Warmreden im politischen Olymp für die Kanzlerkandidatur
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Politischer Aschermittwoch in Bayern – CSU: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hält beim Politischen Aschermittwoch der Partei einen Maßkrug.
© Quelle: Peter Kneffel/dpa Pool/dpa
Berlin. Armin Laschet nimmt die Einladung in die Höhle des bayerischen Löwen an und hält erstmals in der Geschichte der CSU als Vorsitzender der CDU ein Grußwort zum Hochamt der Schwesterpartei: dem Aschermittwoch in Passau. In Corona-Zeiten natürlich digital und damit recht nüchtern und fast komplett im Zeichen der Pandemie – auch bei den Auftritten anderer Spitzenpolitiker im Land. Gut acht Minuten grüßt der nordrhein-westfälische Ministerpräsident im – wie er es nennt – „politischen Olymp“ die Partei und das Bundesland seines Amtskollegen Markus Söder.
Das Signal: Seht her, die Union ist geschlossen wie nie, wir verstehen uns bestens (trotz noch offener Kanzlerkandidatenfrage), Söder ist super. Das Lob verhindert nur nicht, dass der bayerische Ministerpräsident in seiner über einstündigen, weitgehend ernsten und die Corona-Politik erklärenden Rede austeilen wird gegen den Christdemokraten aus Düsseldorf.
Und das geht so: „Es waren die Bundeskanzlerin und einige Mitstreiter, die entschieden haben, zuzumachen”, erinnert Söder, der seit Monaten Merkels vehementester Mitstreiter unter den Ministerpräsidenten ist. Er fährt fort: „An alle, die jetzt auch gern an ihr Kritik üben, sage ich das sehr deutlich: Jeder, der meint, Merkel-Stimmen im September zu bekommen, der muss wissen, Merkel-Stimmen gibt es nur mit Merkel-Politik und nicht so dagegen.“
Laschet hatte just zu Wochenbeginn eine neue Öffnungsdebatte forciert und die Bevormundung der Bürger beklagt. Es war als deutliche Distanz zur langjährigen CDU-Vorsitzenden Merkel und zu Söder verstanden worden. Dieser mahnt jetzt inständig: „Durchhalten, bitte.“ Die Virusmutation sei gefährlich. Es gebe schon so viele Corona-Tote. Er gehöre lieber dem „Team Vorsicht“ an.
„Echt geiles Programm“
Sie schenken sich nichts, die beiden, Laschet und Söder. Wer von ihnen Kanzlerkandidat wird, wollen sie in einigen Wochen klären. Laschet sagt, die Kanzlerschaft müssten CDU und CSU schaffen, um dann ein „Modernisierungsjahrzehnt“ einleiten zu können. Ökologie und Ökonomie müssten in Einklang gebracht und eine „Verbotspolitik“ (Gruß an die Grünen) abgewehrt werden.
Söder will das toppen. Die CSU stehe für Innovation und Investition, mehr Freiheit, weniger Bürokratie, mehr Forschung, weniger Steuern, schlicht für ein „echt geiles Programm“, sagt der 54-Jährige. Die anderen Parteien dürften patzen, die CSU als „Partei der Führung“ habe die „Letztverantwortung“ und er als ihr Vorsitzender nicht nur Bayern im Blick, sondern auch einen „bundesweiten und europaweiten Anspruch“, betont Söder. Da ist es wieder, das Zündeln mit der Kandidatenfrage.
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NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) spricht ein Grußwort für den politischen Aschermittwoch der CSU in Passau.
© Quelle: Federico Gambarini/dpa-Pool/dpa
Er sitzt während seiner Rede in einem „CSU-Wohnzimmer“, an einem zünftigen Holztisch mit Brotzeit und Bierkrug. Ab und zu nimmt er einen Schluck. Ist aber nur Cola light drin, sagt Söder. Er spickt seinen Auftritt mit eher wenig Wahlkampfgetöse. Nur so etwas: SPD-Kanzlerkandidat und Finanzminister Olaf Scholz habe eher die Begabung, Blutdruck zu senken als steigen zu lassen. Scholz nimmt Söder dafür indirekt als etwas größenwahnsinnig bei gleichzeitiger inhaltlicher Lightversion auf die Schippe. Söder beklagt noch die schleppende Auszahlung der Überbrückungshilfen (der Bund sei schuld) und die Impfstoffmangelware (die EU sei schuld, und der Bund habe zu hohe Erwartungen geweckt).
