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Taiwan-Konflikt

Xi warnt Biden: „Diejenigen, die mit dem Feuer spielen, werden nur verbrannt“

Xi Jinping (rechts), Staats- und Parteichef von China, und US-Präsident Joe Biden.

Xi Jinping (rechts), Staats- und Parteichef von China, und US-Präsident Joe Biden.

Seoul. Stolze zwei Stunden und 17 Minuten sprachen die zwei mächtigsten Staatschefs der Welt am Donnerstagabend, und allein die schiere Dauer des Marathontelefonats zwischen Xi Jinping und Joe Biden ist angesichts der angespannten bilateralen Beziehungen bereits ein beruhigendes Zeichen. Doch inhaltlich ließ Chinas Parteichef keinen Zweifel daran, dass er bei den zentralen Streitthemen keinen Zentimeter abrücken wird: „Diejenigen, die mit dem Feuer spielen, werden nur verbrannt. Wir hoffen, dass die US-Seite dies klar sehen kann“, sagte der 69-Jährige unmissverständlich.

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Seine Aussage bezieht sich auf den potenziellen Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi, der die Gesprächsagenda dominierte. Die Vorsitzende des amerikanischen Repräsentantenhauses bekleidet immerhin das drittwichtigste Amt der US-Regierung, ihre Reise in den demokratisch regierten Inselstaat wäre die höchstrangige US-Delegation seit über einem Vierteljahrhundert. Der Zorn der Parteiführung in Peking, die Taiwan als „abtrünnige Provinz“ wertet, geht dementsprechend deutlich über das übliche rhetorische Geplänkel hinaus – und war bereits letzte Woche derart glaubwürdig, dass selbst das US-Militär Pelosis Reisepläne als „derzeit keine gute Idee“ einstufte. In Chinas Staatsmedien wurde etwa offen dazu aufgerufen, das Flugzeug der US-Demokratin von der eigenen Volksbefreiungsarmee „evakuieren“ zu lassen, oder gar eine Flugverbotszone rund um Taiwan zu verhängen.

Biden hat nun beim Telefonat mit Xi versucht, zu beschwichtigen: China und Amerika hätten es demnach seit vierzig Jahren bereits geschafft, mit den „Differenzen“ über den Status von Taiwan umzugehen. Man halte auch weiterhin an der „Ein-China-Politik“ fest. Das Außenministerium in Taipeh ließ sich hingegen weniger von Xi Jinpings drohender „Feuermetapher“ einschüchtern – und richtete am Freitag aus, dass man die Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten weiter vertiefen wolle.

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Xi Jinping warnt Joe Biden: „Wer mit dem Feuer spielt, kommt darin um“
ARCHIV - 09.11.2021, ---: KOMBO - Joe Biden, Präsident der USA, am 6. November 2021 in Washington und Xi Jinping, Staats- und Parteichef von China, am 13. November 2019 in Brasília, Brasilien. US-Präsident Joe Biden wird am Donnerstagvormittag (Ortszeit) mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping sprechen. Foto: Alex Brandon/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Chinas Staatspräsident Xi Jinping hat US-Präsident Biden in einem Telefonat erneut davor gewarnt, die Spannungen um Taiwan weiter anzuheizen.

Starke Anreize, die Eskalationsspirale zurückzufahren

Ohne Frage: Beide Seiten stehen momentan innenpolitisch massiv unter Druck, Stärke nach außen zu demonstrieren. Das gilt insbesondere auch für Xi Jinping, der kurz vor dem bisher kritischsten Moment in seiner politischen Laufbahn steht: Im Herbst wird der 69-Jährige beim 20. Parteikongress als erster Staatschef seit Mao Tsetung seine umstrittene dritte Amtszeit ausrufen – ausgerechnet, während die Wirtschaft des Landes aufgrund von „Null Covid“ und einer sich zuspitzenden Immobilienkrise nahezu stillsteht.

