Wie der Bundestag Wolfgang Schäuble ehrt
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Abgeordnete des Bundestags applaudieren Wolfgang Schäuble (M, CDU) anlässlich seiner 50-jährigen Zugehörigkeit als Bundestagsabgeordneter.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Berlin. Die Reihen der Abgeordneten waren gut gefüllt, die Kabinettsbank ebenfalls. Dort sah man gar, was sonst nie vorkommt – Ministerinnen und Minister applaudieren. Auf der Ehrentribüne hatten Familienangehörige sowie Freunde Platz genommen, allen voran Ingeborg Schäuble, die Ehefrau, und Bruno Kahl. Letzterer war einst Mitarbeiter des Jubilars und ist heute Präsident des Bundesnachrichtendienstes.
Der feierliche Rahmen der Bundestagssitzung hatte einen Grund: Wolfgang Schäuble, bis zur Wahl im Herbst 2021 noch Präsident des Hohen Hauses und kürzlich 80 Jahre alt geworden, gehört diesem Hohen Haus nun seit 50 Jahren an. Das hielten neben der Unionsfraktion auch alle anderen Fraktionen einer Ehrung für wert.
Wolfgang Schäuble: mehr als die Hälfte seines Lebens im Bundestag
Eingangs sprach Parlamentspräsidentin Bärbel Bas. Die Sozialdemokratin sprach zunächst jedoch nicht über den betagten CDU-Politiker, sondern über ihre Parteifreundin Annemarie Renger, die dieses Amt vor 50 Jahren als erste Frau innehatte. Bei der Bundestagswahl 1972 habe die Wahlbeteiligung bei 91,1 Prozent gelegen, sagte Bas – und der Frauenanteil unter den Gewählten bei 5,8 Prozent. Ein historischer Tiefststand.
Von Renger kam Bas auf Schäuble. Sie erinnerte daran, dass der damals 30-jährige Jurist und Finanzbeamte ein „Verlegenheitskandidat“ gewesen sei – und wie der Verlegenheitskandidat dann Karriere machte: als Innenminister, als Finanzminister, als Fraktionsvorsitzender. So habe Schäuble den Einigungsvertrag ausgehandelt und sei „zum Architekten der deutschen Einheit geworden“; später habe er unter anderem die Islamkonferenz ins Leben gerufen. Bas zitierte die heutige Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, die Schäuble „einen Felsen, einen Giganten“ genannt hatte. 50 Jahre Parlamentszugehörigkeit seien „einmalig in der deutschen Parlamentsgeschichte; das ist eine Ära“.
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Schließlich war Schäuble selbst an der Reihe. Er begann mit einer Anekdote aus der Renger-Zeit. So habe sie einem SPD-Parteifreund, der ohne Krawatte zur Sitzung erschien, mal unauffällig eine bringen lassen. Der wiederum habe sie widerspruchslos angenommen. Die Episode löste Heiterkeit aus – nicht zuletzt bei Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP). Der erste saß mit offenem Hemd da, der zweite im Rollkragenpullover.
Wolfgang Schäuble: Demokratie ist „eine Zumutung und kein Supermarkt für Schnäppchenjäger“
Schäuble verwies allerdings ebenso darauf, dass manch anderes sich kaum verändert habe. So habe der Club of Rome bereits 1972 auf die ökologischen Grenzen des Wachstums hingewiesen. „Auch deswegen verstehe ich, warum die junge Generation heute so drängt“, fuhr er mit Blick auf die Klimaschützer des Jahres 2022 fort. Eine Energiekrise habe es in jenen Jahren ebenfalls gegeben. An den Tagen der Sonntagsfahrverbote seien die Deutschen „auf der Autobahn Fahrrad gefahren und spazieren gegangen“. Dennoch müsse der demokratische Rechtsstaat bei der Letzten Generation den Anfängen wehren, sagte Schäuble. Da spendeten Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) aus ihren Ministersesseln den unüblichen Beifall.
Im Kern widmete sich Schäuble dem Kampf um die Demokratie – und betonte, sie sei „eine Zumutung und kein Supermarkt für Schnäppchenjäger“. Weil der Jubilar indes nicht allzu pessimistisch enden wollte, fuhr er fort: „Krisen sind immer auch Chancen.“ Wirklich überzeugt klang das nicht.
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Aminata Touré: „Friedrich Merz hat nichts dazugelernt“
Seit einem halben Jahr ist Aminata Touré Deutschlands jüngste Ministerin, verantwortet das Sozial-, Familien- und Integrationsressort in Schleswig-Holstein. Sie attackiert den Populismus von CDU-Chef Friedrich Merz in der Zuwanderungspolitik – und lobt zugleich die Zusammenarbeit mit dessen parteiinternem Gegenspieler Daniel Günther in Kiel. Warum sie nicht nach Berlin zieht, erklärt sie im RND-Interview.
Am Schluss gab es Blumen vom Unionsfraktionsvorsitzenden Friedrich Merz und gute Wünsche der übrigen Fraktionen. Allen Beteiligten war bewusst: So eine Ehrung gibt es vielleicht nie wieder.