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Wie China auf den nahenden Abschied von Angela Merkel schaut

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping im Mai 2018 in Peking begrüßt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping im Mai 2018 in Peking begrüßt.

Peking. Seit über 600 Tagen hat Staatschef Xi Jinping nicht mehr das Land verlassen. Wenn Chinas starker Mann also mit anderen Regierungsoberhäuptern spricht, dann greift er zum Telefonhörer. Letzten Freitag war zunächst US-Präsident Joe Biden an der Leitung – und nur wenige Stunden später Angela Merkel. Es ist kein Zufall, dass Xi ausgerechnet die Bundeskanzlerin mit auf seine Agenda gehoben hat. China begegnet schließlich unter allen westlichen Staaten neben den USA nur mehr Deutschland noch auf Augenhöhe.

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Es gibt wohl kaum ein Land der Welt, das seine außenpolitischen Beziehungen derart hierarchisch strukturiert wie China: Ernst genommen wird nur, wer wirtschaftliches Gewicht oder politische Macht mit sich führt. Und Deutschland rangiert in der Wichtigkeitsskala Pekings nach wie vor weit oben.

Das hat vor allem mit den massiven, bilateralen Handelsvolumen zu tun. Doch auch Angela Merkel selbst hat dazu beigetragen: In Peking wird die scheidende Kanzlerin als rationale und staatstragende Politikerin von Weltformat wahrgenommen.

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Wer sich auf Pekings Straßen nach Angela Merkel umhört, bekommt vorrangig Positives berichtet: Dass die mächtigste Politikerin Deutschlands noch ab und an selbst in den Supermarkt geht und während des Sommerurlaubs im bodenständigen Tirol wandert, wird ihr in der Volksrepublik hoch angerechnet. Nur im Zuge der Flüchtlingskrise, die von vielen Chinesen als naiv wahrgenommen wird, hat Merkels Ruf ein wenig Federn lassen müssen.

Wenn am 26. September ihr Nachfolger oder ihre Nachfolgerin bestimmt wird, dann ist das beim breiten Volk jedoch eigentlich kein großes Thema. Dafür ist „De Guo“, wie Deutschland auf Chinesisch heißt, doch zu weit entfernt. Innerhalb der Parteikader wird hingegen mit Argusaugen auf die Bundestagswahl geschaut.

Das Beste, was die Parteikader im Pekinger Regierungssitz Zhongnanhai erwarten können, wäre ein „Weiter so“ des Status quo. Doch im Ausland hat Merkel für ihre pragmatische, vorwiegend auf wirtschaftliche Interessen setzende China-Politik zuletzt immer stärkere Kritik einstecken müssen – insbesondere aus Washington. Doch auch Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer bezeichnete die „Automobilaußenpolitik“ der Kanzlerin jüngst als „eigentümlich veraltet“.

Damit spricht er vielen Abgeordneten der unterschiedlichsten Fraktionen aus der Seele. Und tatsächlich trifft die Kritik einen wunden Punkt: Chinas Verhalten auf dem internationalen Parkett hat sich in den letzten anderthalb Jahrzehnten deutlich gewandelt, doch Merkels Politik ist mehr oder weniger konstant geblieben.

Was aber wünscht sich Peking von einer neuen deutschen Regierung? An erster Stelle steht stets, dass sich der bilaterale Partner nicht in sogenannte innere Angelegenheiten einmischt. Jede Kritik an den Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang oder der politischen Repression in Hongkong akzeptiert Staatschef Xi Jinping nicht im Geringsten. Die roten Linien der Volksrepublik hat Chinas starker Führer in den letzten Jahren immer enger gezogen.

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Dementsprechend halten sich auch die chinesischen Staatsmedien nun zurück, wenn es um einen Wunschzettel für die neue Regierung in Berlin geht. Das ist in China durchaus Usus: Erstmals wird abgewartet, sich im Stillen beraten, ehe man eine Botschaft nach außen trägt.

Doch die Interessenlage der Chinesen ist sicherlich kein Geheimnis: Ökonomisch brauchen sie nach wie vor deutsche Firmen, die technisches Know-how und kräftige Investitionen ins Land bringen. Doch deren Position wird innerhalb der Volksrepublik immer umkämpfter: Die heimische Konkurrenz hat längst aufgeholt, und die Wirtschaftsplaner in Peking wollen zusätzlich weniger auf Außenhandel denn auf Binnenkonsum setzen.

Vor allem aber ist Deutschland auch als politischer Partner für China wichtig. Denn die Bundesrepublik ist als einer der wenigen großen Staaten des Westens noch nicht auf jenen Konfrontationskurs gewechselt, den die USA derzeit anführen. Die Urangst Pekings wäre es, wenn Berlin künftig den transatlantischen Schulterschluss sucht und sich gegen China verbündet.

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