland, dem es eine zunehmend autoritäre Entwicklung bescheinigt. Ausführlich kritisiert die FDP auch Menschenrechtsverletzungen durch China. Bei den USA heben die Liberalen die Verhandlungen für einen sicheren transatlantischen Datenverkehr hervor.
Perspektive für Israel ist die Zwei-Staaten-Lösung. Die FDP fordert außerdem, Hilfszahlungen an die Palästinensergebiete darauf zu überprüfen, ob mit ihnen Gewalt finanziert wird. Generell soll Entwicklungshilfe gestrichen werden können, wenn die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen eingeschränkt werden.
Außenpolitik trifft Wirtschaft: Die Ministerien sollen Innovationsbotschafter in die IT-Hot-Spots der Welt positionieren und damit Anknüpfungspunkte für deutsche Start-ups schaffen.
AfD
Deutsche und europäische Autonomie fordert die AfD, spricht sich aber gegen eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) aus. Den Einsatzbereich der Nato will die AfD auf das Territorium der Mitgliedsstaaten begrenzen.
Internationale Organisationen wie OSZE und Nato stützt die AfD „bis auf weiteres“, sieht sie aber gleichzeitig als Bedrohung für das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“, mutmaßlich in Gleichsetzung der Begriffe Staat und Volk.
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Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, und Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender, gehen als Spitzenkandidatenduo der AfD in die Bundestagswahl. Die AfD will die Wehrpflicht wieder aufleben lassen, zumindest für Männer.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Deutliche Distanz zeigt die AfD zur Türkei, deren EU-Beitritt sie ablehnt. Kritik an Russland und China wird vermieden. Die AfD fordert die Aufhebung der EU-Sanktionen gegen Russland und sieht China vor allem als Handelspartner, an dessen Seidenstraßenprojekt sich Deutschland beteiligen solle.
Die AfD will die Wehrpflicht wieder aufleben lassen, zumindest für Männer. Frauen sowie Männer, die keinen Militärdienst ableisten, sollen ein Jahr in der Pflege, bei der Feuerwehr oder beim Technischen Hilfswerk arbeiten. Soldat werden soll nur dürfen, wer keine doppelte Staatsbürgerschaft hat. Betont werden außerdem Korpsgeist, Traditionen und „deutsche Werte“ der Bundeswehr, ohne dass dies genau ausgeführt wird.
Zu Rechtsextremismus in der Truppe verhält sich die AfD nicht. Sie plädiert für den Abzug von Atomwaffen aus Deutschland. Wenn außerdem die auf Deutschland gerichteten Kurzstreckenwaffen abgebaut würden, müsse man auch die Nato im Bereich Atomwaffen nicht mehr logistisch unterstützen.
Zu Rüstungsexporten und bewaffneten Drohnen verhält sich die AfD nicht, betont aber die Bedeutung der wehrtechnischen Industrie in Deutschland.
Linke
Die Sicherheitspolitik ist für die Linke ein Prüfstein für eine Regierungsbeteiligung: Man werde nicht in einer Regierung dabei sein, die „Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zulässt“. Interessant: Genannt werden an dieser konkreten Stelle nur die Kampfeinsätze, nicht aber Ausbildungsmissionen, die die Linke aber auch ablehnt.
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Gregor Gysi ist außenpolitischer Sprecher der Linken im Bundestag. Seine Partei lehnt das Zwei-Prozent-Ziel der Nato für Verteidigungsausgaben ebenso ab wie bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr.
© Quelle: imago images/Future Image
Anders als derzeit geplant soll sich die Bundeswehr allein auf Verteidigungsaufgaben konzentrieren. Das durch rechtsextreme Umtriebe und Munitionsschlamperei aufgefallene Kommando Spezialkräfte (KSK) will die Linke auflösen, genauso wie die Cybereinheit der Bundeswehr – für diesen Bereich seien Sicherheitskräfte wie die Polizei zuständig.
Die bislang nur ausgesetzte Wehrpflicht will die Linke endgültig abschaffen. Die Bundeswehr soll nicht mehr an Schulen für sich werben und außerdem keine Minderjährigen mehr aufnehmen dürfen.
Die Linke würde die Nato gerne in ein neues Sicherheitsbündnis umbauen, in dem auch Russland beteiligt ist. Gelinge dies nicht, müsse Deutschland aus der Nato austreten.
Sie sieht einen neuen Kalten Krieg im Gange. USA und EU stünden gegen Russland und gegen China. Das Zwei-Prozent-Ziel der Nato für Verteidigungsausgaben lehnt die Linke ebenso ab wie bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr. Gefordert wird der sofortige Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland.
Rüstungsexporte sollen verboten werden, in einem ersten Schritt in Länder mit Menschenrechtsverletzungen und Kriegsbeteiligung. Für die Beschäftigten der Rüstungsindustrie soll es neue Berufsperspektiven geben.