Wie Chinas Staatsführung auf die Bundestagswahl schaut

Chinas Staatschef Xi Jinping.

Chinas Staatschef Xi Jinping.

Peking. Das Propagandaorgan „Global Times“ ist üblicherweise für ihre reißerischen, nationalistischen Töne bekannt. Doch dieses Wochenende schwelgt die chinesische Staatszeitung auf geradezu herzerwärmende Weise in den Erinnerungen der letzten 16 Jahre Angela Merkel: In einer riesigen Grafik lässt sie die China-Besuche der scheidenden Kanzlerin Revue passieren – von einer gemeinsamen Bierverkostung mit Premier Li Keqiang bis hin zum letzten Fototermin am Jangtse-Fluss in Wuhan im September 2019.

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Es ist kein Zufall, dass die scheidende Kanzlerin von Peking nun mit einer solch gehörigen Portion Nostalgie zelebriert wird. „Kein anderer westlicher Staatschef hat China so oft besucht wie Merkel, sie hat fast im ganzen Land ihre Spuren hinterlassen“, schreibt Rita Bai, Reporterin der „Global Times“, auf Twitter: „Nach ihrem Rücktritt dürften die chinesisch-deutschen Beziehungen höchstwahrscheinlich unter große Unvorhersehbarkeiten leiden.“

Tatsächlich stand die 67-Jährige in den Augen Pekings stets für einen konstruktiven Kurs: Kritik an Menschenrechtsvergehen wurde zwar angesprochen, doch im Fokus standen die gemeinsamen Wirtschaftsbeziehungen. Zu ihrem Amtsantritt war Merkels China-Politik noch wenig kontrovers, doch spätestens mit Staatschef Xi Jinping, der seine Machtpolitik auch auf dem internationalen Parkett immer aggressiver verfolgt und im Inland Dissens mit eiserner Hand unterdrückt, ist sie geradezu anachronistisch geworden.

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Fast sämtliche westliche Staaten haben in den letzten Jahren kritischere Töne gegen Peking eingeschlagen, nur Deutschland blieb als fast letzte Bastion ein Verfechter des gegenseitigen Engagements.

„Wir hoffen und erwarten von der neuen deutschen Regierung, dass sie ihre pragmatische und balancierte Politik gegenüber China fortsetzt“, heißt es in einer ersten Reaktion von Außenministeriumssprecherin Hua Chunying am Montag.

Peking geht es vor allem darum, dass sich andere Staaten nicht in „innere Angelegenheiten“ einmischen: Kritik an Hongkong, den Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang oder der intransparenten Aufklärung des Covid-Ursprungs sind für Xi Jinping „rote Linien“, die nicht übertreten werden dürfen.

Andernfalls reagiert die Staatsführung mit ökonomischen Vergeltungsmaßnahmen. Diese Melange aus Zuckerbrot und Peitsche fruchtet gut in einem Land, dessen Volkswirtschaft zunehmend vom Zugang des chinesischen Marktes abhängig geworden ist.

Doch gleichzeitig wächst immer mehr Kritik an Deutschlands weichem China-Kurs. „Deutschland muss seine Beziehungen zu China im breiteren europäischen Interesse neu ausrichten“, heißt es von der Londoner Denkfabrik European Council on Foreign Relations: „Merkels Fokus auf einen bilateralen Ansatz mit Peking hat zu einer stärkeren Fragmentierung der europäischen China-Politik beigetragen.“

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Auf Weibo, Chinas führender Onlineplattform, betrauern die meisten User die Stimmenverluste der CDU. Die meisten erklären sich die Niederlage der Regierungspartei mit Merkels Flüchtlingspolitik von 2015, die von den meisten Chinesen als naiv kritisiert wird. Doch abseits davon ist ihr Ansehen in der Volksrepublik nach wie vor tadellos: „Bundeskanzlerin Merkel ist ein Vorbild für die Beziehungen zu China“, meint ein Weibo-Nutzer. Ein anderer kommentiert: „Ich hoffe, Deutschland bleibt nüchtern – und wird nicht von Amerika auf einen falschen Weg gebracht.“

Wer sich die bisherigen Aussagen von Armin Laschet und Olaf Scholz vor Augen führt, der darf tatsächlich auf eine Fortführung des Status quo gegenüber der Volksrepublik hoffen. Die stärkste Kritik gegenüber Peking stammt hingegen von den Grünen. Diese suchen auch am engsten die transatlantische Kooperation – für Xi Jinping wäre es die Urangst, wenn nun auch Berlin sich dem Konfrontationskurs Washingtons vollends anschließt.

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