Die FDP erklärt er zu seiner bevorzugten Wahl für eine Koalition. Mit den Grünen sei es „möglich, aber nicht einfach“. Wie Laschet versucht Söder, den Grünen das Verbotsparteietikett anzuhängen, indem er die von Fraktionschef Anton Hofreiter angestoßene Debatte über die Eindämmung von flächenverbrauchenden Neubauten verkürzt und damit verzerrt wiedergibt.
Habeck wirft der Bundesregierung „Rumhühnern“ vor
Auch die Grünen haben sich ein Wohnzimmer zusammengebaut, etwas kahler als bei der CSU. Auf Sesseln sitzen die beiden Parteivorsitzenden an einem Couchtisch vor einem grünen Vorhang. Auf dem Tisch stehen Wassergläser. Ein riesiger Flachbildschirm hängt an der Wand. Keine Ökoanmutung jedenfalls. Man sitze da jetzt „in unserem kleinen Einfamilienhaus“, frotzelt Robert Habeck und lässt wissen, dass in seinem Wohnzimmer – in einem Haus in Schleswig-Holstein – auch mal Socken unter dem Tisch herumliegen. In der Aufregung über die Frage, ob die Grünen künftig das Häuslebauen verbieten wollten, hatte Habeck schon vorher erklärt, dass das abwegig sei.
Auch bei den Grünen ist die Kanzlerkandidatenfrage noch nicht entschieden, also halten beide eine Rede. Annalena Baerbock beginnt. „Meine Lieblingsparteivorsitzende“, kündigt Habeck sie an und hält dann selbst die weniger nervöse Rede. Beide kritisieren die Corona-Politik der Bundesregierung, in denen die Minister vor allem damit beschäftigt seien, miteinander zu streiten. Man müsse „raus aus der Politik des Abwartens, raus aus dem Beschwichtigungsmodus“, fordert Baerbock. Angesichts der Probleme helfe es nicht zu sagen, „dass es eigentlich ganz gut läuft“.
Das richtet sich an Merkel und an Söder. „Die Bundesregierung fährt auf Sicht – mit verbundenen Augen“, kritisiert Habeck und beschreibt Abstimmungsschwierigkeiten mit einem in der Politik seltenen Wort: „Rumhühnern ist der korrekte Fachbegriff.“ Deutschland erlebe „die Machtlosigkeit von Macht“. Fast wie eine Predigt wirkt Habecks Rede, als er die Verzweiflung einer Frau schildert, die an seiner Haustür geklingelt und ihre Überforderung mit der Pandemie geschildert habe.
Politik sei eine Herzensangelegenheit, sagt Baerbock, die den Ruf einer Supernüchternen hat. Habeck nimmt sich den Begriff der Freiheit als Leitmotiv. Ein Jahr der Entscheidung stehe an, konstatieren beide, und Baerbock verspricht Habeck noch, ihn zum Geburtstag ins Fußballstadion einzuladen, wenn es wieder möglich sei. „Dazu gehört dann Bier – hoffentlich nicht im Plastikbecher“, sagt Habeck.
Laschet sendet nicht aus dem Wohnzimmer. Er steht an einem Pult, aber darauf steht immerhin ein Maßkrug. „Ich habe in den Tiefen meiner Freunde gekramt“, um dieses sehr alte Exemplar mit lateinischer Inschrift über das einzigartige Leben in Bayern zu finden. Der Rheinländer weist augenzwinkernd darauf hin: „Es gibt auch außerhalb Bayerns Leben.“ Am Rhein zum Beispiel, und „überall in Deutschland gibt es ein tolles Leben“. Aber ein Deutschland ohne Bayern oder CSU möge er sich nicht vorstellen. Kann man so verstehen: Söder für Bayern und die CSU, Laschet für Deutschland.