Wie die USA und China im Konflikt um Taiwan die Muskeln spielen lassen
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Auf diesem vom taiwanesischen Verteidigungsministerium veröffentlichten undatierten Foto fliegt ein chinesischer J-16-Kampfjet der Volksrepublik China an einem nicht näher bezeichneten Ort.
© Quelle: Uncredited/Taiwan Ministry of De
Washington. Peking lässt in unmittelbarer Nähe der Insel, die es als abtrünnige Provinz betrachtet, Kampfjets aufsteigen. Die Amerikaner versichern der Regierung in Taipeh für den Fall eines Angriffs Unterstützung. Auch rhetorisch lassen die beiden Weltmächte die Muskeln spielen. Parallel werben sie in internationalen Gremien für ihre jeweiligen Positionen, um möglichst viele Länder auf ihre Seite zu bringen. Die Chancen auf eine Einigung schwinden.
Der Konflikt ist zwar alles andere als neu. Die Taiwan-Frage belastet die Beziehungen zwischen China und den USA seit Jahrzehnten. Jüngste Entwicklungen lassen aber befürchten, dass eine offene Konfrontation näher rücken könnte. Vergangene Woche ließ US-Präsident Joe Biden in Peking die Alarmglocken läuten, als er erklärte, sein Land sei fest entschlossen, Taiwan bei der Selbstverteidigung zu unterstützen.
China protestierte. Und die Biden-Regierung gab sich bemüht, die Bedeutung der Bemerkung herunterzuspielen. Vertreter des Weißen Hause, des Pentagons und des Außenministerium betonten, der Präsident habe nicht die Absicht, von der „Ein-China-Politik“ abzurücken. Diese sieht vor, dass nur auf informeller Ebene Kontakte mit Taipeh gepflegt werden.In der Praxis besteht dennoch eine enge Partnerschaft zwischen Taiwan und den USA – nicht zuletzt militärisch.
USA werben für Einbindung Taiwans
Indirekt rüttelte Washington am Dienstag dann aber auch an der generellen Herangehensweise, wegen der Taiwan auf globaler Bühne auf viele Privilegien von anderen unabhängigen Staaten verzichten muss. US-Außenminister Antony Blinken forderte andere Mitglieder der Vereinten Nationen auf, Pekings Anspruch auf eine absolute Souveränität über Taiwan zurückzuweisen und gemeinsam mit den USA für eine Einbindung Taipehs in internationale Organisationen in den Bereichen Transport, Gesundheit, Klimawandel, Kultur und Bildung zu plädieren.
„Da die internationale Gemeinschaft vor einer noch nie da gewesenen Zahl von komplexen und weltumspannenden Herausforderungen steht, ist es wichtig, dass alle Akteure an der Lösung der Probleme mitwirken“, sagte Biden. „Das schließt auch die 24 Millionen Menschen, die in Taiwan leben, ein. Eine maßgebliche Beteiligung Taiwans am UN-System ist keine politische Frage, sondern eine pragmatische.“
„Der Ausschluss Taiwans beeinträchtigt die wichtige Arbeit der UN“
Biden wies darauf hin, dass das asiatische Land etwa von Sitzungen der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO ausgeschlossen sei, obwohl es ein wichtiges Luftdrehkreuz sei, und von Treffen der Weltgesundheitsorganisation WHO, obwohl es im Umgang mit der Coronavirus-Pandemie Erfolge vorzuweisen habe. „Der Ausschluss Taiwans beeinträchtigt die wichtige Arbeit der UN und zugehöriger Gremien, die alle sehr von dessen Beiträgen profitieren würden“, sagte er. „Deshalb ermuntern wir alle UN-Mitglieder, gemeinsam mit uns eine starke, sinnvolle Beteiligung Taiwans im gesamten UN-System und in der internationalen Gemeinschaft zu unterstützen.“
Erst zwei Tage vor diesen Äußerungen hatte das Außenministerium in Washington mitgeteilt, dass sich führende Vertreter der amerikanischen und der taiwanischen Regierung in einem virtuellen Treffen über Möglichkeiten der verstärkten Einbindung Taiwans in die Vereinten Nationen sowie in andere internationale Organisationen beraten hätten. Aus diesem Anlass, am 22. Oktober, hätten die USA ihr Bekenntnis zu einer bedeutenderen Rolle des Landes bei der WHO, beim Klimasekretariat UNFCCC und bei etlichen anderen Themen bekräftigt, hieß es.