Doch gleichzeitig haben Biden und Xi angesichts der zuletzt alarmierenden Spannungen auch starke Anreize, die Eskalationsspirale zurückzufahren. Laut einer ersten Aussendung des Weißen Hauses sprach der US-Präsident beim bilateralen Telefongespräch auch den Krieg in der Ukraine an – und erhöhte mutmaßlich den Druck auf Peking, seinen Einfluss auf Russland für eine Friedenslösung geltend zu machen.

Die unverhohlene Loyalität Xis gegenüber seinem langjährigen Freund Putin war für den politischen Westen die wohl bitterste Enttäuschung in diesem Jahr. Doch fest steht: Auch wenn der Krieg in der Ukraine gegen sämtliche außenpolitischen Prinzipien der Kommunistischen Partei verstößt, wiegt doch deren strategisches Interesse deutlich stärker. Und dieses liegt klar bei Russland, welches man im systemischen Kampf mit dem Westen langfristig braucht – als Energielieferanten, atomfähigen Handelspartner und nicht zuletzt diplomatische Rückendeckung bei den Vereinten Nationen.

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Anhaltende Talfahrt

Gleichzeitig hat sich im Pekinger Regierungssitz Zhongnanhai längst die Überzeugung festgesetzt, dass die USA – komme, was wolle – den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas an die Weltspitze zu verhindern versuchen. Jede diplomatische Mühe gegenüber Washington ist laut dieser Logik vertane Mühe, stattdessen setzt die Parteiführung mittlerweile vor allem auf eine Sprache von Macht und Einschüchterung.

Bereits während der Ägide Obamas haben die bilateralen Beziehungen zwischen China und den USA zu ihrer anhaltenden Talfahrt angesetzt, doch mit Donald Trumps offen feindlicher Rhetorik und dem gleichzeitig immer selbstbewusster auftretenden Xi Jinping ist der wohl entscheidende geopolitische Konflikt des 21. Jahrhunderts immer offener zutage getreten. Biden mag zuletzt einen bedachteren Tonfall gewählt haben, doch führt er zweifelsohne den inhaltlich konfrontativen Kurs weiter fort. Die Liste an Streitthemen wächst zudem mit jedem Jahr weiter an – vom Handelskrieg über Taiwan bis hin zu den Menschenrechtsverbrechen Chinas in der muslimischen Region Xinjiang.

Diese soll Biden beim gemeinsamen Telefonat mit Xi auch angesprochen haben. Sein Aufruf, die „völkermörderischen Praktiken“ gegen die Minderheit der Uiguren einzustellen, wurde jedoch in der chinesischen Aussendung wie zu erwarten nicht erwähnt.

Stärkste Investitionen in erneuerbare Energien

Doch bei aller Kritik sind sich auch die USA darüber bewusst, dass sie bei einigen wenigen Bereichen auf die Kooperation mit dem Reich der Mitte angewiesen sind. Der Kampf gegen die globale Klimakrise etwa kann nur gemeinsam mit der Volksrepublik China ausgefochten werden – jenem Land also, das sowohl am meisten CO₂ verursacht, als auch weltweit mit Abstand am stärksten in erneuerbare Energien investiert.

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Angesichts der hochkomplexen Beziehungen ist es also umso wichtiger, dass die Kommunikation zwischen den zwei Weltmächten zumindest am Laufen gehalten wird. Zuletzt trafen sich im Juli die Außenminister Anthony Blinken und Wang Yi in Bali, im Vormonat sprachen Sicherheitsberater Jake Sullivan sowie Chinas Spitzendiplomat Yang Jiechi in Luxemburg. Jene Gespräche, so heißt es in diplomatischen Kreisen, sollen überraschend konstruktiv verlaufen sein. Das Telefonat vom Donnerstag zwischen Biden und Xi dürfte hingegen eher unter die Kategorie „Schadensbegrenzung“ fallen.

Doch in Washingtoner Denkfabriken wird bereits zaghaft darüber spekuliert, dass die zwei im November endlich auch einmal persönlich zusammen kommen könnten, um die Differenzen bei einer gemeinsamen Tischmahlzeit zu klären – entweder am Rande des G-20-Treffens in Bali oder beim Treffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft in Bangkok. Für Chinas Staatschef wäre es die erste Auslandsreise seit der Pandemie.

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