Was bedeutet die Unwetterkatastrophe für Klimapolitik und Katastrophenschutz?
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In der Unwetterkatastrophe sind akute Hilfen dringend nötig – die politischen Fragen gehen weit darüber hinaus.
© Quelle: Rhein-Erft-Kreis/dpa
Berlin. Militärischer Katastrophenalarm: Diese zwei Worte unterstreichen am Freitag den bitteren Ernst der Lage im Land.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat diesem Alarm wegen der Unwetterkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ausgelöst. Das bedeute, dass die Entscheidungsinstanzen weit nach vorn verrückt würden, sagte ein Ministeriumssprecher in Berlin.
Das Ziel: Es soll schnell und unkompliziert vor Ort entschieden werden, ob der Bergepanzer, der militärische Lkw oder das Stromaggregat bereitgestellt werde. 850 Soldaten seien im Einsatz, Tendenz steigend.
Der Schock ist groß, der Handlungsdruck auch. Die Bundesregierung kündigte an, in der kommenden Woche über Aufbauhilfen für Bürgerinnen und Bürger und Kommunen in den Überschwemmungsgebieten zu entscheiden. Das Thema soll am Mittwoch im Kabinett aufgerufen werden.
„Wir werden sie in dieser schwierigen, schrecklichen Stunde nicht alleine lassen und werden auch helfen, wenn es um den Wiederaufbau geht“, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zuvor bereits gesagt. Auch Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte Unterstützung angekündigt.
Was muss noch getan werden, um den von der Unwetterkatastrophe betroffenen Gebieten akut zu helfen? Wie kann Unterstützung zum Wiederaufbau möglichst schnell auf den Weg gebracht werden? Was bedeuten die Geschehnisse für die Klimapolitik? Diese Fragen prägen die politische Debatte.
FDP für Sondersitzung des Bundestags
Die FDP forderte eine Sondersitzung des Bundestages. Der Bund müsse zeitnah eine unbürokratische Nothilfe beschließen, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Dafür gebe es mit dem Aufbauhilfefonds aus dem Jahr 2013 ein bewährtes Instrument, das genutzt werden könne.
„Der Deutsche Bundestag könnte das bei einer baldigen Sondersitzung auf den Weg bringen“, setzte er hinzu. „Dies wäre zusätzlich auch ein deutliches Signal an die vielen betroffenen Menschen, dass das Parlament ihnen zur Seite steht.“
Die schnelle Hilfe ist das eine, die Schlussfolgerungen für die Klimapolitik und den Katastrophenschutz das andere. Zwar hat nicht jede Unwetterlage mit dem Klimawandel zu tun, doch Klimaforscher haben deutlich gemacht, dass mit der globalen Erwärmung die Gefahr solcher Phänomene steigt.
Der Jetstream, der als Windband in großer Höhe um die Nordhalbkugel zieht, schwächt sich ab. Dadurch bleiben Wetterlagen länger über einem Ort – und können so großes Unheil anrichten.
Bei den Niederschlägen der vergangenen Tage handele es sich um Extremwetter, dessen Auftreten durch den massiv Klimawandel verstärkt wird, sagte SPD-Chefin Saskia Esken dem RND. „Dem müssen wir uns entgegenstellen.“
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter erklärte, im Vordergrund müssten die akute Krisenbewältigung und Hilfen für die Betroffenen stehen. „Wir müssen zugleich alles dafür zu tun, die Klimakrise in den Griff zu bekommen“, sagte er dem RND zudem. Hofreiter betonte: „Wir müssen in allen Bereichen beim Klimaschutz draufsatteln.“
Das europäische Klimapaket sei dafür ein guter Startpunkt, jetzt müsse Deutschland nachlegen. Zugleich brauche es eine aktive Vorsorgepolitik, um das Land an die neuen Klimarealitäten anzupassen. „Das bedeutet etwa mehr und ökologischeren Hochwasserschutz, Flächenentsiegelung oder hitzeangepasste Städte.“
Ruf nach mehr Geld für Katastrophenschutz
Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Armin Schuster, forderte währenddessen massive Investitionen in die Krisenvorsorge. „Durch Corona und die jüngsten Unwetter ist in sehr kurzer Zeit sehr klar geworden, dass Fragen der akuten Krisenvorsorge mit der gleichen Priorität behandelt werden müssen wie der Kampf gegen den Klimawandel“, sagte er dem RND.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landberg, warb für die Erweiterung und den Neubau von Talsperren, die Schaffung von großen Überschwemmungsgebieten, aber auch den Umbau der Innenstädte mit mehr Grün und Freiflächen. Die Mittel dafür könnten die Kommunen nicht allein aufbringen.
Mit Blick auf den Wiederaufbau in den Kommunen nach der Unwetterkatastrophe sprach Landsberg von einem „nationalen Kraftakt“. Auch das sind zwei Worte, die den Ernst der Lage unterstreichen.