Wie Abgeordnete doch noch eine Mehrheit im Bundestag für eine Impfpflicht erreichen wollen
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Bundestagabgeordnete versuchen sich auf einen Impfpflichtantrag zu einigen.
© Quelle: IMAGO/Achille Abboud
Berlin. Die Ergebnisse von Abstimmungen im Bundestag sind in der Regel vorhersehbar, weil traditionell Mehrheitsregierungen gebildet werden und damit die Stimmverhältnisse im Parlament klar sind. Anders ist die Lage bei der für kommenden Donnerstag angesetzten offenen Abstimmung über eine allgemeine Impfpflicht.
Fünf Gesetzentwürfe beziehungsweise Anträge stehen auf der Tagesordnung – zwei sprechen sich dafür aus, einer will sie zumindest vorbereiten und zwei Anträge sind dagegen. Lange verbreiteten insbesondere die Befürworter Zuversicht, dass eine Impfpflicht schon irgendwie kommen werde. Doch inzwischen macht sich geradezu Panik breit. „Es gibt für keinen der Impfpflichtanträge eine Mehrheit“, sagt ein Abgeordneter aus dem Lager der Befürworter. Deshalb laufen nun auf mehreren Ebenen Verhandlungen zwischen den Gruppen, um doch noch eine Mehrheit zu organisieren.
Intensive Gespräche zwischen Antragsgruppen
Nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) gibt es derzeit intensive Gespräche zwischen der Gruppe „Ü18″ – sie befürwortet eine Impfpflicht ab 18 Jahren – und der Gruppe „Ü50″ mit dem Ziel, beide Anträge zusammenzuführen. Der Ü18-Gesetzentwurf, der bisher von knapp 240 Abgeordneten unterstützt wird, sieht vor, dass alle Erwachsenen bis zum 1. Oktober einen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen müssen. Andernfalls drohen Bußgelder. Der Ü50-Gesetzentwurf, der von rund 50 Abgeordneten getragen wird, beinhaltet eine Beratungspflicht und eine Art Vorratsimpfpflicht ab dem 50. Lebensjahr.
Derzeit werden Kompromissmöglichkeiten ausgelotet. Dabei könnte sich die Ü18-Gruppe darauf einlassen, eine Impfpflicht erst ab 50 Jahren zu akzeptieren. Im Gegenzug wäre es möglich, dass die Ü50-Gruppe zustimmt, die Impfpflicht schon jetzt fest ins Gesetz zu schreiben und nicht erst einen gesonderten Beschluss des Bundestags im Herbst vorzusehen. Eine Stellschraube wäre wohl auch die Bußgeldregelung. So wird diskutiert, die Bußgelder je nach Pandemielage erst durch Beschluss des Parlamentes im Herbst in Kraft zu setzen.
Diese Vorschläge stehen zur Impfpflichtdebatte
Der Bundestag debattiert an diesem Donnerstag erstmals über die verschiedenen Anträge für und gegen eine mögliche Corona-Impfpflicht.
© Quelle: dpa
Vermutlich keine Jastimmen von Unionsabgeordneten
Parallel versuchen beide Gruppen, auch die Unionsfraktion einzubeziehen. Die Union hat einen eigenen Antrag vorgelegt, der zunächst den Aufbau eines Impfregisters und später – abhängig von der Pandemielage im Herbst – eine Impfpflicht ab 50 oder 60 Jahren vorsieht. Die Fraktionsführung hat die Abstimmung nicht frei gegeben, so dass die Unionsabgeordneten als Unterstützer der beiden Pro-Impfpflicht-Anträge ausfallen.
Ziel der Verhandlungen ist zumindest, dass die Fraktionsführung die Abstimmung doch freigibt. Alternativ könnte die Unionsfraktion nicht gegen die Pro-Impfpflicht-Anträge stimmen, sondern sich enthalten. Das würde die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass ein Impfpflichtantrag eine Mehrheit findet. Denn bei der Abstimmung kommt es auf das Verhältnis der Ja- und der Neinstimmen an.
In Kreisen von CDU und CSU heißt es allerdings, es sei kaum vorstellbar, dass die Union Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Gefallen tun werde, quasi als Steigbügelhalter zu agieren und einer Impfpflicht zum Durchbruch zu verhelfen. „Stand jetzt werden wir nur unseren eigenen Antrag unterstützen und gegen alle anderen stimmen“, sagt ein Unionsvertreter.
Lauterbach: Vierte Corona-Impfung für alle ab 60 Jahren
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wirbt EU-weit für eine vierte Corona-Impfung für alle ab 60 Jahren.
© Quelle: dpa
Ein Kompromissmodell aus Ü18 und Ü50 dürfte zwar mehr Stimmen gewinnen, ob es aber auch ohne jede Unterstützung der Union tatsächlich für eine Mehrheit reicht, ist offen. Klar ist bisher nur eines: Die Zeit drängt. Bis zur Sitzung des Gesundheitsausschusses am kommenden Mittwoch muss ein Kompromiss stehen. Ansonsten wird es in Deutschland aller Voraussicht nach keine Impfpflicht geben.