Zudem hält sich eine kleine Anzahl US-Soldaten nach Angaben Taiwans auf der Insel auf, um die dortigen Soldaten auszubilden. Präsidentin Tsai Ing Wen bestätigte dies am Donnerstag in einem Interview des US-Senders CNN. „Wir haben eine breite Palette an Kooperationen mit den USA, die darauf abzielen, unsere Verteidigungsfähigkeiten zu erhöhen“, sagte Tsai. Auf die Frage, wie viele US-Soldaten in Taiwan im Einsatz seien, antwortete sie, es seien nicht so viele wie man gedacht habe. US-Präsident Joe Biden hatte erst vergangene Woche Taiwan zugesichert, die USA würden es verteidigen.
Taiwans Verteidigungsminister Chiu Kuo Cheng sagte, es gebe bereits seit längerer Zeit einen häufig stattfindenden militärischen Austausch zwischen den USA und Taiwan. Dabei könne jedes Thema angesprochen werden. Er unterstrich, dass Präsidentin Tsai nicht gesagt habe, dass die US-Soldaten dauerhaft auf Taiwan stationiert seien.
Die USA unterhalten zwar wie viele andere Staaten mit Rücksicht auf die Volksrepublik China keine formalen diplomatischen Beziehungen zu Taiwan. Sie unterstützen die Insel jedoch mit militärischer Ausrüstung und sind deren wichtigster Lieferant von Rüstungsgütern.
China verärgert
Nach der Kritik an den vorherigen Statements des amerikanischen Präsidenten, reagierte China auf diese Debatte deutlich verärgert und forderte ein Ende der „offiziellen Kontakte“ Washingtons mit der Regierung der Insel. „Taiwans Beteiligung an Aktivitäten der internationalen Organisationen muss im Einklang mit dem Ein-China-Prinzip gehandhabt werden“, sagte Wang Wenbin, Sprecher des chinesischen Außenministeriums. „Taiwans Bemühungen, seinen sogenannten 'internationalen Spielraum' mit ausländischer Unterstützung zu erweitern, sind im Grunde Versuche, den Raum für eine 'taiwanische Unabhängigkeit' und Abspaltung zu erweitern.“
China und die USA betonen zwar immer wieder, dass es in Fragen wie Handel, Klimaschutz oder dem Umgang mit Nordkorea durchaus gemeinsame Interessen gebe. Doch unter dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump war das Verhältnis der beiden Länder deutlich abgekühlt. Und auch Biden vertritt in vielen Punkten einen harten Kurs.
Der Konflikt um Taiwan geht auf das Jahr 1949 zurück, als es nach einem Bürgerkrieg zur Abspaltung kam. Washington brach 1979 die formalen diplomatischen Beziehungen mit Taipeh ab, um diplomatische Beziehungen mit Peking aufzunehmen. Die USA stellen den Anspruch Chinas auf die Insel nicht offen infrage, haben sich aber per eigenem Gesetz dazu verpflichtet, Taiwan vor Bedrohungen zu schützen und dessen Fähigkeiten zur Selbstverteidigung zu gewährleisten.
Taiwans Präsidentin: Bedrohung durch China „nimmt jeden Tag zu“
Umso besorgniserregender waren zuletzt Äußerungen Chinas, Taiwan im Zweifel auch mit Gewalt unter eigene Kontrolle bringen zu wollen. Begleitet wurden die Äußerungen von Militärmanövern: Die chinesischen Streitkräfte übten auf ihrer Seite der gut 160 Kilometer breiten Wasserstraße, die das Festland von der Insel trennt, Küstenlandungen. Um den Nationalfeiertag zu Beginn des Monats waren südwestlich von Taiwan zudem 149 Kampfflugzeuge Pekings in Aktion. Und die USA bekräftigten ihre Unterstützung Taiwans auch mit zusätzlichen Rüstungsexporten.
Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen sprach in einem am Mittwoch ausgestrahlten Interview von einer stetig wachsenden Gefahr für ihr Land. Die Bedrohung durch China „nimmt jeden Tag zu.“, sagte Tsai dem US-Sender CNN. Sie vertraue darauf, dass die USA Taiwan im Falle eines chinesischen Angriffs beistehen würden. Zugleich rief Tsai demokratische Partner in der Region dazu auf, die Inselrepublik zu unterstützen. „Wenn autoritäre Regime expansionistische Tendenzen zeigen, sollten sich demokratische Länder zusammentun, um ihnen entgegenzutreten. Taiwan steht an vorderster Front.“
RND/AP/dpa/Reuters