Union droht mit Blockade im Bundesrat: Wirbel ums Bürgergeld
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Mit der geplanten Einführung des Bürgergelds Anfang kommenden Jahres wollen SPD, Grüne und FDP die Regelsätze für Bedürftige auf rund 500 Euro erhöhen.
© Quelle: Friso Gentsch/dpa
Berlin. Der Twitter-Account des Bundesarbeitsministeriums von Hubertus Heil hat seit Kurzem ein neues Banner: Darauf ist ein Ortsausgangsschild zu sehen, auf dem rot durchgestrichen „Hartz IV“ steht und darüber „Bürgergeld“ – mit einem nach vorne zeigenden Pfeil. SPD-Politiker Heil erfüllt seinen Parteifreundinnen und ‑freunden einen lange gehegten Wunsch: Die Genossen wollen das von ihrem damaligen Kanzler Gerhard Schröder durchgesetzte Reformwerk ein für alle Mal hinter sich lassen. Im Januar soll es endlich so weit sein.
Doch die Union könnte die Pläne der Ampel durchkreuzen: Sie droht mit einer Blockade im Bundesrat, sollte das Gesetz nicht noch mal angepasst werden. Man werde den Plänen der Ampelkoalition in der bisherigen Form nicht zustimmen können, sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja dem „Tagesspiegel“. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und NRW-Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) drängen auf Anpassungen.
Union: „Fördern und Fordern“ nicht mehr erfüllt
Die Kritik der Unionsparteien dreht sich aber nicht um die Regelsatzerhöhung auf 502 Euro, dahingehend herrscht weitgehend Konsens. Die Christdemokraten sehen das Prinzip „Fördern und Fordern“ nicht mehr erfüllt, weil es beim Bürgergeldsystem in erster Linie um Weiterbildung geht, statt Menschen so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Ebenso halten sie die Schonvermögen von bis zu 60.000 Euro pro Person und 30.000 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied für zu hoch und kritisieren die Reduzierung der Sanktionen in den ersten sechs Monaten.
Die SPD weist die Kritik zurück. Die Union rede das Bürgergeld „unbegründet schlecht“, sagte Fraktionsvize Dagmar Schmidt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Das ist Populismus auf dem Rücken derjenigen, die jetzt auf unsere Unterstützung dringend angewiesen sind.“
„Wir wollen nicht, dass Menschen, die in Not geraten, gleich alles verlieren, was sie sich erarbeitet haben. Wir wollen, dass sie den Kopf frei haben für Qualifizierung und Jobsuche, anstatt für ihre Familie eine neue Wohnung und für die Kinder eine neue Schule finden zu müssen.“
Dagmar Schmidt, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion
Schmidt verteidigt die Schonvermögen: „Wir wollen nicht, dass Menschen, die in Not geraten, gleich alles verlieren, was sie sich erarbeitet haben. Wir wollen, dass sie den Kopf frei haben für Qualifizierung und Jobsuche, anstatt für ihre Familie eine neue Wohnung und für die Kinder eine neue Schule finden zu müssen“, so die SPD-Politikerin mit Blick auf die geplante Neuerung, wonach die Angemessenheit von Wohnungsgröße erst nach zwei Jahren überprüft wird. „Zudem brauchen Unternehmen keine Bewerbungen, die durch die Androhung von Sanktionen erfolgen. Sie brauchen motivierte und qualifizierte Menschen, die Lust auf einen neuen Job haben.“ Nach Kompromissbereitschaft klingen Schmidts Sätze nicht. SPD-Chefin Saskia Esken hatte dagegen am Wochenende angekündigt, dass man über Detailfragen reden könne.
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Czaja bringt Vermittlungsausschuss ins Spiel
Der Kinderschutzbund übte scharfe Kritik an der Union. So ist das Bürgergeld aus Sicht von Präsident Heinz Hilgers eine Komponente bei der Absicherung von Familien. „Bei erwerbslosen Eltern kann ein gutes Bürgergeld zusammen mit der Kindergrundsicherung Familien ausreichend ausstatten“, sagte er und forderte die Union auf, ein System aus Mindestlohn, Bürgergeld und Kindergrundsicherung zu unterstützen und ihren „Widerstand“ aufzugeben.
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Lieber aufs Sofa statt früh aufstehen? Warum Menschen wirklich (nicht) arbeiten wollen
Wer Sozialhilfe bezieht, bekommt im kommenden Jahr mehr Geld. Hören Geringverdienende dann auf zu arbeiten? Das befürchtet der Handwerkspräsident. Dabei sind die Gründe, weswegen Menschen arbeiten oder auch nicht, viel komplizierter.
Der Deutsche Städtetag mahnte Ampel und Union zur Verständigung. „Das Bürgergeld ist eine gute Sache und hat eine breite parlamentarische Unterstützung verdient. Wir appellieren deshalb an die Ampelkoalition und die größte Oppositionsfraktion, sich zu verständigen“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy dem RND und betonte, das Bürgergeld verbessere die Instrumente, um arbeitslose Menschen weiterzubilden. Allerdings sieht auch Dedy noch Anpassungsbedarf: „In drei Bereichen des Gesetzentwurfes muss die Koalition allerdings nachbessern: bei der Anrechnung von Vermögen, der Ausstattung der Jobcenter und beim Verwaltungsaufwand.“
CDU-Politiker Czaja brachte in seiner Kritik auch einen Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern ins Spiel. Eine Umsetzung schon zum 1. Januar wäre dann offen – und das Ziel der SPD, Hartz IV abzuhaken, könnte sich weiter verzögern.