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“Wir wollen zusammen leben”: Steinmeier und die Hinterbliebenen von Hanau

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfing im Schloss Bellevue Hinterbliebene der Todesopfer von Hanau.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfing im Schloss Bellevue Hinterbliebene der Todesopfer von Hanau.

Berlin. Die versöhnlichsten Worte an diesem Tag im Berliner Schloss Bellevue wählte Saida Hashemi. Sie verlor ihren Bruder Said Nesar am 19. Februar in Hanau, erschossen von einem Rassisten mit Verfolgungswahn. Ein zweiter Bruder, Said Etris, wurde angeschossen und überlebte. Die 25-jährige Lehrerin trat ans Rednerpult, ihr gegenüber Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und etwa 20 Hinterbliebene des Anschlags. Ihr Blick war fest, als sie sagte: “Ich vertraue diesem Staat und ich vertraue den Menschen, die in diesem Staat leben.”

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Saida Hashemis Worte waren aber nicht nur versöhnlich. Sie waren auch eine Aufforderung, eine Verpflichtung, das ernst zu nehmen, was andere vor ihr gesagt haben, allen voran der Bundespräsident selbst. In seiner Ansprache an die Hinterbliebenen hatte er nicht nur an die neun Todesopfer von Hanau erinnert, hatte ihre Namen wiederholt: Sedat Gürbüz, Gökhan Gültekin, Said Nesar Hashemi, Vili-Viorel Păun, Ferhat Unvar, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Fatih Saraçoğlu, Kaloyan Velkov. Neun Ermordete, aus acht Familien haben sich Hinterbliebene auf den Weg nach Berlin gemacht. Velkovs Witwe hält sich zurzeit in Bulgarien auf und konnte nicht anreisen.

Saida Hashemi im Schloss Bellevue.

Saida Hashemi im Schloss Bellevue.

Der Bundespräsident und seine Frau, der Bundesinnenminister und der Opferbeauftragte Edgar Franke nahmen sich Zeit für Einzelgespräche mit den Familien. “Es waren sehr intensive Gespräche”, sagten Saida und Said Etris Hashemi im Anschluss. Konkrete Versprechen, etwa von Seehofer, gab es nicht. Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) hatte den Innenminister im Vorfeld zur Eile gedrängt: ““Für die Hinterbliebenen der Opfer des Anschlags von Hanau, aber auch für die gesamte Stadtgesellschaft ist wichtig, dass lückenlos aufgeklärt wird”, sagte Kaminsky dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. "Der Abschlussbericht des Bundeskriminalamts muss jetzt auf den Tisch.”

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Die Hashemis sind geduldiger: “Es braucht Zeit, den Anschlag lückenlos aufzuklären, das verstehen wir”, sagt Saida Hashemi. “Wir warten geduldig auf die Ergebnisse.”

Die Erinnerung an die Toten “fordert und verpflichtet uns”, sagte Steinmeier in seiner Rede. Er spricht von der “Pflicht unseres Staates und seiner Sicherheitskräfte, jeden Menschen in unserem Land zu schützen, unabhängig von seiner Herkunft, seinem Glauben, seiner Hautfarbe.” Er spricht von der Mahnung, “noch mehr zu tun, damit niemand in unserem Land sich ungeschützt fühlen muss”.

Und er sieht nicht nur die Behörden in der Pflicht: “Jeder Einzelne ist gefordert im Kampf gegen Hass und Gewalt”, sagt der Präsident, und er spricht jetzt nicht mehr nur von Hanau, sondern auch von den neuen, unübersichtlichen Einfallstoren rechtsextremistischen Denkens im Gefolge der Corona-Verunsicherung. “Wir müssen Hilfe anbieten und wachsam sein, wenn Menschen in unserem Umfeld Verschwörungsmythen verfallen, sie fördern und sich zurückziehen. Wir müssen uns einmischen, wenn Menschen im Alltag verächtlich gemacht werden. Und wir müssen uns klar abgrenzen, wo auch immer Rechtsextremisten aufmarschieren. Wer gleichgültig neben ihnen herläuft, der macht sich mit ihnen gemein.”

Steinmeier hat bereits kurz nach dem Anschlag in Hanau die Hinterbliebenen getroffen, er war auch sofort nach der Attacke in Halle dorthin gereist und hat Angehörige aufgesucht. In diesen Tagen wird er noch zwei Mal zum selben Thema sprechen: Am Samstag hält er in München eine Rede zum 40. Jahrestag des rechtsextremen Anschlags auf das Münchner Oktoberfest, am 9. Oktober spricht er in Halle zum Jahrestag des Anschlags auf Synagoge und Dönerimbiss.

Steinmeier macht den Kampf gegen Rechtsterror und Menschenfeindlichkeit immer stärker zum Thema dieser Amtszeit. Was sein Ziel ist, hat er bereits vor den Angehörigen von Hanau gesagt. Er sagt es nicht in seinen eigenen Worten, sondern er zitiert Serpil Termiz, die Mutter des in Hanau erschossenen Ferhat Unvar. Sie hatte gefordert: “Unsere Kinder dürfen nicht umsonst gestorben sein. Ihr Tod muss das Ende sein, das Ende rassistischer Angriffe.”

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Steinmeier fügte ein Versprechen hinzu: “Wir stehen zusammen. Wir halten zusammen. Wir wollen zusammen leben. Das ist und das bleibt die Botschaft von Hanau.”


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